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Dem Antrag wird insofern entsprochen, als festgestellt wird, dass die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Aserbaidschan vorliegen. [...]
Hinsichtlich der Behandelbarkeit von Epilepsie wird vorab Bezug genommen auf die Auskunft des Auswärtigen Amtes (AA) vom 04.08.2004 (Az.: 508-516.80/42550), in der ausgeführt wird, dass das AA davon ausgehe, dass sich Epilepsiepatienten die erforderlichen Medikamente in Aserbaidschan selbst besorgen. Die Medikamentenpreise in Aserbaidschan entsprechen im Regelfall in etwa den in Deutschland üblichen Preisen, zum Teil sind diese geringfügig niedriger. Nur in dem Falle, dass Medikamente bestellt werden müssen, kann sich der Preis im Einzelfall auf bis das Doppelte belaufen.
Gemäß Auskunft einiger gängiger Internetapotheken kostet das Medikament Keppra 500 mg pro Packung durchschnittlich 384,61 Euro.
Hinsichtlich der Situation für Rückkehrer nach Aserbaidschan wird in diesem Zusammenhang Bezug genommen auf den Bericht über die asyl- und abschiebungsreievante Lage in der Republik Aserbaidschan vom 17.06.2008 (Az.: 508-516.80/3 AZE), wonach trotz des hohen Wirtschaftswachstums ein Großteil der Bevölkerung in Armut lebt, viele davon unterhalb des Existenzminimums. Zwar ist die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln gewährleistet, jedoch müssen sich ärmere Bevölkerungsgruppen bei einem Mindestgehalt von 50 AZM (ca. 60 US-Dollar) pro Monat sehr einschränken. Es gibt grundsätzlich keine staatliche oder sonstige Unterstützung für bedürftige Personen (sozialer Wohnraum, Arbeitslosenunterstützung oder Sozialhilfe). Es gibt auch keinerlei staatliche oder sonstige Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer.
Das Gesundheitssystem Aserbaidschans befindet sich ebenfalls in einem sehr schlechten Zustand. Krankenhäuser befinden sich in erster Linie in Baku. Dies gilt ebenfalls für Spezialkliniken, wie Kinderkrankenhäuser, Herzkliniken und psychiatrische Einrichtungen. Die hygienischen Verhältnisse in diesen Einrichtungen sind oft unzureichend. Die gesundheitliche Versorgung außerhalb der größeren Städte beschränkt sich in der Regel auf eine rein ambulante Versorgung.
In Aserbaidschan besteht keinerlei funktionierendes staatliches Krankenversicherungssystem. Eine kostenlose medizinische Versorgung besteht nur noch formell. Dringende medizinische Hilfe wird in Notfällen gewährt (was den Krankentransport und die Aufnahme in ein staatliches Krankenhaus einschließt). Mittellose Patienten werden minimal versorgt, dann aber nach einigen Tagen "auf eigenen Wunsch" entlassen, wenn sie die Behandlungskosten nicht aufbringen können. In diesem Fall erfolgt dann die weitere Behandlung ambulant oder durch die Familie.
Neben der staatlichen Gesundheitsversorgung bildet sich derzeit ein privater medizinischer Sektor heraus, der gegen Barzahlung medizinische Leistung auf annähernd europäischem Standard bietet und mit privaten Krankenversicherungen kooperiert. Der Großteil der Bevölkerung kann sich eine solche medizinische Versorgung jedoch nicht leisten.
Alle einschlägigen auf dem europäischen Markt registrierten Medikamente sind in Aserbaidschan erhältlich oder können beschafft werden. Kostengünstigere Ersatzmedikation wird aus Russland, der Türkei oder Pakistan eingeführt, ist jedoch oftmals von minderwertiger Qualität.
Da es sich bei dem dem Antragsteller verordneten Medikament Keppra mit dem Wirkstoff Levetiracepam um ein völlig neues Antiepileptikum handelt, das er jedoch dringend benötigt, da die Verschreibung eines handelsüblichen Epileptikums bei ihm zu starken Nebenwirkungen geführt hat, weshalb er in die Uniklinik Münster eingeliefert werden musste, jedoch nicht davon ausgegangen werden kann, dass ein derart teures und neues Medikament in Aserbaidschan in Apotheken verfügbar ist, müsste dieses somit aus dem Ausland bestellt werden, so dass sich die Kosten für eine Packung Keppra gemäß der obigen Ausführungen sogar leicht verdoppeln könnten, nämlich auf über 700 Euro pro Packung.
Da die Familie mittellos ist und auch das Durchschnittseinkommen lediglich bei 60 US-Dollar pro Monat liegt, wäre seine Familie somit nicht ansatzweise in der Lage, dieses für den Antragsteller notwendige und sehr teure Antiepileptikum bezahlen zu können, wobei ein Abbruch der Behandlung für ihn mit einer wesentlichen Gesundheitsverschlechterung verbunden wäre, so dass bei ihm ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 des AufenthG hinsichtlich Aserbaidschan festzustellen war. [...]