Es ist fraglich, ob die örtliche Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungshindernissen bereits durch die Antragstellung des Ausländers bei einer Ausländerbehörde außerhalb der räumlichen Beschränkung seiner Duldung begründet werden kann (im Ergebnis offengelassen); Voraussetzung für die örtliche Zuständigkeit einer anderen Ausländerbehörde ist im Fall eines ausgewiesenen Ausländers jedenfalls, dass der Aufenthalt in ihrem Zuständigkeitsbereich kraft höherrangigen Rechts unabweisbar ist; es ist stets eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der räumlichen Beschränkung und den privaten Interessen des geduldeten Ausländers erforderlich.
Es ist fraglich, ob die örtliche Zuständigkeit für die Prüfung von Abschiebungshindernissen bereits durch die Antragstellung des Ausländers bei einer Ausländerbehörde außerhalb der räumlichen Beschränkung seiner Duldung begründet werden kann (im Ergebnis offengelassen); Voraussetzung für die örtliche Zuständigkeit einer anderen Ausländerbehörde ist im Fall eines ausgewiesenen Ausländers jedenfalls, dass der Aufenthalt in ihrem Zuständigkeitsbereich kraft höherrangigen Rechts unabweisbar ist; es ist stets eine Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der räumlichen Beschränkung und den privaten Interessen des geduldeten Ausländers erforderlich.
(Leitsatz der Redaktion)
Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist erfolgreich. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung, mit der die Antragsgegnerin verpflichtet wird, den Aufenthalt des Antragstellers in Bremen zu dulden, sind nicht erfüllt.
1. Der Aufenthalt des Antragstellers, der aufgrund einer von der Stadt Nürnberg erlassenen Ausweisungsverfügung sofort vollziehbar ausreisepflichtig ist, ist gemäß § 61 Abs. 1 S. 1 AufenthG räumlich auf das Bundesland Bayern beschränkt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist die Ausländerbehörde, in deren Bezirk sich ein Ausländer tatsächlich aufhält, für die Entscheidung über ein Duldungsbegehren örtlich nicht zuständig, wenn der Ausländer mit diesem Aufenthalt gegen eine räumliche Aufenthaltsbeschränkung verstößt. Durch die räumliche Beschränkung werde der Ausländer gehindert, in diesem Zuständigkeitsbereich seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen, der Voraussetzung für die örtliche Zuständigkeit sei (§§ 3 Abs. 1 Nr. 3a BremVwVfG, 30 Abs. 3 S. 2 SGB I). Der Senat hat zugleich wiederholt in Betracht gezogen, dass eine andere Beurteilung dann gerechtfertigt sein könne, wenn aus zwingenden Gründen, etwa zum Schutz von Ehe und Familie, ein Wechsel des Aufenthaltsortes geboten sei (vgl. OVG Bremen, B. v. 19.01.2006 - 1 A 290/05, InfAuslR 2007, 71; B. v. 09.10.2006 - 1 B 282/06, InfAuslR 2007, 63).
Der Senat erwägt, diese Rechtsprechung aufzugeben und die sich bei Duldungsbegehren stellenden Zuständigkeitsfragen von der Frage des gewöhnlichen Aufenthalts i.S. von § 3 Abs. 1 Nr. 3 a BremVwVfG zu lösen. Wird eine Duldung für den Bereich einer bestimmten Ausländerbehörde erstrebt, kann diese nur von der angerufenen Ausländerbehörde erteilt werden. Die Ausländerbehörde, in deren Bereich der Ausländer sich bislang aufgrund einer räumlichen Aufenthaltsbeschränkung aufhält, ist nicht berechtigt, eine Duldung für den Zuständigkeitsbereich einer anderen Ausländerbehörde zu erteilen. Das bedeutet, dass die Antragstellung bei einer bestimmten Ausländerbehörde ausreicht, um deren örtliche Zuständigkeit für die begehrte Entscheidung zu begründen. Die Zuständigkeit folgt insoweit aus dem Inhalt der erstrebten behördlichen Entscheidung (Funke-Kaiser in GK-AufenthG, § 61 Rn. 19).
Dabei ist zur Klarstellung hervorzuheben, dass die Antragstellung den Ausländer für sich genommen noch nicht berechtigt, sich über eine bestehende räumliche Aufenthaltsbeschränkung hinwegzusetzen. Zu einem Ortswechsel ist er erst berechtigt, wenn die erstrebte Duldung erteilt worden ist.
Auch bleibt die Ausländerbehörde, in deren Bereich der Ausländer sich aufgrund einer räumlichen Aufenthaltsbeschränkung aufhält, bis zur positiven Entscheidung der Ausländerbehörde des angestrebten Zuzugsorts für die Regelung des Aufenthalts des betreffenden Ausländers zuständig. Die räumlichen Aufenthaltsbeschränkungen des Aufenthaltsgesetzes (§§ 51 Abs. 6, 61 Abs. 1 S. 1) und des AsylVfG (§ 56 Abs. 3) haben insoweit - ggf. ergänzt von dem einschlägigen Landesrecht - eine zuständigkeitsbegründende Wirkung. Das Aufenthaltsgesetz lässt an verschiedenen Stellen erkennen (vgl. §§ 12 Abs. 5, 72 Abs. 3), dass die räumliche Aufenthaltsbeschränkung mit einer entsprechenden behördlichen Zuständigkeit einhergeht (a.A. OVG Hamburg, B. v. 26.04.2006 - 4 Bs 66/06, InfAuslR 2006, 369). Für den Fall, dass die angerufene Ausländerbehörde eine Duldung erteilt, verliert die von der bislang zuständigen Ausländerbehörde erteilte Duldung ihre Wirksamkeit; der Ausländer unterliegt fortan den für den neuen Aufenthaltsort geltenden Aufenthaltsbeschränkungen (OVG Münster, B. v. 29.11.2005 - 19 B 2364/03, InfAuslR 2006, 64).
Wird die Zuständigkeitsfrage in diesem Sinne vom Kriterium des gewöhnlichen Aufenthalts gelöst, wird das - vom Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss zu Recht als unbefriedigend bezeichnete - Ergebnis vermieden, dass Fragen der sachlichen Begründetheit eines Antrags bereits Bedeutung für die örtliche Zuständigkeit erlangen. Weiterhin wird vermieden, dass nur geduldete Ausländer, die die Aufenthaltsbeschränkung missachten, d.h. die sich bereits tatsächlich an dem angestrebten Zuzugsort aufhalten, Aussicht auf eine Sachentscheidung über ihr Duldungsbegehren haben.
Das vorliegende Verfahren macht es indes nicht erforderlich, diese Fragen abschließend zu klären. Denn auch wenn man für das vorliegende Duldungsbegehren in Abweichung von der bisherigen Rechtsprechung des Senats die örtliche Zuständigkeit der Antragsgegnerin bejaht, bleibt das Begehren des Antragstellers in der Sache erfolglos.
2. Die Ausländerbehörde des angestrebten Zuzugsortes hat danach aufgrund des bei ihr gestellten Antrags nach pflichtgemäßen Ermessen über den Ortswechsel zu entscheiden. Bei ihrer Entscheidung darf sie davon ausgehen, dass mit der vom Gesetzgeber vorgesehenen räumlichen Aufenthaltsbeschränkung für geduldete Ausländer öffentliche Interessen von erheblichem Gewicht verfolgt werden. Unter anderem soll ein Untertauchen des sofort vollziehbaren ausreisenpflichtigen Ausländers erschwert und die Erfüllung der Ausreisepflicht besser überwacht werden (vgl. Hailbronner, AuslR, § 61 AufenthG, Rn. 1). Das gilt zumal dann, wenn die Ausreisepflicht auf einer sofort vollziehbaren oder unanfechtbaren Ausweisungsverfügung beruht. § 61 Abs. 1 S. 1 AufenthG beschränkt die Aufenthalt des Ausländers in diesem Fall gerade deshalb auf das Land, in dem sich die Ausländerbehörde befindet, die die Ausweisungsverfügung erlassen hat, um die Durchsetzung der Ausreisepflicht zu erleichtern. Das schließt die Prüfung ein, ob wegen tatsächlicher oder rechtlicher Unmöglichkeit i.S. von § 60 a Abs. 2 S. 1 AufenthG die Abschiebung einstweilen ausgesetzt wird.
Die Ausländerbehörde des angestrebten Zuzugsortes darf sich aus diesem Grund weiter von der Überlegung leiten lassen, dass die Ausländerbehörde, die eine Ausweisungsverfügung erlassen hat, grundsätzlich ebenfalls für die Prüfung von Abschiebungshindernissen zuständig ist, die nach Eintritt der Unanfechtbarkeit der Ausweisungsverfügung entstanden sind. Dass diese Hindernisse - etwa im Falle familiärer Beziehungen - einen Bezug zu einem anderen Bundesland besitzen, führt nicht dazu, dass die für den ausgewiesenen Ausländer geltende räumliche Aufenthaltsbeschränkung und die damit einhergehende behördliche Zuständigkeitsregelung hinfällig werden würden. Die Entscheidung darüber, ob die familiären Belange einer weiteren Durchsetzung der Ausreisepflicht entgegenstehen, fällt in die Zuständigkeit der Ausländerbehörde, die die Ausweisungsverfügung erlassen hat. Bei einem wegen Straftaten ausgewiesenen Ausländer ist insoweit zu berücksichtigen, dass sich auch gewichtige familiäre Belange nicht stets gegenüber gegenläufigen Interessen durchsetzen. Insbesondere dann, wenn nach den konkreten Umständen des Falles die Gefahr weiterer Straftaten besteht, kommt ein Vorrang der gegen einen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet sprechenden Gründe in Betracht (BVerfG, B. v. 23.01.2008 - 2 BvR 1935/05, NVwZ 2006, 682 <683>). In die Prüfung ist u.U. die Frage einer Befristung der Wirkungen der Ausweisung (§ 11 Abs. 1 AufenthG) einzubeziehen.
Ein materieller Duldungsanspruch steht dem ausgewiesenen Ausländer gegenüber der Ausländerbehörde des angestrebten Zuzugsortes unter diesen Umständen nur zu, wenn die familiären Belange den Aufenthalt im Zuständigkeitsbereich dieser Ausländerbehörde kraft höherrangigen Rechts unabweisbar machen. Das kann nur bei besonders gelagerten Sachverhalten angenommen werden, etwa wenn die familiären Belange im Einzelfall ein solches Gewicht besitzen, dass sie, ungeachtet der ergangenen Ausweisungsverfügung, erkennbar eine absolute Sperre für eine weitere Durchsetzung der Ausreisepflicht bilden.
Einen solchen besonders gelagerten Sachverhalt hat der Antragsteller im vorliegenden Fall nicht glaubhaft gemacht. Das Vorhandensein des am 06.05.2008 geborenen Sohnes, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt und für den der Antragsteller aufgrund einer am 31.01.2008 gegenüber dem Jugendamt Bremen abgegebenen Erklärung gemeinsam mit der Kindesmutter die Personensorge ausübt, stellt keinen Sachverhalt dar, der eine absolute Sperre für die weitere Durchsetzung der Ausreisepflicht begründet. Dieser Umstand ist in die Prüfung einzustellen, welches Gewicht dem öffentlichen Interesse an der Durchsetzung der Ausweisungsverfügung gegenwärtig noch beizumessen ist, er erübrigt eine entsprechende Prüfung aber nicht.
Weitere Umstände, die ein absolutes Hindernis für eine Aufenthaltsbeendigung darstellen könnten und die ein Verbleiben in Bremen unabweisbar machen würden, hat der Antragsteller nicht vorgetragen. Sie sind auch sonst nicht ersichtlich. Aus diesem Grund kann nicht angenommen werden, dass er einen mit einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO durchsetzbaren materiellen Anspruch auf eine Duldung seines Aufenthalts im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin hat.
3. Zum selben Ergebnis käme man, wenn man entsprechend der bisherigen Rechtsprechung des Senats davon ausginge, dass die Antragsgegnerin für die Entscheidung über das Duldungsbegehen bereits örtlich unzuständig wäre. Der Senat hat in diesen Fällen auch bislang in Betracht gezogen, dass diese Zuständigkeitsregelung aufgrund von höherrangigem Recht, insbesondere zum Schutz von Ehe und Familie, ausnahmsweise der Korrektur bedarf und die für den Aufenthaltswechsel geltend gemachten Gründe geprüft (s.o.). Nach dem Vortrag des Antragstellers ist im vorliegenden Fall kein Sachverhalt gegeben, der kraft höherrangigen Rechts eine Korrektur der Regelungen über die örtliche Zuständigkeit gebieten würde.
Die vom Senat entschiedenen Fälle verdeutlichen im Übrigen, dass es in diesen Fallkonstellationen stets um eine Abwägung zwischen den öffentlichen Interessen, die der räumlichen Aufenthaltsbeschränkung zugrunde liegen, und dem gegenläufigen privaten Interesse des geduldeten Ausländers geht. Diese Abwägung ist dadurch geprägt, dass für die Einhaltung der räumlichen Aufenthaltsbeschränkung erhebliche öffentliche Interessen streiten. Andererseits können diese Interessen im Einzelfall durch die Belange des geduldeten Ausländers überwunden werden. Die vom Oberverwaltungsgericht erwogene Rechtsprechungsänderung hat zur Folge, dass die gebotene Abwägung zukünftig auf der Ebene des materiellen Duldungsbegehrens erfolgt.