Passbeschaffungskosten für Ausländer sind nicht in den Regelsätzen des SGB XII enthalten, so dass sie als Hilfe in sonstigen Lebenslagen gem. § 73 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 AsylbLG gewährt werden können; Ermessensreduzierung auf Null, wenn mit einer Erwerbstätigkeit auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist und die Ausländerbehörde auf Erfüllung der Passpflicht besteht.
Passbeschaffungskosten für Ausländer sind nicht in den Regelsätzen des SGB XII enthalten, so dass sie als Hilfe in sonstigen Lebenslagen gem. § 73 SGB XII i.V.m. § 2 Abs. 1 AsylbLG gewährt werden können; Ermessensreduzierung auf Null, wenn mit einer Erwerbstätigkeit auf absehbare Zeit nicht zu rechnen ist und die Ausländerbehörde auf Erfüllung der Passpflicht besteht.
(Leitsatz der Redaktion)
[...]
Die Klage hat Erfolg. [...]
Rechtsgrundlage des Klagebegehrens ist § 44 SGB X. [...]
Diese Norm ist über § 9 Absatz 3 AsylbLG auch für Leistungsbezieher nach dem AsylbLG anwendbar (vgl. Urteil des Bundessozialgerichtes vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 5/07 R -).
Die beihilfemäßige Gewährung der Passbeschaffungskosten ist aus rechtlich zu beanstandenden Gründen abgelehnt worden. Denn die Kläger haben einen Anspruch aus § 73 SGB XII, wobei diese Norm analog über § 2 Absatz 1 SGB XII anwendbar ist (vgl. Urteil des Sozialgerichtes Halle vom 30. Januar 2008 - S 13 AY 76/06 -).
Die Hilfe in sonstigen Lebenslagen als Ermessensleistung setzt voraus, dass ein atypischer Leistungsbedarf besteht, der weder in den Kapitel 3 bis 9 oder als Hilfe in anderen Lebenslagen oder in anderen Bereichen des Sozialrechts geregelt ist (vgl, LPK-SGB XII-Berlit § 73, Rd. 4.) Eine sonstige Lebenslage kommt in Betracht, wenn dem Gesetzgeber bisher nicht bekannte Lebens- und Bedarfslagen auftreten, in denen durch Veränderung sozialer Verhältnisse neue Probleme entstanden sind (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27. März 1968 - V C 46.67 -) oder sich die Problemwahrnehmung durch gesellschaftliche Veränderung geändert hat. Eine sonstige Lebenslage besteht nicht in allgemeiner Einkommensarmut (vgl. LPK-SGB XII-Berlit § 73, Rd. 6).
§ 73 SGB XII stellt weder eine Regelung zur Aufstockung anderer Tatbestände noch eine Ausweitung konkret geregelter Tatbestände dar (vgl. Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum SGB XII, § 73, Rd. 3). Die Norm darf nicht zu einer Auffangregelung für Leistungsempfänger mutieren (Urteil des Bundessozialgerichtes vom 07. November 2006 - B 7b 14/06 R -; Grube-Wahrendorff, Kommentar zum SGB XII, § 73, Rd. 3). Die Norm beseitigt nicht den Vorrang speziellerer Regelungen (vgl. LPK-SGB XII-Berlit § 73, Rd. 4).
Eine derartige sonstige Bedarfslage ist vorliegend zu bejahen, so dass der Tatbestand des § 73 SGB XII erfüllt ist.
Anders als der Beklagte annimmt, sind die Passbeschaffungskosten bei Beziehern privilegierter Leistungen nach § 2 Absatz 1 AsylbLG in Verbindung mit SGB XII analog nicht im Regelsatz enthalten. Nach einem Schreiben des Bundesministeriums des Innern vom 13. Juli 2007 bestand keine Notwendigkeit zur Aufnahme von Pass- und Personalausweisgebühren in die Regelsatzleistungen, da bei Bedürftigkeit des (deutschen) Sozialhilfebeziehers keine Gebührenerhebung erfolgte.
Grundsätzlich anders stellt sich die tatsächliche Lage bei Beziehern von Analogleistungen dar, welche nur Staatsangehöriger anderer Staaten oder Staatenlose sein können, bei denen im Übrigen Gebühren und Beschaffungskosten in ungleich größerer Höhe anfallen. Dieser Regelungsproblematik hat sich der Gesetzgeber offensichtlich nicht gestellt, was auch der Umstand zeigt, dass für Bezieher von Grundleistungen nach §§ 3 bis 7 AsylbLG eine gesetzliche Regelung in § 6 AsylbLG besteht. In der Regelsatzverordnung werden Pass- und Personalausweisgebühren nicht gesondert aufgeführt, was den Rückschluss zulässt, dass sie nicht im Regelsatz enthalten sind (vgl. Urteil des Sozialgerichtes Berlin vom 26. November 2008 - S 51 AY 46/06 -; Urteil des Sozialgerichtes Halle vom 30. Januar 2008 - S 13 AY 76/06 -). Damit scheidet eine analoge Anwendung von § 37 SGB XII, der sich auf Regelbedarfe bezieht, und die nach dieser Norm einzig zulässige Darlehensgewährung aus.
§ 73 Satz 2 SGB XII sieht als Rechtsfolge eine Ermessensentscheidung darüber vor, ob eine Beihilfe oder ein Darlehen zu leisten ist.
Im Rahmen der Ermessensentscheidung ist die finanzielle und tatsächliche Lebenssituation des Betroffenen zu berücksichtigen. Eine Darlehensgewährung kommt nur dann in Betracht, wenn die begründete Erwartung besteht, dass die Leistungen in absehbarer Zeit zurückgewährt können (vgl. Urteil des Sozialgerichtes Berlin vom 26. November 2006 - S 51 AY 46106 -).
Im vorliegenden Fall ist das Auswahlermessen auf Null reduziert.
Die Kläger zu 2 bis 6 haben das 15. Lebensjahr vollendet oder sind jünger. In absehbarer Zeit ist nicht mit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu rechnen, welche bei der Klägerin zu 2 auch dadurch zusätzlich erschwert wird, dass sie eine Sonderschule besucht.
Die Klägerin zu 1 kann weder einen Schul- noch einen Berufsabschluss vorweisen. Sie ist zwar nicht aufgrund ihres Aufenthaltsstatus nach § 25 Absatz 3 AufenthG gehindert, eine Erwerbstätigkeit aufgenommen. Jedoch sind tatsächliche Hinderungsgründe zu konstatieren, weil sie, da ihr Ehemann schwer erkrankt ist und kaum die Kinder betreuen kann, faktisch alleinerziehend ist. Mit der Aufnahme einer Berufstätigkeit und der Rückzahlung der nicht unerheblichen Aufwendungen von 680,- Euro ist daher in absehbarer Zeit nicht zu rechnen.
Darüber hinaus ist im Rahmen der Ermessensausübung zwingend zu berücksichtigen, dass die Initiative zur Beschaffung von Heimreisedokumenten einzig vom Beklagten ausging. Dieser hat zu Recht auf die Einhaltung der Passpflicht nach § 3 AufenthG bestanden. Im Übrigen stellt ein Verstoß gegen diese Vorschrift gemäß § 95 Absatz 1 Nr. 1 AufenthG eine Ordnungswidrigkeit dar. Wenn aber eine Verwaltungsbehörde ausländerrechtlich (zu Recht) die Einhaltung der Passpflicht einfordert, kann sie sich auf der anderen Seite sozialrechtlich nicht einer Kostenübernahmepflicht entziehen, wenn entsprechende Bedürftigkeit vorliegt. [...]