VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 16.07.2008 - 3 K 279/07.A - asyl.net: M13982
https://www.asyl.net/rsdb/M13982
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Alter, Betreuung, Betreuungsbedürftigkeit, alleinstehende Personen
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Die Klägerin hat einen Anspruch auf die Feststellung, dass für sie Abschiebungsverbote bezogen auf die Türkei bestehen.

Es besteht nämlich die konkrete Gefahr, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin - und zwar unabhängig von den in der Türkei bestehenden Behandlungsmöglichkeiten - wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde.

Aufgrund ihres hohen Alters (76 Jahre) und ihres angegriffenen Gesundheitszustandes wäre die Klägerin im Falle der Abschiebung in der Türkei nicht in der Lage, die für sie dringend gebotene persönliche Betreuung und gesundheitliche Versorgung zu erhalten. Die Klägerin hat in glaubhafter und nachvollziehbarer Weise vorgetragen, dass sie selbst einfache Verrichtungen des täglichen Lebens nicht ohne fremde Hilfe ausführen kann. Sie ist nicht mehr in der Lage, auch einfache Hausarbeiten zu verrichten. Sie kann auch nach ihren Angaben das Haus nur verlassen, wenn sie dabei von jemandem begleitet und gestützt wird. Auch Einkäufe und notwendige Arztbesuche kann sie nur in Begleitung vornehmen. Diese Angaben der Klägerin werden auch durch Stellungnahmen der zuständigen Ausländerbehörde und durch medizinische Stellungnahmen bestätigt.

Es ist dabei auch glaubhaft gemacht worden, dass sie maßgeblich auf die Hilfe ihrer in Deutschland lebenden Verwandten - ihrer beiden Söhne und Schwiegertöchter - angewiesen ist. Erst durch deren regelmäßige Betreuungsleistungen ist die Sicherung ihrer persönlichen Existenz möglich. Auch zur Inanspruchnahme der notwendigen medizinischen Leistungen ist eine persönliche Begleitung durch Angehörige oder andere Personen unerlässlich.

Es steht auch zur Überzeugung der Kammer fest, dass die für die Klägerin unbedingt erforderliche persönliche Betreuung und Versorgung in der Türkei nicht gewährleistet wäre. Sie hat in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass sie zu den Kindern aus erster Ehe, die noch in der Türkei leben, seit Jahrzehnten keinerlei Kontakt mehr habe. Da sie bereits im Jahre 1994 ausgereist war, erscheint es auch naheliegend, dass auch im Übrigen keine Kontakte zu ehemaligen Freunden oder Nachbarn mehr bestehen. Auch wenn in der Türkei grundsätzlich einer ausreichende medizinische Versorgung vorhanden ist, würde im Falle der Rückkehr eine erhebliche Gefahr bestehen, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, diese überhaupt in ausreichendem Umfang in Anspruch zu nehmen. Sie ist zu alt und zu gebrechlich, um auf sich allein gestellt eine entsprechende medizinische Versorgung und Betreuung zu organisieren. Eine weitere Gesundheitsgefährdung droht der Klägerin, weil sie nicht in der Lage wäre, selbstständig einen Haushalt zu führen und sich selbst ausreichend zu versorgen.

Es kommt hinzu, dass die Klägerin aus einem kleinen Dorf im Südosten der Türkei stammt. In diesem Gebiet ist die soziale und medizinische Betreuung der Bürger erheblich schlechter als in den Großstädten der Westtürkei. Da die Klägerin aber im Falle der Rückkehr sich allenfalls in ihrer aus früheren Zeiten vertrauten Umgebung zurecht finden könnte, käme für sie ein Leben in für sie ganz fremden Großstädten nicht in Betracht. So wäre in jedem Falle mit der Rückkehr in die Türkei eine Situation für die Klägerin verbunden, in der weder die persönlich Versorgung noch die Aufrechterhaltung ihres Gesundheitszustands gewährleistet wäre.