Der Eilrechtsschutz ist nur dann gem. § 34 a Abs. 2 AsylVfG ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 34 a Abs. 1 AsylVfG tatsächlich vorliegen; tritt das Bundesamt in die sachliche Prüfung eines Asylantrags ein, indem es den Antragsteller zu seinen Fluchtgründen befragt, macht es von seinem Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung Gebrauch; zum Asylverfahren in Griechenland.
Der Eilrechtsschutz ist nur dann gem. § 34 a Abs. 2 AsylVfG ausgeschlossen, wenn die Voraussetzungen des § 34 a Abs. 1 AsylVfG tatsächlich vorliegen; tritt das Bundesamt in die sachliche Prüfung eines Asylantrags ein, indem es den Antragsteller zu seinen Fluchtgründen befragt, macht es von seinem Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung Gebrauch; zum Asylverfahren in Griechenland.
(Leitsatz der Redaktion)
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Der zulässige Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung hat Erfolg.
§ 34 a Abs. 2 AsylVfG steht der Statthaftigkeit des Antrages nicht entgegen. Danach darf die Abschiebung nach Abs. 1 der Vorschrift nicht nach § 80 oder 123 VwGO ausgesetzt werden. Dies ist jedoch im Lichte des Art. 19 Abs. 4 GG so auszulegen, dass die Voraussetzungen des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG tatsächlich gegeben sein müssen, das heißt, es muss um die Abschiebung des Ausländers in einen sicheren Drittstaat (§ 26 a AsylVfG) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27 a AsylVfG) gehen. Nur wenn diese Voraussetzungen materiell-rechtlich vorliegen, nicht aber wenn ihr Vorliegen lediglich behauptet wird, kann der Ausschluss des vorläufigen Rechtsschutzes greifen. Soll der Ausländer nicht in einen nach § 34 a Abs. 1 S. 1 AsylVfG für sein Asylverfahren zuständigen Staat abgeschoben werden, ist § 34 a Abs. 2 AsylVfG nicht anwendbar. So liegt es hier.
Die Antragsgegnerin beabsichtigt, den Antragsteller nach Griechenland als für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständigen Staat abzuschieben. Griechenland ist jedoch im maßgeblichen Zeitpunkt für die vorliegende Entscheidung - das ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts - nicht (mehr) für die Durchführung seines Asylverfahrens zuständig. Zwar sind dem Antragsteller nach den Erkenntnissen der Antragsgegnerin am 14.07.2008 in Griechenland aus EURODAC am 14.07.2008 Fingerabdrücke abgenommen worden und hat er sich dort vom 14.07. bis zum 25.11.2008 aufgehalten. Demnach ist Griechenland nach Art. 11 Abs. 1 EG-AsylZustVO - Dublin II - als Land des ersten Kontakts für die Prüfung seines Asylbegehrens zuständig geworden. Nach Art. 3 Abs. 1 EU-AsylZustVO prüft das nach den Kriterien des Kapitels III der Verordnung als zuständiger Staat bestimmte Mitglied den Asylantrag des Drittstaatsangehörigen.
Jedoch kann nach Abs. 2 dieses Artikels jeder Mitgliedsstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Diese Prüfung des Asylantrages hat zur Folge, dass der Mitgliedsstaat dadurch zum zuständigen Mitgliedsstaat im Sinne der Verordnung wird und die mit der Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen übernimmt. Dies ist das sogenannte Selbsteintrittsrecht der Mitgliedsstaaten. Diese Folge tritt durch die Prüfung des eingereichten Asylantrags ein. Die in Satz 3 der Vorschrift genannten Informationspflichten sind dagegen nicht konstitutiv für den Übergang der Zuständigkeit nach Satz 2 infolge der Prüfung. Dieses Selbsteintrittsrecht des Art. 3 Abs. 2 EG-AsylZustVO hat die Antragsgegnerin im vorliegenden Fall wahrgenommen, denn sie hat den Asylantrag des Antragstellers sachlich geprüft, so dass die Zuständigkeit europarechtlich auf sie übergegangen ist. In einer zweifelsfrei sachlich-inhaltlichen Anhörung des Asylbewerbers zu den eigentlichen Fluchtgründen ist nämlich eine Prüfung des Asylantrags und damit eine Ausübung des Selbsteintrittsrechts zu sehen. Eine Anhörung zur Sache ist der Beginn der sachlichen Prüfung, die in eine Entscheidung über den Asylantrag mündet. Auch aus Art. 16 Abs. 1 b EU-AsylZustVO, wonach der zuständige Mitgliedsstaat die Prüfung des Asylantrags abzuschließen hat, lässt sich ableiten, dass nicht erst die Entscheidung über den Asylantrag eine Prüfung im Sinne der EG-AsylZustVO bedeutet, sondern bereits die auf die Prüfung des Asylanspruchs gerichtete Anhörung zur Sache. Anders dürfte eine Anhörung zu werten sein, die nur der Ermittlung des Reisewegs und damit zunächst typischerweise nur der Feststellung des zuständigen Vertragsstaats dienen soll (Funke-Kaiser in AsylVfG Gemeinschaftskommentar § 27 Rn. 79) oder die lediglich klären soll, ob humanitäre Gründe für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Antragsgegnerin vorliegen. Auch Art. 2 lit. e EG-AsylZustVO definiert den Begriff der "Prüfung eines Asylantrags" im Sinne der vom Gericht vertretenen Auffassung. Danach umfasst die Prüfung eines Asylantrags die Gesamtheit aller Prüfungsvorgänge, der Entscheidungen bzw. Urteile der zuständigen Stellen in Bezug auf einen Asylantrag nach dem einzelstaatlichen Recht, mit Ausnahme der Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Staates nach dieser Verordnung. D.h. alles, was nicht der Feststellung der Zuständigkeit nach Dublin II gilt, gehört zur Prüfung. Prüfung ist nicht erst der Abschluss des Asylverfahrens nach einzelstaatlichem Recht, wie sich aus Art. 16 lit. b EG-AsylZustVO ergibt, sondern zur Gesamtheit der Prüfungsvorgänge gehört bereits das gezielte Sammeln von Informationen betreffend den Asylantrag in der Anhörung zum Verfolgungsschicksal. Vorliegend spricht alles dafür, dass die Erkenntnisse aus EURODAC bereits vorlagen, als die Antragsgegnerin den Antragsteller zu seinen Asylgründen angehört hat, auch wenn die vorgelegte Sachakte diesbezüglich keine eindeutigen Erkenntnisse ausweist. Sie hält ihm nämlich im Rahmen dieser Anhörung ausdrücklich vor, dass ihm am 14.07.2008 in Griechenland Fingerabdrücke abgenommen worden seien.
Vorliegend hat die Antragsgegnerin den Asylantrag des Antragstellers zweifelsfrei in der Sache geprüft. Sie hat ihn nämlich bei der Anhörung vom 03.12.2008 zu seinen Asylgründen vernommen. Dabei hat sie sich nicht auf die Prüfung der Reisewege oder auf humanitäre Gründe als Grundlage ihres Selbsteintrittsrechts beschränkt. Sie hat ihn in Kenntnis der die Zuständigkeit von Griechenland begründenden Umstände in formeller Anhörung nach § 26 AsylVfG vielmehr ausdrücklich nach seinem Verfolgungsschicksal und seinen Asylgründen befragt. Dieses Vorgehen bedeutet eine Prüfung des eingereichten Asylantrages gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 2 EG-AsylZustVO mit der dort vorgesehenen Folge, dass die Bundesrepublik Deutschland zum zuständigen Mitgliedsstaat für die Prüfung des Asylbegehrens des Antragstellers geworden ist. Das nach Abschluss dieser Anhörungen am 12.12.2008 an den Staat Griechenland gerichtete Wiederaufnahmegesuch konnte angesichts der zuvor eingetretenen Zuständigkeit der Antragsgegnerin nicht mehr die Fiktionswirkung der Art. 17 ff. EG-AsylZustVO entfalten. Vielmehr war die Antragsgegnerin gehalten, mit dem Antragsteller Art. 16 EG-AsylZustVO zu verfahren, insbesondere nach dessen Abs. 1 b die Prüfung des Asylantrags nach dem AsylVfG mit den dort vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten abzuschließen. Sie kann nicht statt dessen den Antragsteller im "kurzen Prozess" in das unzuständige Griechenland abschieben, ohne dass dieser dagegen gerichtlichen Eilrechtsschutz erlangen könnte.
Mittels der mangels Eingreifens des § 34 a Abs. 2 AsylVfG zulässigen einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO sind schwerwiegende Nachteile vom Antragsteller abzuwenden, die durch seine Abschiebung in das unzuständige Griechenland entstehen würden. Denn mit der Abschiebung nach Griechenland drohen dem Antragsteller unzumutbare Nachteile, nämlich menschenrechtswidrige Verhältnisse in den dortigen Asylbewerberlagern und ein auch nicht annähernd rechtlichen Mindeststandards entsprechendes Asylverfahren. Dies ist mit der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung hinreichend hohen Wahrscheinlichkeit glaubhaft gemacht (hinsichtlich der Einzelheiten vgl. Frankfurter Rundschau, Bericht vom 05.08.2008; Süddeutsche Zeitung, Bericht vom 19.06.2008; NZZ Online, Bericht vom 19.04.2008; UNHCR Positionspapier zur Überstellung von Asylsuchenden nach Griechenland nach der Dublin II-Verordnung vom 15.04.2008; sowie die Darstellungen in den Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 23. Juni 2008 - Az. A 3 K 1412/08; des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 8. Juli 2008 - Az. 6 B 30/08; des Verwaltungsgerichts Gießen vom 25.04.2008 - Az. 2 L 201/08.GI.A; des VG Ansbach vom 22. Juli 2008 - Az. AN 4 E 08.30292). Der UNHRCR tritt weiterhin dafür ein, dass die europäischen Regierungen von einer Rücküberstellung nach Griechenland nach der EG-AsylZustVO Abstand nehmen und von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen, weil die Lage der Flüchtlinge in Griechendland trotz gewisser begrüßenswerter Anstrengungen, sie zu verbessern, nach wie vor desolat und das Recht, Asyl zu suchen und zu genießen, ernsthaft korrodiert ist (Stellungnahme vom 27.02.2009 in diesem Verfahren. [...]