VG Gießen

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Zitieren als:
VG Gießen, Urteil vom 29.05.2009 - 8 K 318/09.GI.A - asyl.net: M15804
https://www.asyl.net/rsdb/M15804
Leitsatz:

Keine Verfolgungsgefahr in der Türkei wegen einfacher exilpolitischer Betätigung.

Schlagwörter: Türkei, Widerruf, Flüchtlingsanerkennung, herabgestufter Wahrscheinlichkeitsmaßstab, Verfolgungssicherheit, exilpolitische Betätigung, Menschenrechtslage
Normen: AsylVfG § 73 Abs. 1; AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid ist rechtmäßig. Der Kläger wird weder durch den Widerruf der Feststellung hinsichtlich § 51 Abs. 1 AuslG noch durch die Feststellung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG und Abschiebungsverbote nach §60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor, in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). [...]

Hiernach hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu Recht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft widerrufen, weil sich die Verhältnisse in der Türkei derart geändert haben, dass der Kläger nunmehr im Falle einer Rückkehr in die Türkei - anders als im Zeitpunkt der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs im Juni 2002 - dort hinreichend sicher vor politischer Verfolgung ist. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf die zutreffenden Ausführungen und die Begründung im angefochtenen Bundesamtsbescheid vom 02.01.2009 und sieht gemäß § 77 Abs. 2 AsylVfG von einer eigenen Darstellung ab.

Soweit der Kläger unter Hinweis auf Gutachten und verschiedene verwaltungsgerichtliche Urteile, darunter die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 29.04.2009 (Az.: 4 A 676/07.A), der Auffassung ist, die Gefahr einer Verfolgung bestehe noch und könne nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, vermag sich das erkennende Gericht dem nicht anzuschließen. Eine Gefährdung wegen exilpolitischer Betätigung kommt im Falle einer Rückkehr in die Türkei zum gegenwärtigen Zeitpunkt allenfalls bei politisch exponierten Personen in Betracht. Hierbei handelt es sich um solche Personen, die selbst politische Ideen und Strategien entwickeln oder zu deren Umsetzung mit Worten oder Taten von Deutschland aus hinwirken und damit Einfluss auf ihre hier lebenden Landsleute zu nehmen versuchen (vgl. OVG Rheinl.-Pf., U. v. 19.09.2008 - 10 A 10474/08 -). Nach der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs sind Ziel strafrechtlicher Verfolgung insbesondere solche Personen, die als Auslöser von als separatistisch oder terroristisch erachteten Aktivitäten oder als Anstifter oder als Aufwiegler angesehen werden (U. v. 29.04.2009, Az.: 4 A 676/07.A). Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.09.2008 laufen nur türkische Staatsangehörige, die im Ausland in herausgehobener oder erkennbar führender Position für eine in der Türkei verbotene Organisation tätig sind und sich nach türkischen Gesetzen strafbar gemacht haben, Gefahr, dass sich die türkischen Sicherheitsbehörden und die Justiz mit ihnen befassen, wenn sie in die Türkei einreisen. Eine solche Gefahr kann in Bezug auf die vom Kläger insgesamt ausgeübten exilpolitischen Aktivitäten nicht festgestellt werden. Der Kläger hat sich zu keiner Zeit als strategischer Organisator exilpolitischer Aktivitäten oder in vergleichbaren Funktionen hervorgetan, so dass eine Gefährdungslage für ihn im Falle einer Rückkehr nicht besteht. [...]