VG Aachen

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Zitieren als:
VG Aachen, Urteil vom 06.11.2008 - 4 K 1685/05.A - asyl.net: M14455
https://www.asyl.net/rsdb/M14455
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung eines guineischen Staatsangehörigen, der in Verdacht geraten ist, an einem Attentat auf Lansana Conté beteiligt gewesen zu sein.

 

Schlagwörter: Guinea, Glaubwürdigkeit, Inhaftierung, Attentat, Lansana Contè, Verdacht, Folter, Willkür
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

Flüchtlingsanerkennung eines guineischen Staatsangehörigen, der in Verdacht geraten ist, an einem Attentat auf Lansana Conté beteiligt gewesen zu sein.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Die zulässige Klage ist begründet. [...]

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf deren Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbotes gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG zu. [...]

Nach der ausgiebigen Anhörung des Klägers geht das Gericht davon aus, dass er vor seiner Ausreise staatlichen Nachstellungen ausgesetzt gewesen ist, in der Sûreté inhaftiert war und am 15. Mai 2005 aus dem Gefängnis fliehen konnte. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung glaubhaft vorgetragen, dass er am 19. Januar 2005 mit einem Fahrer und einem Wächter - wie viele Male zuvor - im Auftrag seines Vaters nach ... gefahren war, um dort von den Kunden seines Vaters Geld in Empfang zu nehmen und seinem Vater zu bringen. Er hat insoweit widerspruchsfrei und nachvollziehbar ausgeführt, dass er bei der Rückfahrt in Conakry an der Kreuzung zu dem Stadtteil ... vom Militär angehalten, kontrolliert und inhaftiert worden ist. Des Weiteren geht das Gericht auf der Grundlage seines glaubhaften Vortrags davon aus, dass er wegen der im Auto befindlichen Waffe des ihn begleitenden Wächters und des in einem Karton befindlichen Geldes verdächtigt worden ist, an dem Attentat gegen Lansana Conté beteiligt gewesen zu sein bzw. dass er die Täter finanziell habe unterstützten wollen. Die Schilderungen des Klägers betreffend seine Festnahme und Inhaftierung sowie seine Vernehmung waren nach Auffassung des Gerichts ebenso schlüssig und detailliert wie sein Vorbringen, ihm sei am 15. Mai 2005 zusammen mit den anderen Insassen seiner Zelle während eines Überfalls auf das Gefängnis die Flucht gelungen.

Im Übrigen stehen die Schilderungen der Ereignisse und Festnahmen betreffend den Attentatsversuch vom 19. Januar 2005 ebenso im Einklang mit den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen zur diesbezüglichen Lage in Guinea wie seine Darstellung des Überfalls auf die Sûreté am 15. Mai 2005, vgl. unter anderem die im vorliegenden Verfahren eingeholten Auskünfte des Auswärtigen Amtes (AA) vom 14. Juli 2008 sowie des Leibnitz-Instituts für globale und regionale Studien (GIGA) vom 12. Juni 2007 sowie AA, Auskunft vom 19. Oktober 2005 an VG Aachen und GIGA vom 6. September 2005 an VG Aachen, wodurch die Überzeugung der Kammer, dass dem Kläger bei einer Verbringung nach Guinea die Gefahr einer Verfolgung mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, weiter gestützt wird.

Nach prognostischer Bewertung aller Einzelumstände ist mithin, insbesondere auch im Hinblick darauf, dass nach dem Attentat auf Conté im Januar 2005 nicht nur weitgehend Unbeteiligte, sondern auch prominente Anwälte und Journalisten sowie unliebsame Oppositionelle festgenommen wurden (vgl. zum Beispiel: Birgit Gärtner, "Innensenator Nagels - Pakt mit dem Teufel" vom 25. März 2005 und amnesty international (ai), Jahresbericht 2006) und Verdächtige im Zusammenhang mit dem Attentat zum Teil noch immer in Haft sind (vgl. AA, Auskunft vom 19. Oktober 2005) und darüber hinaus damit gerechnet werden muss, dass Personen, die - angeblich oder tatsächlich - an einem früheren Attentatsversuch beteiligt waren, erneut verfolgt werden (vgl. AA, Auskunft vom 14. Juli 2008 an VG Aachen), davon auszugehen, dass der Kläger bei einer Rückkehr nach Guinea inhaftiert würde.

Zu dieser Bewertung gelangt man nicht zuletzt auch dadurch, dass es in Guinea häufig zu willkürlichen Festnahmen und zu gesetzlichen Gewaltanwendungen durch Sicherheitsbehörden in der Haft kommt (vgl. unter anderem: Guinea - Aktuelle Lage - Menschenrechte - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge von November 2006 mit weiteren Nachweisen) und der Kläger, anders als andere unschuldig festgenommene Zivilisten, sich durch den Besitz einer Waffe und eines größeren Geldbetrages verdächtigt gemacht hat, an dem Attentat tatsächlich beteiligt gewesen zu sein.

[...]