OVG Nordrhein-Westfalen

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Zitieren als:
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.06.2009 - 16 A 1858/07.A - asyl.net: M15912
https://www.asyl.net/rsdb/M15912
Leitsatz:

Beruft sich ein Verfahrensbeteiligter zur Begründung eines Antrags auf Zulassung der Berufung auf die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland, muss er im Rahmen seiner Darlegungsobliegenheit gem. § 78 Abs. 4 S. 4 AsylVfG durch die Benennung von bestimmten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darlegen, dass seine Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse zutreffend ist.

Schlagwörter: Verfahrensrecht, Berufungszulassungsantrag, Verfahrensfehler, rechtliches Gehör, Beweisantrag, Darlegungserfordernis, Erkenntnismittel, Überraschungsentscheidung
Normen: AsylVfG § 78 Abs. 3 Nr. 3; VwGO § 128 Nr. 3; AsylVfG § 78 Abs. 4 S. 4
Auszüge:

[...]

Die Berufung ist nicht wegen eines Verfahrensfehlers in Gestalt der Verletzung des rechtlichen Gehörs des Klägers zuzulassen (Zulassungsgrund des § 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG in Verbindung mit § 138 Nr. 3 VwGO).

a) Die Berufung ist nicht deshalb zuzulassen, weil das Verwaltungsgericht durch die Ablehnung des in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrags gegen den Grundsatz rechtlichen Gehörs verstoßen hätte. [...]

Selbst wenn die Ablehnung des Beweisantrags verfahrensfehlerhaft erfolgt wäre, könnte dies nicht zur Zulassung der Berufung führen. Der Kläger hat seine Gehörsrüge entgegen § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG nicht ausreichend begründet (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 22. Dezember 2004 - 11 A 2755/03.A -, vom 17. Juli 2003 - 11 A 2800/02.A -; vom 25. April 2002 - 8 A 1530/02.A - und vom 7. April 1997 - 25 A 1460/97.A -; BVerwG, Beschluss vom 14. August 1962 - V B 83.61 -, juris Rdnr. 15 f. (= BVerwGE 14, 342)).

Nach dem allein maßgeblichen Zulassungsvorbringen des Klägers kann der Senat nicht ausschließen, dass das Verwaltungsgericht die Klage auch dann abgewiesen hätte, wenn es den Kläger als Bihari und die von ihm vorgelegten Schriftstücke als echt angesehen hätte. Mit dem Zulassungsantrag hat der Kläger zur Bedeutung der Schriftstücke für sein Verfolgungsschicksal allein vorgetragen, daraus ergebe sich seine Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Biharis. Das weitere Zulassungsvorbringen verhält sich zum Verfolgungsschicksal des Klägers insoweit, als er damit vorträgt, Biharis seien in Bangladesch politisch verfolgt, weil ihnen aufgrund ihrer missliebigen Volkszugehörigkeit die bangladeschische Staatsangehörigkeit vorenthalten und die Wiedereinreise verweigert werde. Grund hierfür sei, dass die Biharis sich im Bürgerkrieg zwischen Westpakistan und Bangladesch auf die Seite Westpakistans gestellt hätten.

Der Kläger beruft sich damit zur Begründung des Antrags auf Zulassung der Berufung auf die tatsächlichen Verhältnisse in seinem Herkunftsland. Kommt es im Rahmen eines Zulassungsantrags auf die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland an, wird dem Darlegungserfordernis des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG nicht bereits durch die Behauptung genügt, die Situation stelle sich dort in einer bestimmten Weise dar. Es ist vielmehr Aufgabe des Klägers, durch die Benennung von bestimmten Informationen, Auskünften, Presseberichten oder sonstigen Erkenntnisquellen zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür darzulegen, dass seine Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse zutreffend ist (vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 20. August 2008 - 21 A 3077/07.A -, vom 19. Dezember 2007 - 3 A 1290/06.A - und vom 7. Juli 2005 - 3 A 2389/05.A -.)

Dem genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Weder im Antrag auf Zulassung der Berufung selbst noch im mit der Antragsbegründung in Bezug genommenen Schriftsatz vom 17. April 2007 werden aktuelle Belege für die behauptete Situation der Biharis in Bangladesch angeführt. [...]