OVG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
OVG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 27.08.2008 - 1 MB 19/08 - asyl.net: M14052
https://www.asyl.net/rsdb/M14052
Leitsatz:

Die Beschwerde gegen eine einstweilige Anordnung auf Stopp einer Überstellung nach Griechenland im Dublin-Verfahren ist auch dann gem. § 80 AsylVfG unzulässig, wenn die Feststellungen des Verwaltungsgerichts zum Asylverfahren in Griechenland nicht zutreffen sollten.

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Beschwerde, Verordnung Dublin II, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung, Griechenland (A), Abschiebungsanordnung, Dublin II-VO, Dublinverfahren,
Normen: AsylVfG § 80; VwGO § 123 Abs. 1; AsylVfG § 27a; AsylVfG § 34a
Auszüge:

Die außerordentliche Beschwerde ist zu verwerfen, weil sie unstatthaft ist. Das ergibt sich zunächst aus § 80 AsylVfG. Es liegen ferner nicht die Voraussetzungen für die ausnahmsweise Zulassung der Beschwerde "wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit" vor. Der angefochtene Beschluss ist nicht greifbar gesetzeswidrig.

Der entscheidende Einzelrichter hat sich - unter Übernahme der Gründe des Verwaltungsgerichts Gießen in dessen Beschluss vom 25. April 2008 - auf den Standpunkt gestellt, dass eine Überstellung des Antragstellers nach Griechenland, den nach der Dublin II-VO für die Durchführung seines Asylverfahrens an sich zuständigen Staat, ausnahmsweise nicht zulässig sei, weil in Griechenland - generell - und damit auch für den Antragsteller ein fairer und effektiver Zugang zum Asylverfahren nicht gewährleistet sei und deshalb dorthin überstellte Asylbewerber mit rechtserheblichen und irreversiblen Nachteilen (von einer Inhaftierung bis hin zur Obdachlosigkeit) zu rechnen hätten. Dagegen hat die Antragsgegnerin jetzt eingewandt, die Verhältnisse in Griechenland hätten sich - was die Durchführung von Asylverfahren angehe - bereits vor der Entscheidung des Verwaltungsgerichts verbessert und würden sich aller Voraussicht nach weiter verbessern. Ferner bestehe die Gefahr, in Griechenland keinen Zugang zu einem fairen und effektiven Asylverfahren zu finden, insbesondere nur für bestimmte Personengruppen, zu denen der Antragsteller nicht gehöre. Schließlich habe dem Antragsteller das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt, weil ein Abschiebungs- bzw. Überstellungsbescheid noch nicht erlassen gewesen sei. Letzteres ist bereits objektiv unrichtig; denn durch Bescheid v. 11. April 2008 hat die Antragsgegnerin die Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland angeordnet. Selbst wenn man im Übrigen zu Gunsten der Antragsgegnerin unterstellte, dass ihre Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse hinsichtlich der Asylpraxis in Griechenland richtig wäre, machte das die angefochtene Entscheidung doch "nur" falsch, nicht dagegen greifbar gesetzeswidrig. Das gilt insbesondere angesichts dessen, dass im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nur eine summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage stattfinden kann, die um so summarischer oder vorläufiger bleiben muss, solange sich die Gegenseite nicht sachlich äußert und das entscheidende Gericht deshalb weitgehend auf das Vorbringen des jeweiligen Antragstellers angewiesen ist.

Dieser letztere Gesichtspunkt spricht zusätzlich für die Unzulässigkeit der außerordentlichen Beschwerde: Die Antragsgegnerin hätte die Möglichkeit gehabt, die Behauptungen und Auffassungen, mit denen sie jetzt ihre außerordentliche Beschwerde bzw. die greifbare Rechtswidrigkeit begründet, im erstinstanzlichen Verfahren - innerhalb der ihr gewährten zweiwöchigen Äußerungsfrist - vorzutragen. Das hat sie versäumt. Die außerordentliche Beschwerde ist kein Instrument, mit dem ein solches prozessuales Versäumnis geheilt werden kann. In solchen Fällen ist dieser Rechtsbehelf als verwirkt anzusehen und zu behandeln.