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Zitieren als:
, Beschluss vom 06.08.2008 - 4110 Js 50121/07 - asyl.net: M14064
https://www.asyl.net/rsdb/M14064
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Strafrecht, Wiederaufnahme des Verfahrens, räumliche Beschränkung, Aufenthaltsgestattung, wiederholter Verstoß gegen räumliche Beschränkung, abgelehnte Asylbewerber, Erlöschen, Duldung, Rückwirkungsverbot, Zuwanderungsgesetz
Normen: AsylVfG § 85 Abs. 2 Nr. 2; StPO § 359 Nr. 5; AsylVfG § 67 Abs. 1 Nr. 6; AsylVfG § 67 Abs. 3; AufenthG § 95 Abs. 1 Nr. 7
Auszüge:

Der Verurteilte beantragt über seinen Verteidiger Wiederaufnahme des Verfahrens (Bl. 58 ff. d. A.). Er wurde durch Strafbefehl des Amtsgerichts Strausberg vom 01.07.2005 (Bl. 29 d. A.) wegen wiederholten Verstoßes gegen die räumliche Beschränkung gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG rechtskräftig verurteilt. Gegenstand des Verfahrens ist eine Tat vom 17.01.2005. Die früheren Verstöße datieren aus 2002 bis 2004.

Der Wiederaufnahmeantrag ist zulässig und begründet.

Das Wiederaufnahmegesuch ist darauf gestützt, dass dem Amtsgericht Strausberg bei der Entscheidung nicht bekannt gewesen ist, dass das Asylgesuch des Verurteilten bereits im Jahr 2002 bestandskräftig zurückgewiesen worden ist (vgl. Bl. 33 und 70 des SB I). Es handelt sich hierbei um eine neue Tatsache i.S.d. §§ 359 Nr. 5 StPO, weil sie erst nach Erlass des Strafbefehls (gerichts-)bekannt geworden ist (Meyer-Goßner, StPO, 50. Aufl., § 359, Rn. 30).

Die neue Tatsache ist erheblich, weil sie die strafrechtliche Würdigung zu Gunsten des Verurteilten beeinflusst: Durch die unanfechtbare Zurückweisung des Asylgesuchs ist die Aufenthaltsgestattung für den Verurteilten erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 6 AsylVfG). Mit ihr ist die räumliche Beschränkung ebenfalls erloschen, denn dem seit 01.01.2005 in Kraft getretenen § 67 Abs. 3 AsylVfG ist im Gegenschluss zu entnehmen, dass ohne dessen ausdrückliche gesetzliche Anordnung mit der Aufenthaltsgestattung auch die räumliche Beschränkung erlischt. Anderenfalls bestünde kein selbständiger Regelungsgehalt von § 67 Abs. 3 AsylVfG. Daraus folgt, dass die vorangegangenen Verstöße des Verurteilten nicht strafbewehrt gewesen sind, weil die Regelung der §§ 56, 85 Abs. 2 Nr. 2 AsylVfG mangels räumlicher Beschränkung nicht mehr für ihn galt.

Ferner besteht keine Strafbarkeit nach § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG, obwohl dem Verurteilten eine Duldung erteilt worden ist (vgl. etwa Bl. 167 SB I), in der der Aufenthalt auf das Land Brandenburg beschränkt worden ist. Das Aufenthaltsgesetz trat am 01.01.2005 in Kraft. Das Rückwirkungsverbot verbietet, die noch nicht strafbewehrten Verstöße aus den Jahren 2002 bis 2004 zur Begründung einer Straftat im Jahr 2005 heranzuziehen. Denn es handelt sich um eine strafbegründende Gesetzesänderung. Diese erfasst nur solche Teilakte, bei deren Begehung das neue Gesetz bereits in Kraft war (Eser, in Schönke/Schröder, 27. Aufl., § 2, Rn. 3, 15). Die Handlungen aus den Jahren 2002 bis 2004 sind im Zeitpunkt ihrer Begehung straflos gewesen und dürfen deshalb im Rahmen des Tatbestandes des § 95 Abs. 1 Nr. 7 AufenthG nicht mitberücksichtigt werden (Eser, a.a.O. m.w.N.).