VG Köln

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Zitieren als:
VG Köln, Urteil vom 17.10.2008 - 3 K 5468/07.A - asyl.net: M15177
https://www.asyl.net/rsdb/M15177
Leitsatz:
Schlagwörter: Türkei, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, Reformen, Menschenrechtslage, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Verfolgungssicherheit
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die zulässige Klage ist begründet. [...]

Nach der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG für die Entscheidung maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung sind die durch § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG vorgegebenen Voraussetzungen für einen Widerruf der Anerkennung als Asylberechtigter nicht gegeben. Der Kläger hat in der Türkei nach den Feststellungen im Urteil vom 19.04.1993 - VG Koblenz, 3 K 785/90 - im Fall einer Rückkehr in die Türkei asylerhebliche Verfolgung zu befürchten, mit der Folge, dass ihm eine Rückkehr in die Türkei nicht zuzumuten ist. Denn der Kläger kann im Fall einer Rückkehr in sein Heimatland auch zum jetzigen Zeitpunkt der Entscheidung des erkennenden Gerichts, auf den es ankommt (BVerwG, Urteil vom 31.03.1981 - 9 C 286.80 -, Buchholz, Buchholz 402.24 Nr. 27 zu § 28 AuslG; BVerfG, Urteil vom 02.07.1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80, BVerfGE 54, 341 (359 f)). vor erneuter Verfolgung noch nicht hinreichend sicher sein. Die erforderliche hinreichende Verfolgungssicherheit folgt insbesondere nicht aus den in den angegriffenen Bescheid angeführten zahlreichen in der Türkei in den letzten Jahren durchgeführten Reformen und die dadurch sicherlich gegebene deutliche Verbesserung der allgemeinen Menschenrechtslage. Denn die türkische Reformpolitik hat bislang nicht dazu geführt, dass asylrelevante staatliche Übergriffe in der Türkei nicht mehr vorkommen. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.01.2007 hat der Mentalitätswandel in der Türkei noch nicht alle Teile der Polizei, Verwaltung und Justiz vollständig erfasst und es ist noch nicht gelungen, Folter und Misshandlungen vollständig zu unterbinden, wobei eine Hauptursache für deren Fortbestehen in der nicht ausreichend effizienten Strafverfolgung liegt (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.01.2007, Seite 36 - 39).

Diese Situation gilt auch unter dem Lagebericht vom 25.10.2007 uneingeschränkt fort. Weiterhin konstatiert das Auswärtige Amt, das "die Strafverfolgung von Foltertätern immer noch unbefriedigend" und es "der Regierung bislang noch nicht gelungen (ist), Folter und Misshandlungen zu unterbinden" (vgl. Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 25.10.2007, Seite 29).

Angesichts dieser unveränderten Erkenntnislage hält das Gericht daran fest, dass auch gegenwärtig vorverfolgt ausgereiste Flüchtlinge vor erneuter Verfolgung (noch) nicht hinreichend sicher sind (vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 19.04.2005 - 8 A 273/04.A -, Urteil vom 27.03.2007 - 8 A 5118/05.A -). [...]