SG Dessau-Roßlau

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Zitieren als:
SG Dessau-Roßlau, Beschluss vom 17.11.2008 - S 10 AY 22/08 ER - asyl.net: M14418
https://www.asyl.net/rsdb/M14418
Leitsatz:

Macht ein ausländischer Vater eines deutschen Kindes sein Umgangsrecht in einem familiengerichtlichen Verfahren geltend, besteht ein Abschiebungshindernis gem. § 60 a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK für die Dauer des Verfahrens, so dass seine Leistungen nicht nach § 1 a Nr. 2 AsylbLG gekürzt werden können.

 

Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Leistungskürzung, Vertretenmüssen, Abschiebungshindernis, inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, Ursächlichkeit, Umgangsrecht, Kinder, deutsche Kinder, Familiengericht, Rechtsstreit, Schutz von Ehe und Familie, Eltern-Kind-Verhältnis, Verwaltungsakt, Dauerverwaltungsakt, Widerspruch, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Sofortvollzug, Auslegung, Antrag
Normen: SGG § 86b Abs. 1; AsylbLG § 1a Nr. 2; AufenthG § 60a Abs. 2; GG Art. 6 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 2; EMRK Art. 8
Auszüge:

Macht ein ausländischer Vater eines deutschen Kindes sein Umgangsrecht in einem familiengerichtlichen Verfahren geltend, besteht ein Abschiebungshindernis gem. § 60 a Abs. 2 AufenthG i.V.m. Art. 6 GG und Art. 8 EMRK für die Dauer des Verfahrens, so dass seine Leistungen nicht nach § 1 a Nr. 2 AsylbLG gekürzt werden können.

(Leitsatz der Redaktion)

 

Der Antrag des Antragstellers war entsprechend seinem wirklichen Begehren und der Änderung der Sachlage während des Verfahrens analog den §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch im austenorierten Umfang auszulegen.

Er ist zulässig für den Zeitraum bis zum 22. Oktober 2008 als Antrag auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs analog § 86 b Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (Meyer-Ladewig § 86 b Rn. 15). Für den Zeitraum ab Anordnung der sofortigen Vollziehung durch die Antragsgegnerin folgt die Zulässigkeit des Antrags aus § 86 b Abs. 1 Nr. 3 SGG. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin war hier die statthafte Antragsart nicht der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86 b Abs. 2 SGG. Dies folgt daraus, dass der Antragsteller sein Rechtsschutzziel bereits mittels der oben genannten Rechtsbehelfe erreichen kann (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22.01.2008, Az. L 23 8 18/07 AY PKH, zitiert nach juris, Rn. 15; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.12.2006, AZ: L 8 B 24/06 AY ER, zitiert nach juris Rn. 35). Bei dem Leistungsbescheid vom 10. Juli 2007, den der angefochtene Verwaltungsakt vom 15. August 2008 im Sinne einer Absenkung abändert, handelt es sich um einen Dauerverwaltungsakt. Ein Verwaltungsakt hat dann Dauerwirkung, wenn durch den Bescheid eine laufende regelmäßig wiederkehrende Leistung bewilligt wird. Die Bewilligung muss vom Zeitpunkt des Erlasses des Bewilligungsbescheides hergesehen noch in die Zukunft fortwirken, darf nicht abgeschlossen in der Vergangenheit liegen (von Wulfen, SGB X, § 48 Rn. 4). Wie der Wortlaut des Bescheides vom 10. Juli 2007 "bis auf weiteres" erkennen lässt, gewährte die Antragsgegnerin dem Antragsteller wiederkehrende Leistungen, die über das Datum des Bescheides hinaus wirken sollten und zunächst zeitlich unbeschränkte Wirkung entfalteten.

Der Antrag des Antragstellers auf Feststellung der aufschiebenden Wirkung bis zum 22. Oktober 2008 war demnach bereits deshalb begründet, weil er Widerspruch gegen den Bescheid vom 15. August 2008 eingelegt hatte, dieser wie oben ausgeführt, gem. § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung entfaltete und die Antragsgegnerin diese nicht beachtet hat.

Ab dem 23. Oktober 2008 war die aufschiebende Wirkung gemäß § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG anzuordnen. Dies folgt daraus, dass das Gericht ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides vom 15. August 2008 hat. Entsprechend dem Grundsatz, dass die Anordnung der sofortigen Vollziehung die Ausnahme zur Regel der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs darstellt, war die aufschiebende Wirkung daher wiederherzustellen. Der angefochtene Bescheid stützt sich auf § 1 a Nr. 2 Asylbewerberleistungsgesetz. Nach dieser Norm erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 und 5 bei denen aus von ihnen zu vertretenen Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden können, Leistungen nach diesem Gesetz nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar geboten ist. Zwar können beim Antragsteller derzeit aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden. Jedoch hat das Gericht ernstliche Zweifel daran, dass diese Nichtvollziehbarkeit allein in Gründen liegt, die der Antragsteller zu vertreten hat. Gründe, die dazu führen, dass der Aufenthalt des Ausländers nicht beendet werden kann, sind von ihm zu vertreten, wenn sie ihre ausschließliche Ursache in dem Verantwortungsbereich des Ausländers haben und ihm vorgeworfen werden kann, durch sein Verhalten die Ausreise verhindert oder verzögert zu haben (Bundesverwaltungsgericht, NVwZ 1999, 666). Entscheidungen der Ausländerbehörde haben keine Tatbestandswirkung (Grube-Wahrendorf § 1 Asylbewerberleistungegesetz Rn. 7 München 2008). Das Gericht geht davon aus, dass für den Antragsteller solange das familiengerichtliche Verfahren auf Ausübung des Umgangsrechts mit seinem Sohn noch nicht abgeschlossen ist, aus § 60 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz in Verbindung mit Artikel 6 Abs. 1 und 2 Grundgesetz, Artikel 8 EMRK im Hinblick auf sein deutsches Kind aus Artikel 6 Grundgesetz (GG) ein Anspruch auf Aussetzung der Abschiebung folgt, da er sich offenbar ernsthaft um ein Umgangsrecht mit seinem Sohn bemüht, das ihm von der Kindesmutter zunächst verweigert wurde. Ein solches Umgangsrecht unterliegt, wenn es vom Kindesvater ernsthaft in einem größeren Umfang ausgeübt wird, dem Schutz des Artikel 6 Abs. 1 und Abs. 2 GG. Würde der Antragsteller aber abgeschoben werden, hätte er eine sehr geringe Chance sein Elternrecht zur Geltung zu bringen. Auch das ernsthafte Bemühen eine Eltern-Kind-Beziehung aufzubauen, untersteht dem Schutz des Artikel 6 Grundgesetz (Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Beschluss vom 20.01.2005, AZ: 11 B 2/05, juris). Erst wenn feststehen sollte, dass der Antragsteller dieses nur um eines Bleiberechts in der Bundesrepublik willen erstreitet, erlischt sein Abschiebungsschutz. Mithin kann der Antragsteller aus familiären Gründen derzeit nicht abgeschoben werden. Sein Aufenthalt kann daher auch aus familiären Gründen, die er nicht zu vertreten hat, nicht beendet werden.