Passiver Widerstand gegen eine Abschiebung oder die Drohung mit Suizid lassen nicht auf Entziehungsabsicht i.S.d. § 62 Abs. 2 S. 1 Nr. 5 AufenthG schließen.
[...]
Die sofortige Beschwerde des Betroffenen ist in zulässiger Weise eingelegt worden (§§ 7 Abs. 1, Abs. 2, 6 Abs. 2, 3 Satz 2 FEVG, § 22 Abs. 1 FGG). Durch die Entlassung des Betroffenen aus der Abschiebungshaft ist im Laufe des Beschwerdeverfahrens die Erledigung der Hauptsache eingetreten. [...]
Der Feststellungsantrag ist begründet.
2. Das Amtsgericht Nürnberg hat zwar die bereits angeordnete Sicherungshaft "verlängert", jedoch, wie die Begründung seines Beschlusses zeigt, diese Entscheidung nicht auf den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gestützt, der eine Verlängerung über die Höchstdauer von zwei Wochen nicht zuließe (OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.02.2008, 20 W 42/08). Zwar erweckt der Haftantrag des Landratsamtes Ansbach in der Tat den Eindruck, die Behörde sei von einer solchen Verlängerungsmöglichkeit ausgegangen, jedoch hat das Amtsgericht Nürnberg den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG zitiert und damit zu erkennen gegeben, dass es die neuerliche Haftanordnung gerade nicht auf den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 2 AufenthG stützen wollte.
Allerdings lag nach Auffassung der Beschwerdekammer weder dieser Haftgrund noch ein anderer nach § 62 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor. Im Hinblick auf die Ausführungen in dem Haftantrag des Landratsamtes wäre insbesondere an den Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG zu denken gewesen, weil der Betroffene durch Widerstandsleistung die Durchführung der für den 08.05.2009 terminierten Luftabschiebung, zu deren Vollzug bereits die Verschubung des Betroffenen nach Aschaffenburg begonnen worden war, verhindert haben soll (OLG München, Beschluss vom 24.05.2007, 34 Wx 62/07; BayObLG NVwZ-Beilage 1998, 54). Dabei hat das Amtsgericht allerdings das Vorbringen der Ausländerbehörde, dessen Richtigkeit der Betroffene im Anhörungstermin bestritten hatte, ungeprüft zugrunde gelegt; es ist davon ausgegangen, dass aufgrund einer solchen Widerstandsleistung weder die Verlegung noch die Abschiebung am 08.05.2009 möglich gewesen sei. Die Einlassung des Betroffenen war jedoch, wie eine Anfrage der Kammer bei der Polizeiinspektion Schubwesen, München, ergeben hat, zutreffend; Widerstandshandlungen hatten tatsächlich nicht stattgefunden. Der Betroffene hatte lediglich, und zwar in der JVA Nürnberg, verbal angekündigt, sich seiner Rückführung nach Uganda widersetzen zu wollen, und In diesem Zusammenhang auch Selbstmordabsichten geäußert. Weil deshalb eine Sicherheitsbegleitung auch während des Fluges selbst für erforderlich gehalten wurde, eine solche aber nicht organisiert worden war, wurde die Luftabschiebung storniert. Dieses Verhalten des Betroffenen erfüllte den Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG nicht. Es Ist schon fraglich, ob - tatsächlich geleisteter - nur passiver Widerstand gegen die Abschiebung, insbesondere durch Verhaltensweisen im Zusammenhang mit dem Besteigen des Luftfahrzeuges, genügt, um den genannten Haftgrund eingreifen zu lassen. In den vom OLG München (Beschluss vom 24.05.2007, 34 Wx 62/07) und vom Bayerischen Obersten Landesgerichts (Beschluss vom 09.08.1995, 3 ZBR 1979/95) entschiedenen Fällen gingen die Verhaltensweisen des Betroffenen jeweils über einen solchen nur passiven Widerstand deutlich hinaus. Jedenfalls die bloße, nicht weiter spezifizierte Ankündigung, sich der Rückführung "widersetzen" zu wollen, genügt auch dann nicht, wenn unter den gegebenen Umständen hier aufgrund der wohl etwa zur gleichen Zeit geäußerten Suizidabsichten die Vermutung gerechtfertigt gewesen sein sollte, die angekündigte Widersetzlichkeit werde sich nicht nur in "juristischem Widerstand" erschöpfen, sondern (auch) körperlichen Widerstand umfassen. Denn daraus allein lässt sich nicht ableiten, dass sich der Betroffene auch zukünftig einer Abschiebung entziehen werde; dies aber - als eine spezielle Ausformung des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG - ist die ratio des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG. Eine derartige Widerstandsleistung wäre zwar pflichtwidrig, denn der Ausländer ist verpflichtet, alles zu unterlassen, was den Vollzug der Ausreisepflicht verhindert (§ 50 Abs. 1 AufenthG). Widerstand dieser Art kann aber durch unmittelbaren Zwang gebrochen werden. Dazu bedarf es einer entsprechenden organisatorischen Vorbereitung, nicht aber zwingend der Haft (siehe auch OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.01.2009, 11 Wx 121/08).
Aus den selben Gründen lag auch der Haftgrund des § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 AufenthG nicht vor. Dieser setzt die Feststellung konkreter Umstände voraus, die darauf hindeuten, ohne Haft werde der Betroffene seine Abschiebung in einer Weise behindern, die nicht durch einfachen, keine Freiheitsentziehung bildenden Zwang überwunden werden kann. Die bloße Weigerung, freiwillig ein Luftfahrzeug zu besteigen, sich zum Flughafen bringen zu lassen, sich in die entsprechende JVA befördern zu lassen etc. sind sämtlich Verhaltensweisen, zu deren Überwindung der so genannte einfache unmittelbare Zwang genügt. Eine Freiheitsentziehung stellt eine solche Maßnahme nicht dar. Ist weiteres nicht zu gewärtigen, bedarf es deshalb auch keiner Haftanordnung.
Im vorliegenden Fall kommt noch die Besonderheit hinzu, dass zwar nach dem Bericht; der Polizeiinspektion Schubwesen München die Stornierung (aus polizeilicher Sicht) deshalb erfolgte, weil während des eingeleiteten Verbringens nach Aschaffenburg die zuvor getätigte Ankündigung des Betroffenen bekannt wurde, er werde sich der Abschiebung nach Uganda widersetzen, und nach den geltenden Richtlinien deshalb eine Sicherheitsbegleitung erforderlich erschien, die kurzfristig nicht organisiert werden konnte. Gleichzeitig aber, nämlich am 05.05.2009, hatte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, wie aus seiner Mitteilung gleichen Datums an das Verwaltungsgericht Ansbach hervorgeht, die Ausländerbehörde gebeten, vor der gerichtlichen Entscheidung über den Eilantrag gemäß § 123 VwGO keine Zwangsmaßnahmen zu treffen, also keine Abschiebung durchzuführen; es stand mithin bereits am 05.05.2009 fest, dass der Betroffene am 08.05.2009 nicht werde abgeschoben werden können. Dies bedeutet, dass auch ohne die Ankündigung des Betroffenen, er werde sich der Abschiebung widersetzen, diese nicht am 08.05.2009 stattgefunden hätte, so dass die Ankündigung einer Widersetzlichkeit für die Stornierung des Fluges nicht ursächlich wurde und auch deshalb der Haftgrund nach § 62 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 AufenthG nicht eingreift. Die zugrundeliegende Antragstellung nach § 123 VwGO wiederum lag im Rahmen der rechtlichen Befugnisse des Betroffenen und stellt daher für sich genommen weder ein Verhinderungsverhalten im Sinne des § 62 Abs. 3 AufenthG noch ein solches im Sinne des § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 oder Nr. 5 AufenthG dar.
3. Die Rechtswidrigkeit der Haftanordnung führt dazu, dass der Betroffene die Gerichtskosten erster Instanz, die mit der Haftanordnung entstanden sind, nicht zu tragen hat. Da sie gemäß § 15 Abs. 2 FEVG der Gebietskörperschaft; der die Ausländerbehörde angehört, nicht auferlegt werden dürfen, ist auszusprechen, dass die Gerichtskosten für das erstinstanzliche Verfahren nicht zu erheben sind. Für das Beschwerdeverfahren sind Gebühren nicht entstanden, da keiner der Tatbestände In § 14 Abs. 3 FEVG erfüllt ist.
Bei pflichtgemäßer Sachverhaltsaufklärung war für die Ausländerbehörde erkennbar, dass kein berechtigter Anlass bestand, die Haft zu beantragen. Jedenfalls lag für sie auf der Hand, dass die Abschiebung am 08.05.2009 bereits deshalb scheitern musste, weil das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge spätestens am 05.05.2009 darum gebeten hatte, keine Zwangsmaßnahmen bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts über den Eilantrag des Betroffenen zu treffen, so dass sich die Ankündigung des Betroffenen, er werde Widerstand leisten, zunächst nicht auswirken konnte. [...]