LSG Niedersachsen-Bremen

Merkliste
Zitieren als:
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.01.2009 - L 11 AY 138/08 ER u. - asyl.net: M15329
https://www.asyl.net/rsdb/M15329
Leitsatz:
Schlagwörter: D (A), Asylbewerberleistungsgesetz, Aufenthaltsdauer, Rechtsmissbrauch, Palästinenser, Reiseausweis, UNRWA-Bescheinigung, Libanon, Passbeschaffung, Passersatzbeschaffung, Mitwirkungspflichten, Beweislast, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), einstweilige Anordnung
Normen: AsylbLG § 2 Abs. 1; SGG § 86b Abs. 2
Auszüge:

[...]

Der Beschluss des SG Osnabrück vom 22. Oktober 2008 ist aufzuheben, weil der Antragsteiler einen Anspruch auf vorläufige Leistungen nach § 2 AsylbLG im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung glaubhaft gemacht hat und auch der erforderliche Anordnungsgrund vorliegt. [...]

Streitig ist allein, ob der Antragsteller die Dauer des Aufenthaltes rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat. Unter der rechtsmissbräuchlichen Selbstbeeinflussung der Aufenthaltsdauer ist ein subjektiv vorwerfbares, für die Verlängerung des Aufenthalts ursächliches Handeln des Asylbewerbers/Ausländers zu verstehen. Ein solches rechtsmissbräuchliches Verhalten kann der Senat unter Berücksichtigung der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes angezeigten summarischen Prüfung nicht feststellen. Der Senat kann nach Durchsicht auch der vorgelegten Ausländerakten nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass der Antragsteller über seine Staatsangehörigkeit getäuscht hat. Die Angaben bei der Anhörung sind nicht eindeutig. Die Angabe "eigener Reisepass" ist einerseits zu würdigen unter Berücksichtigung der vorangehenden Ausführungen zu gefälschten Dokumenten. Andererseits lässt sich hieraus nicht ersehen, ob der Antragsteller damit zum Ausdruck bringen wollte, ein Reisepass als libanesischer Staatsangehöriger gehabt zu haben. Es kann auch nicht angenommen werden, dass das Bundesamt diesen Begriff als technischen Begriff in das Anhörungsprotokoll aufgenommen hat, denn dem Bundesamt lag überhaupt kein prüffähiges Dokument vor. Deshalb ist davon auszugehen, dass der diesbezügliche Vortrag des Antragstellers lediglich übersetzt wurde. Ergänzend ist zu berücksichtigen, dass selbst das zuständige und sachkundige Bundesamt aufgrund der Angaben des Antragstellers bei der Anhörung am 12. September 1996 den ursprünglich verwandten Landesschlüssel für Libanon ( ...451) auf ungeklärt (...998) umgestellt hatte. Außerdem kommt weiter hinzu, dass für den Senat nicht ersichtlich ist, dass die später eingereichten Unterlagen gefälscht wären. Vielmehr hat sich durch die nachträglich auch im Original vorgelegten Reiseausweise des Antragstellers und seines Sohnes herausgestellt, dass es sich hierbei lediglich um Reiseausweise für palästinensische Flüchtlinge handelt ("Document de Voyage pour les Refugies Palestiniens") und jeweils als Nationalität "Palastinienne" angegeben ist. Diese Angaben werden auch durch die UNRWA-Bescheinigung und die Schreiben der Generaldelegation Palästinas bestätigt. Gegen die Echtheit dieser Bescheinigung spricht nicht, dass die Botschaft des Libanon im Schreiben vom 3. März 1999 mitgeteilt hatte, dass eine Person namens ... im Libanon nicht registriert sei, denn diese Aussage ist völlig korrekt, soweit damit eine Registrierung als libanesischer Staatsangehöriger gemeint ist. Allein aus der vom SG angesprochenen Möglichkeit, dass palästinensische Volkszugehörige auch die libanesische Staatsangehörigkeit haben können, lässt sich für die Entscheidung im vorliegenden Fall nichts herleiten. Insoweit kann auch aus der Angabe im Vernehmungsprotokoll vom 14. Dezember 1999 (Bl. 111 ff. der Ausländerakte), der Sohn sei libanesischer Staatsangehöriger (vgl. Nr. 9), nichts Entscheidendes hergeleitet werden, denn zugleich hatte der Sohn seinen Reiseausweis als palästinensischer Flüchtling vorgelegt. Dem Antragsteller kann auch nicht vorgehalten werden, er habe sich um die Beschaffung des zurückgesandten "eigenen Reisepasses" nicht bemüht, denn dabei handelt es sich zur Überzeugung des Senats gerade um den später im Original vorgelegten Reiseausweis für palästinensische Flüchtlinge. Dem Antragsteller kann auch nicht vorgeworfen werden, sich nicht hinreichend um die Beschaffung von Heimreisedokumenten bemüht zu haben. Zu Recht weist der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers auf die Schwierigkeiten bezüglich der Neuausstellung bzw. Verlängerung von Reisedokumenten für palästinensische Flüchtlinge hin (vgl. auch Merkblatt Bl. 236 der Ausländerakte). Außerdem ist dabei zu berücksichtigen, dass es auch der Ausländerbehörde trotz des Vorliegens von Originaldokumenten nicht gelungen ist, gültige Reisepapiere zu beschaffen. Dem Antragsgegner ist es danach nicht gelungen, ein rechtsmissbräuchliches Verhalten des Antragstellers hinreichend glaubhaft zu machen. Zweifel bezüglich eines relevanten rechtsmissbräuchlichen Verhaltens bei Anwendung des § 2 AsylbLG gehen zu Lasten der Behörde. [...]