Eine religiöse Eheschließung steht nicht unter dem Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG, als nichteheliche Lebensgemeinschaft aber unter dem Schutz des Art. 8 EMRK; einem Ausländer, der Freizügigkeit im Bundesgebiet genießt, ist es grundsätzlich zuzumuten, den gemeinsamen Wohnsitz am Wohnort seines nicht freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen zu begründen; unverheiratete Partner sind nur dann Familienangehörige i.S.d. Art. 2 Bst. h der Qualifikationsrichtlinie, wenn es sich um eine tatsächlich gelebte, eingetragene Lebenspartnerschaft nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz handelt.
[...]
Der (unter anderem) auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung hat Erfolg, weil der von ihr geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils des Verwaltungsgerichts Hannover hinreichend dargelegt worden ist und in der Sache auch vorliegt. [...]
Das angefochtene Urteil der Vorinstanz beruht auf der tragenden Feststellung, der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2006, mit dem die Wohnsitznahme des Klägers (eines unanfechtbar abgelehnten Asylbewerbers, der Leistungen nach dem AsylbLG bezieht und im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 AufenthG ist) auf das Bundesland seines vorherigen Wohnsitzes beschränkt und er zur Wohnsitznahme im Freistaat Sachsen aufgefordert wurde, sei deshalb rechtswidrig, weil zu seinen Gunsten Ziffer 12.2.3.5 Satz 2 i.V.m. Ziffer 12.2.3.4 der Vorläufigen Niedersächsischen Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz - Vorl. Nds. VV-AufenthG - eingreife. Denn die Wohnsitznahme des Klägers im Gebiet der Beklagten diene der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen ihm, seiner nach religiösem Ritus angetrauten Frau ... und deren Kindern, die - wie Frau ... auch - über eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 AufenthG verfügten und zu denen er ein besonderes Näheverhältnis habe, weil er sie wie ein Vater aufgezogen habe. Der Familienschutz des Art. 6 GG erfasse das Verhältnis zwischen Eltern und Kindern auch dann, wenn die Eltern nur nach islamischem Ritus verheiratet seien. Zudem könne ihm der Umstand, dass er nicht staatlich verheiratet sei, nicht vorgehalten werden, da ihm eine standesamtliche Eheschließung derzeit nicht möglich sei. Der Kläger müsse sich auch nicht auf die Möglichkeit verweisen lassen, dass seine Frau und deren Kinder ihm in die Sächsische Schweiz folgten. Dieser sei es als leiblicher Mutter von acht Kindern nicht zuzumuten, den örtlichen Einzugsbereich zu verlassen, in dem sich ihre Kinder wie sie selbst rechtmäßig aufhielten. Diese Erwägungen des Verwaltungsgerichts tragen aller Voraussicht nach die Aufhebung des Bescheides der Beklagten vom 5. Mai 2006 nicht.
Das Verwaltungsgericht weist zutreffend darauf hin, dass Grundlage für den Erlass dieses Bescheides § 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG in Verbindung mit Ziffer 12.2.3.5 Satz 2 Vorl. Nds. VV-AufenthG ist. Hiernach dürfen Aufenthaltserlaubnisse auch nachträglich mit Auflagen, insbesondere solche der räumlichen Beschränkung, verbunden werden. Die Ausländerbehörde des bisherigen Wohnortes darf wohnsitzbeschränkende Auflagen erst dann streichen, wenn die Zustimmung der Ausländerbehörde des Zuzugsortes vorliegt. Hiergegen hat die Ausländerbehörde des Landkreises Sächsische Schweiz verstoßen, indem sie dem Kläger im Jahre 2005 eine Aufenthaltserlaubnis ohne wohnsitzbeschränkende Auflage erteilt hat, obwohl die Beklagte ihre erforderliche Zustimmung zuvor verweigert hatte. Daher war die Beklagte berechtigt, die Wohnsitznahme des Klägers erneut auf das Land des vorherigen Wohnorts zu beschränken.
Zu Unrecht nimmt das Verwaltungsgericht im Weiteren aber an, dass zugunsten des Klägers ein Ausnahmefall nach Ziffer 12.2.3.4 Vorl. Nds. VV-AufenthG vorliegt. Hiernach ist die Zustimmung der Ausländerbehörde des Zuzugsortes unabhängig von der Sicherung des Lebensunterhalts u.a. dann zu erteilen, wenn der Umzug der Herstellung der familiären Lebensgemeinschaft zwischen Ehepartnern sowie Eltern und ihren minderjährigen Kindern dient, die über eine Aufenthaltserlaubnis nach Kapitel 2 Abschnitt 5 des Aufenthaltsgesetzes verfügen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts greift dieser Ausnahmefall voraussichtlich nicht zugunsten des Klägers ein.
1. Der Kläger und Frau ... sind lediglich nach religiösem, yezidischem Ritus verheiratet. Eine derartige Verbindung genießt nicht den Schutz des Art. 6 Abs. 1 GG (Senat, Beschl. v. 1.2.2005 - 2 ME 1326/04 -; Storr/Wenger/Eberle/Albrecht/Harms, Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2008, § 27 AufenthG Rdnr. 10 m.w.N.). Auch von einer so genannten "hinkenden Ehe", die zwar nicht nach deutschem Recht, aber nach dem Recht des Heimatlandes der Ausländer rechtswirksam zustande gekommen ist und die unter den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG fallen kann, kann nicht ausgegangen werden. Denn auch nach syrischem Recht handelt es sich bei dieser Verbindung nicht um eine wirksame Eheschließung. [...]
Auf Art. 8 EMRK kann sich der Kläger im Ergebnis voraussichtlich ebenfalls nicht mit Erfolg berufen. Zwar ist der Anwendungsbereich des Art. 8 EMRK insoweit weiter als der des Art. 6 Abs. 1 GG, als der Begriff Familienleben auch die nichtehelichen Beziehungen zwischen Partnern umfasst, die zusammenleben und bei denen also eine enge persönliche Beziehung besteht (vgl. hierzu Meyer-Ladewig, EMRK, Kommentar, 2. Aufl. 2006, Art. 8 Rdnr. 18 m.w.N.). Die Behörden eines Mitgliedstaats der Europäischen Menschenrechtskonvention müssen daher grundsätzlich Maßnahmen treffen, die das Zusammenleben auch zwischen solchen Familienangehörigen ermöglichen. Diese Verpflichtung ist aber nicht absolut, insbesondere gibt Art. 8 EMRK nicht das Recht, den Ort zu wählen, der am besten geeignet ist, ein Familienleben aufzubauen. Daher muss von staatlicher Seite die von einem Paar getroffene Wahl, wo es seinen Wohnsitz nehmen möchte, nicht ohne Weiteres akzeptiert werden (Meyer-Ladewig, a.a.O., Art. 8 Rdnr. 25 b m.w.N.). Im Fall der Freizügigkeit eines der Familienangehörigen ist es den betroffenen Ausländern daher zuzumuten, den gemeinsamen Wohnsitz am Wohnort des nicht freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen zu begründen. Dass es Frau ... nicht zumutbar ist, ihren Wohnsitz im Freistaat Sachsen zu nehmen, ist weder dargelegt noch ersichtlich.
2. Der Kläger kann sich des Weiteren auch nicht insoweit auf den Schutzbereich des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 ERMK berufen, als sein Verhältnis zu den sechs Kindern seiner Frau betroffen ist. [...]
Die Streichung einer Wohnsitzauflage ist zum einen aber dann nicht erforderlich, wenn die anderen Familienangehörigen - wie hier Frau ... und ihre Kinder - im Besitz von Aufenthaltstiteln sind, die die freie Wahl des Wohnsitzes ermöglichen. In diesem Fall ist es den Beteiligten grundsätzlich zumutbar, den gemeinsamen Wohnsitz am Wohnort des nicht freizügigkeitsberechtigten Familienangehörigen zu begründen. Dass dies für Frau ... und die zwei Kinder, die noch bei ihr und dem Kläger leben, wegen besonderer Lebensumstände ausnahmsweise nicht zumutbar ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.
Zum anderen bezieht sich die genannte Forderung nur auf das Verhältnis von Eltern zu ihren minderjährigen Kindern. Grund hierfür ist, dass letztere der besonderen Fürsorge und Aufsicht durch ihre Eltern bedürfen. Deshalb bemisst der Senat etwa die zeitliche Grenze, innerhalb derer einer Familie mit kleinen Kindern unter ausländerrechtlichen Aspekten zugemutet werden kann, vorübergehend getrennt zu leben, insbesondere im Interesse der Kleinkinder mit drei Monaten (vgl. Senat, Beschl. v. 9.4.2004 - 2 ME 662/04 - m.w.N.; Beschl. v. 12.2.2009 - 2 LA 134/08 -). Dieser Gesichtspunkt kommt hingegen im Fall des Klägers nicht zum Tragen, da "seine" Kinder inzwischen alle volljährig sind und bis auf zwei bereits seit geraumer Zeit nicht mehr bei ihm und Frau ... leben, sondern eigene Familien an anderen Orten in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt haben. Ernstlich in Betracht kommen könnte eine besondere Betreuungsbedürftigkeit im Sinne einer Beistandsgemeinschaft allenfalls im Fall der zwei Kinder (...), die noch bei ihrer Mutter und dem Kläger leben. Beide haben zwar offenbar noch keine Berufsausbildung und keinen (festen) Arbeitsplatz. Dass die Kinder aber trotz Volljährigkeit auf die besondere Betreuung und Lebenshilfe im Sinne einer Beistandsgemeinschaft gerade des Klägers angewiesen sind, ist weder dargelegt noch sonst ersichtlich.
3. Das Urteil erweist sich auch nicht im Ergebnis aus anderen Gründen als richtig.
Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.1.2008 - 1 C 17.07 -, BVerwGE 130, 148 = juris Langtext Rdnr. 16 ff.) ergibt sich aus dem Zusammenspiel von Art. 23 und 26 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK -, die in Bundesrecht transformiert worden sind, dass gegenüber anerkannten Flüchtlingen - wie hier der Lebensgefährtin und den beiden bei ihr und dem Kläger wohnenden Kinder - nicht allein im Hinblick auf die angemessene Verteilung der Sozialhilfelasten eine Wohnsitzauflage verfügt werden darf. Für Familienangehörige von anerkannten Flüchtlingen, die - wie der Kläger - selbst nicht als Flüchtlinge anerkannt sind, enthält die GFK keine Regelungen.
Derartige Regelungen finden sich zwar in der Richtlinie 2004/83/EG des Rates der Europäischen Union vom 29. April 2004 - Qualifikationsrichtlinie (QRL) -, deren Umsetzungsfrist gemäß Art. 38 QRL am 10. Oktober 2006 abgelaufen ist, so dass sie grundsätzlich unmittelbare innerstaatliche Anwendung findet. Nach Art. 32 QRL ist die Bewegungsfreiheit von anerkannten Flüchtlingen unter den gleichen Einschränkungen wie für andere Drittstaatenangehörige, die sich rechtmäßig in dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates der Europäischen Union aufhalten, gewährleistet. Nach Art. 28 QRL ist die notwendige Sozialhilfe wie Staatsangehörigen aus Mitgliedsstaaten zu gewähren. Diese Regelungen entsprechen damit im Wesentlichen den Regelungen in Art. 23 und 26 GFK, wonach die Freizügigkeit von anerkannten Flüchtlingen nicht aus Gründen des Sozialhilfebezugs eingeschränkt werden darf.
Nach Art. 23 Abs. 2 Unterabsatz 1 QRL haben auch die Familienangehörigen der als Flüchtlinge anerkannten Ausländer einen Anspruch auf die in Art. 24 bis 34 QRL genannten Vergünstigungen, soweit dies mit der persönlichen Rechtsstellung des Familienangehörigen vereinbar ist. Grund hierfür ist ersichtlich, dass der anerkannte Flüchtling mittelbar in seiner Freizügigkeit eingeschränkt würde, wenn gegenüber seinen - nicht als Flüchtling anerkannten - Familienangehörigen Auflagen zur Wohnsitznahme verfügt würden. "Familienangehörige" in diesem Sinn sind nach Art. 2 lit. h 1. Spiegelstrich QRL zwar auch unverheiratete Partner, die in einer dauerhaften Beziehung leben. Dies gilt aber nur dann, wenn sie nach dem Ausländerrecht des Mitgliedsstaats entweder in den Rechtsvorschriften oder in der Praxis in vergleichbarer Weise wie ein Ehegatte behandelt werden. Beides ist im Hinblick auf unverheiratete Paare unterschiedlichen Geschlechts nach dem Aufenthaltsgesetz aber gerade nicht der Fall. Lediglich tatsächlich gelebte und durch staatlichen Akt begründete gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaften nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG - sind in § 27 Abs. 2 AufenthG der Ehe aufenthaltsrechtlich gleichgestellt und nur derartige Lebenspartner werden nach § 11 Abs. 1 LPartG als Familienangehörige anerkannt. [...]