VG Berlin

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VG Berlin, Beschluss vom 27.02.2009 - 34 L 57.09.A - asyl.net: M15117
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Leitsatz:

Die aufschiebende Wirkung einer Klage gegen eine Abschiebungsanordnung kann entgegen dem Wortlaut des § 34 a Abs. 2 AsylVfG angeordnet werden, wenn ein EU-Mitgliedstaat die Kernanforderungen des europäischen Rechts zum Flüchtlingsschutz verletzt und dies mit einer Gefährdung des Betroffenen einhergeht; in Griechenland besteht kein Zugang zu einem ordnungsgemäßen Asylverfahren.

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Griechenland, Abschiebungsanordnung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Suspensiveffekt, Auslegung, Antrag, Drittstaatenregelung, normative Vergewisserung, Verordnung Dublin II, Genfer Flüchtlingskonvention, GFK, EMRK, Verfahrensrichtlinie, Aufnahmebedingungen, Asylverfahren, Dublin II-VO, Dublinverfahren,
Normen: AsylVfG § 34a Abs. 1; AsylVfG § 34a Abs. 2; AsylVfG § 27a; VwGO § 80 Abs. 5; GG Art. 16a Abs. 2
Auszüge:

[...]

Der Antrag des nach seinen Angaben aus dem Libanon stammenden Palästinensers, der - sinngemäß - darauf gerichtet ist, die aufschiebende Wirkung der Klage VG 34 K 28.09.A gegen die Abschiebungsanordnung in dem Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 16. Dezember 2008 anzuordnen, hat Erfolg. Hierbei legt das Gericht das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers so aus, dass er die aufschiebende Wirkung der Klage nicht auch im Hinblick auf die Feststellung begehrt, dass der Asylantrag unzulässig ist. Denn der Gesetzgeber des AsylVfG sieht als Objekt des Rechtsschutzes bei Anträgen gem. § 80 Abs. 5 VwGO, die sich gegen eine Abschiebung richten, alleine die Abschiebungsandrohung an (vgl. § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG bei Fällen eines unbeachtlichen oder offensichtlich unbegründeten Asylantrags). Nichts anderes kann für den hier vorliegenden Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO gelten, der sich gegen die Anordnung der Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (vgl. §§ 27 a, 34 a AsylVfG) richtet.

Der Antrag gem. § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung ist zulässig und begründet.

Die Unzulässigkeit dieses Antrags ergibt sich vorliegend nicht aus § 34 a AsylVfG. Zwar darf nach dem Wortlaut dieser Vorschrift die Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat, der auf dem Wege des § 27 a AsylVfG ermittelt worden ist, nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden.

Jedoch ist die Vorschrift des § 34 a AsylVfG verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass sie entgegen ihrem Wortlaut die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Zusammenhang mit geplanten Abschiebungen in den sicheren Drittstaat bzw. den gem. § 27 a AsylVfG zuständigen Staat nicht generell verbietet, sondern derartiger Rechtsschutz in Ausnahmefällen nach den allgemeinen Regeln möglich bleibt.

Ein solcher Ausnahmefall liegt hier vor.

§ 27 a AsylVfG bestimmt, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein anderer Staat (insbesondere) auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Vorliegend ist auf Grund der Vorordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates der Europäischen Union vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedsstaates, der für die Prüfung des von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedsstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (ABl. L 5011 vom 25.2.2003 - Dublin II-VO -), für Asylverfahren des Antragstellers Griechenland zuständig. Denn der Antragsteller stellte einen Asylantrag zuerst in Griechenland (vgl. Art. 13 Dublin II-VO), welches das Wiederaufnahmeersuchen Deutschlands nicht beantwortete (vgl. Art. 20 Abs. 1 lit. c Dublin II-VO), was zu seiner Zuständigkeit führte.

Nach der Rechtsprechung des BVerfG (Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938, 2315/93 -, BVerfGE 94, 49 ff.) liegt der sog. Drittstaatenregelung des Art. 16 a Abs. 2 GG das Konzept der normativen Vergewisserung über die Sicherheit des Flüchtlings im sicheren Drittstaat zugrunde. Diese normative Vergewisserung bezieht sich darauf, dass der sichere Drittstaat - Griechenland gehört als Mitglied der Europäischen Gemeinschaften von Verfassungs wegen zu den sicheren Drittstaaten - einem Betroffenen, der sein Gebiet als Flüchtling erreicht hat, den gebotenen Schutz vor politischer Verfolgung und anderen ihm im Herkunftsstaat drohenden schwerwiegenden Beeinträchtigungen seines Lebens, seiner Gesundheit und seiner Freiheit gewährt. Damit entfällt das Bedürfnis, ihm Schutz in der Bundesrepublik Deutschland zu bieten. Insoweit ist die Sicherheit des Flüchtlings im anderen Staat generell festgestellt (vgl. BVerfG, a.a.O. S. 95 f.).

Jedoch hat die Bundesrepublik Deutschland nach der Rechtsprechung des BVerfG ungeachtet der Regelungen in Art. 16 a Abs. 2 GG, §§ 26 a, 27 a, 34 a AsylVfG Schutz - auch Eilrechtsschutz - zu gewähren, wenn Abschiebungehindernisse nach § 51 Abs. 1 oder § 53 AuslG - heute § 60 AufenthG - durch Umstände begründet werden, die ihrer Eigenart nach nicht vorweg im Rahmen des Konzeptes der normativen Vergewisserung von Verfassung oder Gesetz berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich heraus gesetzt sind. Solche Gefahren können etwa die drohende Todesstrafe im Drittstaat oder eine erhebliche konkrete Gefahr sein, dass der Ausländer in unmittelbarem Zusammenhang mit der Verbringung in den Drittstaat dort Opfer eines Verbrechens wird, welches zu verhindern nicht in der Macht des Drittstaates steht. Ferner kommt der Fall in Betracht, dass sich die für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26 a AsylVfG hierauf noch aussteht. Nicht umfasst vom Konzept normativer Vergewisserung sind ferner auch Ausnahmesituationen, in denen der Drittstaat selbst gegen den Schutzsuchenden zu Maßnahmen politischer Verfolgung oder unmenschlicher Behandlung (Art. 3 EMRK) greift und dadurch zum Verfolgerstaat wird oder - etwa aus politischer Rücksichtnahme gegenüber dem Herkunftsstaat - sich des Flüchtlings ohne jede Prüfung des Schutzgesuchs entledigen wird (vgl. BVerfG, a.a.O., S. 99 f.).

Der mit der Bestimmung zum sicheren Drittstaat gemäß Art. 16 a Abs. 2 GG einhergehende Ausschluss des Eilrechtsschutzes erfordert, dass in dem jeweiligen Drittstaat die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge - GFK - vom 28. Juli 1951 (BGBl. 1953 II S. 559) und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten - EMRK - vom 4. November 1950 (BGBl. II 1952 S. 686, 953) sichergestellt ist. Diese Voraussetzung ist für Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union in Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 GG ausdrücklich normiert, gilt aber aufgrund der gebotenen Wertungsgleichheit entsprechend auch für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union. Für letztere sind die aus den genannten Regelungen folgenden Verpflichtungen zudem u.a. in der Richtlinie 2005/85/EG des Rates der Europäischen Union vom 1. Dezember 2005 über Mindestnormen für Verfahren in den Mitgliedsstaaten zur Zuerkennung und Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft (ABl. L 326/13 vom 13.12.2006 - Verfahrensrichtlinie -) und in der Richtlinie 2003/9/EG des Rates der Europäischen Union vom 27. Januar 2003 zur Festlegung Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedsstaaten (ABl. L 31/18 vom 6.2.2003 - Aufnahmerichtlinie -) konkretisiert worden.

Nach Auffassung des Gerichts, die von anderen Verwaltungsgerichten geteilt wird (vgl. nur VG Stuttgart, Beschluss vom 18. Oktober 2008 - A 13 K 3489/08 -, S. 3 des amtl. Abdrucks m.w.N.; VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 6. November 2008 - 13 L 1845/08.A -, S. 5 des amtl. Abdrucks, und vom 22. Dezember 2008 - 13 L 1993/08.A -, S. 4 des amtl. Abdr., jeweils m.w.N.) ist die Verletzung von Kernanforderungen des europäischen Rechts zum Flüchtlingsschutz, die mit einer Gefährdung des Betroffenen insbesondere in seinem Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG einhergeht, als ein vom BVerfG zur Zeit des Ergehens seiner Entscheidung noch nicht berücksichtigungsfähiger, weiterer Sonderfall einzustufen.

Dies ergibt sich aus den folgenden Erwägungen:

Ist die Schutzgewährung entsprechend den genannten europa- und völkerrechtlichen Regelungen in einem Drittstaat oder in einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union trotz deren grundsätzlicher Geltung in der Praxis nicht zumindest im Kern sichergestellt - etwa auf Grund vorübergehender besonderer Umstände in dem betreffenden Land wie z.B. eines die Kapazitäten deutlich übersteigenden Zugangs von Flüchtlingen - ist diese Situation für den Betroffenen von vergleichbarem Gewicht wie der vom BVerfG angeführte Sonderfall, dass sich die für die Qualifizierung als sicher maßgeblichen Verhältnisse im Drittstaat schlagartig geändert haben und die gebotene Reaktion der Bundesregierung nach § 26 a AsylVfG hierauf noch aussteht. Dass es sich hierbei nicht um individuelle, sondern allgemeine Bedingungen im Drittstaat handelt, steht dieser Einschätzung mit Blick auf die Gleichheit der Folgen für den betroffenen Asylbewerber nicht entgegen (vgl. VG Düsseldorf, Beschlüsse vom 6. November 2008, a.a.O., S. 5 f. des amtl. Abdr., und vom 22. Dezember 2008, a.a.O., S. 4 f. des amtl. Abdr.).

Dass derzeit eine solche besondere Situation in Griechenland besteht, hat der Antragsteller glaubhaft gemacht.

Unter Berücksichtigung vorliegender aktueller Erkenntnisquellen zur Situation und Behandlung von Flüchtlingen in Griechenland (vgl. UNHCR, Positionspapier vom 15. April 2008; UNHCR, Auskunft vom 23. Januar 2009 an VG Frankfurt am Main; Pro Asyl, Bericht vom 17. Februar 2009 "Zur aktuellen Situation von Asylsuchenden in Griechenland") geht das Gericht mit der hierzu bereits vorliegenden stattgebenden verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. VG Schleswig, Beschluss vom 16. Juni 2008 - 6 B 18/08 -; VG Ansbach, Beschluss vom 23. September 2008 - AN 14 E 08.30321 -; VG Stuttgart, Beschluss vom 18. Oktober 2008 - A 6 K 3489/08 -; VG Düsseldorf, Beschlüsse vorn 6. November 2008 - 13 L 1845/08.A - und vom 22. Dezember 2008 - 13 L 1993/08.A -; a.A. vgl. VG Karlsruhe, Beschluss vom 16. Dezember 2008 - A 10 K 3898/08; VG München, Beschluss vom 13. Januar 2009 - M 23 E 09.60000 -; VG Oldenburg, Beschluss vom 26. Januar 2009 - 3 B 300/09 -; VG Kassel, Beschluss vom 19. Februar 2009 - 3 L 86/09.KS.A -), davon aus, dass dem Antragsteller bei einer Rückführung nach Griechenland dort jedenfalls derzeit kein Asylverfahren offen steht, das die Mindestnormen der Verfahrensrichtlinie 2005/85/EG des Rates der Europäischen Union vom 1. Dezember 2005 (vgl. dessen Art. 6, Art. 10 Abs. 1 lit. a, b und Art. 12) einhält, und dass in Griechenland auch nicht die Mindestnormen der Aufnahmerichtlinie 2003/9/EG des Rates der Europäischen Union vom 27. Januar 2003 (vgl. dessen Art. 13 f.) eingehalten werden. UNHCR und Pro Asyl sind weiterhin besorgt hinsichtlich des Zugangs zu Asylverfahren in Griechenland für Personen, die internationalen Schutzes bedürfen. So würden ständig Asylanträge nicht entgegengenommen, und zwar stellten sich jeden Samstagmorgen 2.000 bis 3.000 Menschen beim Ausländerpolizeidirektorat von Attica in Athen ("Petrou-Raili-Straße") an, um sich als Asylsuchende registrieren zu lassen, aufgrund begrenzter Kapazitäten würden aber regelmäßig nur 300 bis 400 Asylsuchende registriert; insbesondere für Dublin II-Überstellte sei der Zugang zur Petrou-Raili-Straße oft nicht möglich; Dublin-Rückkehrer, die bei ihrer Ankunft in Griechenland keine Adresse angeben könnten, würden von den griechischen Behörden im Wege des "Verfahrens zur Benachrichtigung von Personen mit unbekanntem Wohnsitz" über den Stand ihres Asylverfahrens durch öffentliche Bekanntmachung informiert, was zur Folge habe, dass einige Dublin-Rückkehrer nicht in der Lage seien, ihre Rechtsmittel weiterzuverfolgen; die Aufnahmebedingungen seien weiterhin qualitativ unzureichend und nicht in ausreichendem Maße vorhanden; laut Flüchtlingsrat gebe es 900 Unterbringungsplätze in Griechenland für 23.000 Personen; viele Asylbewerber, auch Familien, seien deshalb obdachlos und übernachteten in Parks; ferner fehle es an angemessener und ausreichender Information und Beratung der Asylbewerber; überdies fehle es häufig an Dolmetschern; teilweise finde keine Anhörung statt; die Verfahrensdauer sei sehr lang, die Entscheidungen wiesen eine schlechte Qualität auf; in der Praxis finde oft keine materielle Prüfung der Asylanträge statt; die Anerkennungsquote in der ersten Instanz sei vernachlässigbar (0,03 %).

Der UNHCR verwies bereits in seinem Positionspapier vom 15. April 2008 hinsichtlich der Praxis in anderen europäischen Staaten im Zusammenhang mit Rückführungen nach Griechenland auf (teils ober-) gerichtliche Entscheidungen in England, Belgien und den Niederlanden, in denen die Überstellung nach Griechenland untersagt worden sei; Norwegen, das nicht der Europäischen Union, aber dem Schengen-Abkommen angehöre, habe bereits im Februar 2008 entschieden, keine Flüchtlinge mehr nach Griechenland zurückzuschicken.

In der Auskunft vom 23. Januar 2009 verbleibt der UNHCR bei seiner Position, den Regierungen der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union zu empfehlen, von einer Rücküberstellung Asylsuchender unter der Dublin II-VO Abstand zu nehmen und vom Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO Gebrauch zu machen, um die Verantwortung für die Prüfung der Asylanträge selbst zu übernehmen.

Diesen Ausführungen des UNHCR und von Pro Asyl zur Situation der Asylbewerber in Griechenland ist die Antragsgegnerin im vorliegendem Verfahren nicht substantiiert entgegengetreten. Das Bundesministerium des Innern hat in seiner Stellungnahme vom 4. Februar 2009 zur an den Deutschen Bundestag gerichteten Petition des Antragstellers eingeräumt, es sei nicht ausgeschlossen, dass es gegenwärtig und auch in Zukunft in Griechenland Schwierigkeiten bei der Bereitstellung ausreichender Kapazitäten - etwa im Hinblick auf Unterbringung - geben könne, die im Einzelfall gegenüber den betroffenen Asylbewerbern zu persönlichen Härten und erheblichen Schwierigkeiten führen könnten; es erscheine nicht ausgeschlossen, dass in Abhängigkeit von den persönlichen Umständen eines Asylbewerbers in Griechenland eine unterschiedliche Behandlung von Asylbewerbern im Asylverfahren erfolge; dem trage das Bundesamt Rechnung, indem es im Zweifel bei besonders schutzbedürftigen Personen von einer Überstellung nach Griechenland absehe; dies gelte insbesondere für Flüchtlinge hohen Alters, für minderjährige Flüchtlinge, sowie für Flüchtlinge, bei denen eine Schwangerschaft, ernsthafte Krankheit, Pflegebedürftigkeit oder besondere Hilfsbedürftigkeit vorlägen. Somit räumt das Bundesministerium des Innern der Sache nach ein, dass die Zustände für Asylbewerber in Griechenland jedenfalls für besonders schutzbedürftige Asylbewerber derzeit unzumutbar sind. Aufgrund der Schwere der Defizite, die eine Verletzung des europäischen Flüchtlingsrechts im Kern darstellen, erscheint - jedenfalls gegenwärtig - dem Gericht die Situation in Griechenland auch für nicht besonders schutzbedürftige Asylbewerber wie den Antragsteller als unzumutbar.

Diese laut Auskunftslage für Asylbewerber in Griechenland bestehende Situation hat der Antragsteller in seinem nach Einschätzung des Einzelentscheiders des Bundesamtes (vgl. Vermerk vom 15. Dezember 2008) insoweit glaubhaften, weil von pauschalen Übertreibungen freien Vortrag bei seiner Bundesamtsanhörung bestätigt. In der Zusammenfassung des Einzelentscheiders hat der Antragsteller folgendes ausgeführt:

Er sei von der griechischen Küstenwache - nach Notrufsendung - von einem defekten Flüchtlingsboot an Land geholt worden. Dann sei er auf Samos in Haft genommen und erst nach drei Monaten freigelassen worden. Er habe einen für drei Monate gültigen Ausweis und einen Fahrschein für die Fähre bekommen und sich dann nach Athen begeben.

Dort habe er einen Asylantrag gestellt. Der sei auch angenommen worden. Eine sachgerechte Anhörung habe es aber nicht gegeben. Er sei gedrängt worden zu erklären, dass er lediglich gekommen sei, um Arbeit zu gewinnen. Er habe sich nach 40 Tagen wieder melden sollen. Unterbringung und sonstige Unterstützungsleistungen habe es nicht gegeben. So habe er praktisch auf der Straße leben müssen. Als er sich wieder gemeldet habe, habe er einen Ausweis (rote Karte) für sechs Monate bekommen. Nach Ablauf dieser Zeit habe er wiederum einen solchen Ausweis erhalten. Von einer Entscheidung über seinen Asylantrag sei nichts zu hören gewesen.

Einen weiteren Monat später sei er dann ... nach Deutschland weitergeflohen.

Der Antragsteller hat damit dargetan, dass er bei seiner Anwesenheit auf griechischem Hoheitsgebiet ab September 2007 keinen im Kern ordnungsgemäßen Zugang zum Asylverfahren erhalten hat. Dass die Angaben unglaubhaft seien, hat auch die Antragsgegnerin im vorliegenden Verfahren nicht behauptet.

Daraus ergibt sich, dass die Auskunftslage zu der Verletzung der Kernanforderungen des europäischen Flüchtlingsrechts in Griechenland, die von dem Konzept der normativen Vergewisserung nicht umfasst ist, von dem Vortrag des Antragstellers bestätigt wird. Danach ist mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass dem Antragsteller bei der Rückkehr nach Griechenland als Dublin II-Überstellter erneut der Zugang zu einem im Kern ordnungsgemäßen Asylverfahren nicht gewährt werden wird. Diese Situation ist wegen der mit ihr verbundenen drohenden Obdachlosigkeit für Asylbewerber mit einer Gefahr für Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) verbunden.

Nach alledem liegt ein Sonderfall im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG zur Drittstaatenregelung vor, so dass wegen verfassungskonformer Auslegung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG ausnahmsweise einstweiliger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Abschiebungsanordnung zulässig ist.

Der Antrag des Antragstellers gem. § 80 Abs. 5 VwGO ist auch begründet, da ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Abschiebungsanordnung bestehen.

Ermächtigungsgrundlage der Abschiebungsanordnung ist § 34 a AsylVfG, wonach das Bundesamt bei geplanter Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) die Abschiebung in diesen Staat anordnet, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Vorliegend kann die Abschiebung nach Griechenland jedenfalls gegenwärtig aus Rechtsgründen nicht durchgeführt werden, da dem Antragsteller in Griechenland die Verletzung von Kernanforderungen des europäischen Flüchtlingsrechts droht. [...]