VG Würzburg

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Zitieren als:
VG Würzburg, Urteil vom 28.04.2009 - W 6 K 08.30170 - asyl.net: M15636
https://www.asyl.net/rsdb/M15636
Leitsatz:

Entgegen der von Hruschka im Asylmagazin 3/2009 vertretenen Ansicht zum Urteil des EuGH vom 29.1.2009 (Petrosian, M14824) werde der Ablauf der Überstellungsfrist durch eine einstweilige Anordnung unterbrochen.

Die vom Bundesverfassungsgericht festgelegten Ausnahmen von der Drittstaatenregelung sind auf die Dublin II-Verordnung nicht anwendbar; erfüllt ein Mitgliedstaat nicht die europäischen Mindestnormen für das Asylrecht, kann daraus ein Anspruch auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gem. Art. 3 Abs. 2 der Dublin II-Verordnung folgen (hier: Griechenland) (im Anschluss an VG Würzburg, Urteil vom 10.3.2009 - W 4 K 08.30122 -); Art. 8 der Dublin II-Verordnung gilt nicht bei gleichzeitiger oder nahezu gleichzeitige Asylantragstellung von Familienangehörigen.

Schlagwörter: Griechenland, Verordnung Dublin II, unzulässiger Asylantrag, Abschiebungsanordnung, Anfechtungsklage, Verpflichtungsklage, Fristen, Anspruch, subjektives Recht, Sechs-Monats-Frist, Unterbrechung, einstweilige Anordnung, vorläufiger Rechtsschutz (Eilverfahren), Familienangehörige, Asylantrag, Schutz von Ehe und Familie, Drittstaatenregelung, normative Vergewisserung, Selbsteintrittsrecht, Anerkennungsrichtlinie, Aufnahmebedingungen, Verfahrensrichtlinie, Humanitäre Klausel, Ermessen, Ermessensreduzierung auf Null, Dublin II-VO, Dublinverfahren, Überstellungsfrist,
Normen: AsylVfG § 27a; AsylVfG § 34a; EG VO Nr. 343/2003 Art. 8; EG VO Nr. 343/2003 Art. 17 Abs. 1; EG VO Nr. 343/2003 Art. 19 Abs. 4; GG Art. 16a Abs. 2; EU Art. 6 Abs. 2; EG VO Nr. 343/2003 Art. 3 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Die Anordnung der Abschiebung war deshalb nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben. Auch Ziffer 1 des strittigen Bescheides war deshalb aufzuheben. Als Konsequenz war die Beklagte nach § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu verpflichten, das Asylverfahren fortzuführen. Infolge einer Ermessensreduzierung auf Null ist die Sache spruchreif.

Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Wenn der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens nach § 27 a AsylVfG zuständigen Staat abgeschoben werden soll, ordnet das Bundesamt nach § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Die Voraussetzungen dieser Vorschriften sind an sich erfüllt. Es greift im vorliegenden Fall aber eine Ausnahme ein (siehe unten 2.)

a) Nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 13. Februar 2003 (Dublin II-VO) ist im vorliegenden Fall prinzipiell Griechenland für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. [...]

b) Der Kläger kann sich nicht auf Fristen berufen, deren Ablauf die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland begründen könnte, wobei offen bleiben kann, ob die Fristbestimmungen überhaupt dem Schutz der Asylsuchenden zu dienen bestimmt sind und ihnen dementsprechend Rechte verleihen.

Nach Art. 10 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO endet die Zuständigkeit nach Satz 1 zwölf Monate nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts. Welches Ereignis vor Ablauf der Frist eingetreten sein muss, um ein Enden der Zuständigkeit zu verhindern, wird nicht ausdrücklich geregelt. Im Gegensatz zu Art. 19 Abs. 4 Satz 1 bzw. Art 20 Abs. 1 Buchst. d) knüpft Art. 10 Abs. 1 Satz 2 nach seinem Wortlaut nicht an die Überstellung des Ausländers in den zuständigen Staat an. Nach Ansicht des Einzelrichters ist die Frist jedenfalls dann gewahrt, wenn innerhalb eines Jahres nach dem Tag des illegalen Grenzübertritts die Zuständigkeit zwischen den in Frage kommenden Mitgliedsstaaten geklärt ist. So war es im vorliegenden Fall. Der Kläger wurde am 20. September 2007 in Griechenland aufgegriffen. Mit Schreiben vom 26. Juni 2008 erklärte sich das griechische Innenministerium zu seiner Übernahme bereit.

Nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO kann ein Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag gestellt worden ist, spätestens innerhalb vor 3 Monaten nach Stellung des Asylantrages einen anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Antragsteller aufzunehmen, wenn er diesen für die Prüfung des Asylantrages zuständig hält. Nach Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO ist der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig, wenn das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb der Frist von drei Monaten unterbreitet wird. Diese Frist wurde eingehalten. Der Asylantrag datiert vom 2. April 2008, das Übernahmeersuchen vom 24. April 2008.

Für eine Aufnahme es Klägers in Griechenland gilt Art. 19 und nicht Art. 20 Dublin II-VO. Der Kläger hatte nämlich in Griechenland nicht Asyl beantragt. Das ergibt sich aus der Eurodac-Kennzahl (siehe Blatt 51 der Akte des Bundesamts). Sie beginnt mit einer "2", wohingegen bei Asylbewerbern nach Art. 2 Abs. 3 Satz 5 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 die Kernzahl mit einer "1" beginnt. Der Kläger hat auch in der mündlichen Verhandlung angegeben, keinen Asylantrag in Griechenland gestellt zu haben. Nach Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO erfolgt die Überstellung eines Antragstellers von dem Mitgliedstaat, in welchem der Asylantrag gestellt worden ist, in den zuständigen Mitgliedstaat spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab der Annahme des Antrags auf Aufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat. Wenn die Überstellung nicht innerhalb dieser Frist von sechs Monaten durchgeführt wird, geht die Zuständigkeit nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 Dublin II-VO auf den Mitgliedstaat über, in dem der Asylantrag eingereicht wurde. Im vorliegenden Fall ist die Frist zwar zunächst in Gang gesetzt worden. Sie wurde aber vor dem Ablauf von sechs Monaten unterbrochen, weil über den Rechtsbehelf noch nicht rechtskräftig entschieden wurden ist und mit Beschluss vom 7. November 2008 (W 6 E 08.30165) die Abschiebung des Klägers nach Griechenland vorläufig untersagt worden ist. Hierbei ist es nach Ansicht des Einzelrichters unerheblich, dass nicht (nach § 80 Abs. 5 VwGO) die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs angeordnet worden ist, sondern eine einstweilige Anordnung (nach § 123 VwGO) ergangen ist. Die unübliche Form des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine Abschiebungsanordnung erklärt sich aus der Praxis der Beklagten, den betreffenden Bescheid erst unmittelbar vor dessen Vollzug bekanntzugeben. Die Wirkung der einstweiligen Anordnung ist hier gleich der Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs, in § 34 a Abs. 2 AsylVfG wird die Aussetzung der Abschiebung sowohl nach § 80 als auch nach § 123 VwGO ausgeschlossen. Der Europäische Gerichtshof (U. v. 29.01.2009, C-19/08 - "Petrosian", Asylmagazin 3/2009, S. 29) hat geklärt, dass die Frist nach der Entscheidung über den Rechtsbehelf nicht schon ab der Entscheidung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes, sondern erst ab der Entscheidung in der Hauptsache läuft. Im durch den EuGH entschiedenen Fall sah das nationale (schwedische) Recht die Möglichkeit der gerichtlichen Aussetzung der Vollziehung vor. Der Einzelrichter vermag der im Schrifttum (Hruschka, Asylmagazin 3/2009 S. 8) vertretenen Auffassung, dass die Frist auch dann ab der Annahme des Antrages auf Aufnahme durch den zuständigen Staat laufen soll, wenn Gerichte einstweiligen Rechtsschutz gewähren, obwohl dieser nach dem nationalen Recht - wie nach § 34a Abs. 2 AsylVfG - ausgeschlossen ist, nicht zu folgen. Nach Ansicht des Einzelrichters kann der Antwort auf die Vorlagefrage durch den EuGH in der zitierten Entscheidung die von Hruschka gegebene Bedeutung nicht beigemessen werden. Wenn man rein am Wortlaut des Art. 19 Abs. 3 Satz 1 Dublin II-VO haften würde, könnte man diesen auch so verstehen, dass die Sechsmonatsfrist nur bei einer gesetzlich angeordneten aufschiebenden Wirkung ab der Entscheidung über den Rechtsbehelf beginnt. Da die Dublin II-VO hinsichtlich der Frage, ob ein Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat, auf das nationale Recht verweist, ist es nach Ansicht des Einzelrichters unerheblich, ob das nationale Recht die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs im geschriebenen Gesetzesrecht, im Gewohnheitsrecht oder in verfassungskonformer Auslegung des Gesetzesrechts durch die Gerichte vorsieht. Gegen die Ansicht von Hruschka spricht zudem der Sinn und Zweck der Normierung von zwei verschiedenen Anknüpfungspunkten der Sechsmonatsfrist nach Art. 19 Abs. 3 Dublin II-VO. Denn durch die Anknüpfung der Sechsnmonatsfrist einmal an die Annahme des Antrags auf Aufnahme des Antragstellers sowie im Falle der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs an die Entscheidung über den Rechtsbehelf wird klargestellt, dass die Sechsmonatsfrist allein der Durchführung der Überstellung in den zuständigen Mitgliedsstaat dienen soll. Die Frist verfolgt in Anbetracht der praktischen Komplexität und der organisatorischen Schwierigkeiten, die mit der Durchführung der Überstellung einhergehen, das Ziel, es den beiden betroffenen Mitgliedsstaaten zu ermöglichen, sich im Hinblick auf die Durchführung abzustimmen (EuGH, a.a.O., Rd.Nr. 40). Durch die Anknüpfung der Sechsmonatsfrist an die Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, soll eine Gleichbehandlung der Fälle vorgenommen werden, in welchen ein nationaler Rechtsbehelf aufschiebende Wirkung hat und in denen er keine hat. Insoweit ist davon auszugehen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber nicht die Absicht hatte, dem Erfordernis der zügigen Bearbeitung der Asylanträge den gerichtlichen Schutz zu opfern und Gerichte dazu veranlassen wollte, über die Rechtmäßigkeit des Überstellungsverfahrens vor Ablauf der genannten Frist durch eine Entscheidung zu befinden, die ggf. wegen Zeitmangels der Richter nicht in zufriedenstellender Weise dem komplexen Charakter des Rechtsstreits Rechnung tragen konnte (EuGH; a.a.O., Rd.Nr. 48 ff). Diese Erwägungsgründe sind nach Ansicht des Einzelrichters auch auf den Fall übertragbar, in welchem das nationale Gesetzesrecht zwar eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs ausschließt, nationale Gerichte in verfassungskonformer Auslegung des Rechts eine aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs tatsächlich nach § 80 Abs. 5 VwGO oder faktisch nach § 123 VwGO anordnen. Denn auch in diesen Fällen darf sich der Mitgliedsstaat nicht über die gerichtliche Entscheidung hinwegsetzen und eine Überstellung vornehmen, der allein die Sechsmonatsfrist dienen soll.

c) Problematisch ist die Frage, ob die Beklagte für den Asylantrag des Klägers nach Art. 8 Dublin II-VO zuständig ist. Hat hiernach ein Asylbewerber in einem Mitgliedsstaat einen Familienangehörigen, über dessen Asylantrag noch keine erste Sachentscheidung getroffen wurde, so obliegt diesem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags, sofern die betroffenen Personen dies wünschen. Hier gibt der Kläger zwar an, mit einer Asylbewerberin verheiratet zu sein, deren Asylantrag in Deutschland geprüft wird. Unabhängig davon, ob der Kläger tatsächlich verheiratet ist, gilt Art. 8 Dublin II-VO grundsätzlich nur, wenn der Antrag des Familienangehörigen vor dem Antrag des Asylbewerbers - hier des Klägers - gestellt worden ist, denn ansonsten wäre nach Art. 8 das Land zuständig, in welchem der Asylbewerber seinen Antrag gestellt hat (GK-AsylVfG, § 27 a Rd.Nr. 170 f.). Nicht geregelt ist durch Art. 8 die gleichzeitige Antragstellung. In einem solchen Fall muss die Zuständigkeit über die diesem Artikel folgende Normen bestimmt werden, insbesondere über Art. 14 Dublin II-VO. Nach Art. 14 b) ist in einem Fall, in welchem mehrere Mitglieder einer Familie in demselben Mitgliedsstaat gleichzeitig oder in so großer zeitlicher Nähe einen Asylantrag stellen, dass die Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaats gemeinsam durchgeführt werden können, grundsätzlich der Mitgliedsstaat für die Prüfung zuständig, der nach den Kriterien für die Prüfung des von dem ältesten Familienmitglied eingereichten Asylantrags zuständig ist. [...]

2. Die Zuständigkeit der Beklagten für die Durchführung des Asylverfahrens ist ausnahmsweise gegeben.

a) Nach Auffassung des Einzelrichters kann allerdings die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Drittstaatenregelung (U. v. 14.05.1996, 2 BvR 1938, 2315/93, BVerfGE 94, 49 - NVwZ 1996, 700) nicht unmittelbar für die Begründung der Zuständigkeit der Beklagten in Fällen der eigentlichen Zuständigkeit Griechenlands nach der Dublin II-VO herangezogen werden. Diese Rechtsprechung betrifft § 26 a AsylVfG, also sichere Drittstaaten im Sinne des Artikels 16 a Abs. 2 Satz 1 GG, und stammt aus einer Zeit vor Erlass der Dublin II-VO. Zwar sind nach Art. 16 a Abs. 2 Satz 2 GG die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften sichere Drittstaaten. Im Fall einer Überstellung nach Griechenland ist aber § 27 a AsylVfG und nicht § 26 a AsylVfG anwendbar. Hiernach ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Die Dublin II-VO ist eine solche Rechtsvorschrift. Nach Art. 249 Abs. 2 EG hat eine Verordnung allgemeine Geltung, sie ist in allen Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat. Eine Ausnahme von der Zuständigkeitsregelung muss danach zunächst im Gemeinschaftsrecht gesucht werden. Allerdings kann auch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts als Interpretationshilfe herangezogen werden. Nach Art. 6 Abs. 2 EU achtet die Union die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.

b) Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze zu Ausnahmen von der Dritstaatenregelung sind zudem nicht einschlägig. [...]

c) Der Einzelrichter hält die Beklagte auf Grund der gegenwärtigen Situation in Griechenland für verpflichtet, nach dem Gemeinschaftsrecht von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen.

aa) Der Einzelrichter leitet einen Anspruch des Klägers auf Selbsteintritt aus Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-VO ab, wonach jeder Mitgliedsstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen kann, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Aus dem Wortlaut der Norm folgt ein solcher Anspruch freilich noch nicht. Es besteht ein Ermessen, für dessen Ausübung die Vorschrift keine Anhaltspunkte gibt.

Die meisten Entscheidungen zu den "Griechenland-Fällen" sind im Verfahren des einstweiliger Rechtsschutzes ergangen. Das Verwaltungsgericht Gießen hat im Beschluss vom 25. April 2008 (Asylmagazin 5/2008, S. 11 und <juris>), an dem sich überwiegend die stattgebenden Sofortbeschlüsse anderer Verwaltungsgerichte orientiert haben (siehe auch den Beschluss der Kammer vom 12.08.2008, W 4 E 08.30114), ein subjektives Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über einen Selbsteintritt angenommen (siehe auch Funke-Kaiser in GK-AsylVfG, § 27 a Rd.Nr. 223; Marx, AsylVfG, § 29 Rd.Nr. 51). Allerdings hat das VG Gießen eine Ermessensreduzierung verneint, weil die Möglichkeit eingeräumt werden müsse, entsprechend den Empfehlungen des UNHCR Garantien von Griechenland einzuholen. So wurde die einstweilige Anordnung auch nur auf sechs Monate befristet. In den wenigen bekannt gewordenen Hauptsacheentscheidungen (VG Augsburg, U.v. 06.05.2008, Au 5 K 08.30051; VG München, U.v. 30.05.2008. M 16 K 07.51049; VG Ansbach, U.v. 18.07.2008, AN 19 K 08.30276; VG Saarland, U.v, 24.09.2008, 2 K 94/08 - jeweils <juris>) wurde ein Anspruch auf Selbsteintritt verneint, Das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz hat jedoch mit Beschluss vom 10. Dezember 2006 (InfAuslR 2009, 130) die Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Koblenz vom 9. Juli 2008 zugelassen, weil es grundsätzlich klärungsbedürftig sei, ob die Bundesrepublik Deutschland im Hinblick auf die Behandlung von nach Griechenland überstellten Ausländern nicht ein Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO und damit ausnahmsweise die von einem Ausländer einklagbare Verpflichtung habe, dessen in Deutschland eingereichten Asylantrag zu prüfen.

Im vorliegenden Fall kommt eine Ermessensreduzierung in Hinblick auf den sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebenden Grundsatz der Gleichbehandlung und eine bestimmte Selbsteintrittspraxis der Beklagten (siehe hierzu VG Würzburg, B.v. 07.11.2008, Asylmagazin 3/2009, S. 34 - Verlust einer Niere und Traumatisierung durch Bombenanschlag -) nicht in Betracht. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Überstellung nach Griechenland gerade für den Kläger im Vergleich zu anderen Asylsuchenden eine besondere Härte darstellen würde.

bb) Der Einzelrichter schließt sich den Urteilen des VG Würzburg in den Verfahren W 4 K 08.30122 und W 4 K 08.30198 an und geht für den Rechtsschutz eines Asylsuchenden im Fall eines - wenn auch nur vorübergehenden - Absinkens des allgemeinen Schutzstandards in einen Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft von einer nicht beabsichtigten Lücke im Dublin II-System aus. [...]