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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 03.06.2009 - 5324067-261 - asyl.net: M15694
https://www.asyl.net/rsdb/M15694
Leitsatz:
Schlagwörter: Guinea, Abschiebungshindernis, zielstaatsbezogene Abschiebungshindernisse, Krankheit, Hepatitis C, medizinische Versorgung, Finanzierbarkeit, Existenzminimum
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

Am 21.05.2008 stellte der Ausländer mit Schreiben seiner Rechtsanwälte vom 20.05.2008 einen Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens (Folgeantrag), verbunden mit dem Antrag, das Verfahren zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 Aufenthaltsgesetz wiederaufzugreifen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass der Antragsteller erkrankt sei und im Falle seiner Rückkehr nach Guinea eine adäquate Behandlung nicht erhalten könnte, was zu einer unmittelbaren Verschlechterung des Gesundheitszustands führen würde. Der Antragsteller sei lt. Herrn Professor Dr. med. ..., Chefarzt der medizinischen Abteilung für Gastroenterologie, Hämatologie und Onkologie des Brüderkrankenhauses Trier an einer chronischen Hepatitis erkrankt. Er wird mit dem Medikament Lamiduvin behandelt, welches in Guinea entweder nicht zur Verfügung stünde bzw. die notwendige Therapie wegen fehlender finanzieller Mittel nicht zu bezahlen sei. [...].

Die für den Folgeantrag angegebene Begründung führt zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung, weil nunmehr auch vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG bezüglich Guinea auszugehen ist. [...]

Dem Antragsteller droht aufgrund seiner Erkrankung bei einer Rückkehr nach Guinea mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit alsbald die konkrete Gefahr einer wesentlichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, da eine ausreichende Behandelbarkeit seiner Krankheit dort nicht gewährleistet ist. Guinea ist insgesamt eines der ärmsten Länder der Welt mit einem völlig unzulänglichen Gesundheitswesen. Vierundfünfzig Prozent der Bevölkerung leben in extremer Armut; soziale Sicherungssysteme existieren nicht (vgl. Auskunft des Instituts für Afrikakunde vom 25. April 2006 und Auskunft des Auswärtigen Amtes vom 08. Juni 2006, jeweils an das VG Minden).

Die medizinische Versorgung von Guinea ist gekennzeichnet durch fehlendes Fachpersonal, fehlende Medikamente und mangelnde Hygiene. Soweit Behandlungsmöglichkeiten überhaupt bestehen - nur zweiundvierzig Prozent der Bevölkerung haben Zugang zu einer medizinischen Grundversorgung -, sind diese in der Regel kostenpflichtig; der Erkrankte muss seine Behandlung also finanzieren (vgl. Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Schreiben vom 31. Januar 2007 an das Landratsamt des Kreises Offenbach, Deutsches Institut für ärztliche Mission e.V., Schreiben vom 23. Oktober 2004 an das VG Hamburg). Die Unterzeichnete ist angesichts des damit nur als völlig unzureichend zu bezeichnenden Gesundheitssystems in Guinea bereits davon überzeugt, dass dem Antragsteller das für ihn erforderliche Medikament Lamivudin dort ebenso wenig erlangen können wird, wie regelmäßige ärztliche Kontrolluntersuchungen mit Blutentnahme und entsprechende Laborauswertungen. Selbst wenn das Medikament und entsprechende ärztliche Kompetenz in Guinea vorhanden wären, könnte der Antragsteller sie tatsächlich nicht erlangen. Abgesehen davon, dass er aufgrund seiner bestehendem Erkrankungen schon seinen bloßen Lebensunterhalt allenfalls unter Schwierigkeiten wird sicherstellen können, wird in jedem Fall die Finanzierung der erforderlichen medizinischen Behandlungen - sei es unmittelbar oder durch Abschluss eine privaten Krankenversicherung - unmöglich sein. Der Antragsteiler kann auch nicht bei seiner Rückkehr Hilfe von seiner Familie erwarten, denn seine Eltern sind bereits vor seiner Ausreise verstorben. Die Familie ist aber für die normale guineische Bevölkerung die unabdingbare Basis ihres (Über-) Lebens. Die Familienangehörigen helfen einander bei Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Nach alledem ist davon auszugehen, dass der Antragsteller bei seiner Rückkehr in sein Heimatland aufgrund seiner Krankheit und der fehlenden Unterstützung durch die Familie keine auskömmliche Arbeit finden wird und deshalb mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit innerhalb kürzester Zelt schwerste gesundheitliche Schäden erleiden wird. [...]