VG Chemnitz

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Zitieren als:
VG Chemnitz, Urteil vom 18.12.2008 - A 5 K 61/08 - asyl.net: M15221
https://www.asyl.net/rsdb/M15221
Leitsatz:

Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG in den Iran wegen Lungenkrebs.

 

Schlagwörter: Iran, Abschiebungshindernis, zielstaatsbeogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Krebserkrankung, Lungenkrebs, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 7 AufenthG in den Iran wegen Lungenkrebs.

(Leitsatz der Redaktion)

 

[...]

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft i.S.v. § 60 Abs. 1 AufenthG. [...]

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht, vor seiner Ausreise aus seinem Heimatland von politischer Verfolgung bedroht gewesen zu sein. So war das unsubstantiierte und ungereimte Vorbringen des Klägers zu seinen Vorfluchtgründen nicht geeignet, eine begründete Furcht des Klägers vor politischer Verfolgung zur Überzeugung des Gerichts darzutun. [...]

Der Kläger hat einen Anspruch auf Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt. [...]

Wie sich aus mehreren von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Attesten ergibt, leidet er seit Anfang des Jahres 2002 an einem bösartigen Lungentumor. In einer aktuellen ärztlichen Bescheinigung der vom 17.12.2008 wird ausgeführt, dass der Kläger seit dem Jahre 2003 mehrere stationäre und medikamentöse Behandlungen in Form von Chemotherapie und Strahlentherapie, die zu weiteren Nebenwirkungen geführt hätten, erhalten habe. Der Kläger sei auf unbestimmte Zeit auf medikamentöse Therapie sowie auf Strahlen- und Chemotherapie angewiesen. Sein Krankheitszustand sei gegenwärtig lebensbedrohend. [...]

Bei dieser Symptomatik, wie sie sich aufgrund der vorgelegten Atteste ergibt, ist davon auszugehen, dass von klägerischer Seite die selbst zu tragenden Kosten für eine Krebsbehandlung im Iran nicht aufgebracht werden können. Dabei wird nicht in Abrede gestellt, dass die Krankheit, an welcher der Kläger leidet, im Iran grundsätzlich behandelbar ist. Es bedarf jedoch keiner weiteren Darlegung, dass die Kosten für eine

Strahlentherapie und für eine Chemotherapie bei einer Krebserkrankung, deren Ende nicht absehbar ist, sehr hoch ausfallen können. Nach dem zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Lagebericht vom 18.03.2008 verfügt der Iran über ein Versicherungswesen, welches prinzipiell auch die Deckung von Krankheitskosten umfasst. Allerdings seien Patienten weiterhin auf hohe Eigenaufwendungen angewiesen, da bei schweren Erkrankungen die Behandlungskosten die Versicherungsleistungen deutlich übersteigen würden. Ohne dass der Patient massive Vorauszahlungen leisten würde, fände - zumindest bei größeren Eingriffen - eine Behandlung nicht statt. Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran überhaupt in den Genuss von Versicherungsleistungen gelangen kann. Die Erkrankung des Klägers bedarf jedenfalls für einen längeren Zeitraum einer medizinischen Versorgung auf höchstem Niveau. Dabei würden die Behandlungskosten, insbesondere für die komplizierte medizingerätetechnische Versorgung, die Versicherungsleistungen bei weitem übersteigen. Es wäre auch nicht absehbar, wie lange die Behandlung, die der Kläger hier in der Bundesrepublik schon seit Jahren erhält, im Iran fortgeführt werden müsste. Somit besteht konkret die Gefahr, dass der Kläger, der nicht in der Lage ist, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, die erforderlichen Eigenleistungen auf Dauer nicht erbringen kann. Auch nach der zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Auskunft des Deutschen Orient-Instituts vom 27.06.2001 kann im Iran eine Person, die schwer erkrankt und gleichzeitig mittellos ist, eine ärztliche Behandlung nicht über einen längeren Zeitraum finanzieren. Nach dieser Stellungnahme könnte eine mittellose Person zwar über eine gewisse Zeit wohltätiger Stiftungshilfe teilhaftig werden. Aber wenn es sich um eine chronische Krankheit handeln würde, würde diese Person irgendwann sich selbst überlassen bleiben und dann zusehen müssen, wie sie weiter komme. Bei diesen Verhältnissen besteht eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib und Leben des an einer schweren Krebserkrankung leidenden Klägers. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass Verwandte des Klägers in der Lage sind, auf Dauer die Kosten für eine Strahlen- bzw. Chemotherapie zu übernehmen. [...]