LG Frankfurt a.M.

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Zitieren als:
LG Frankfurt a.M., Beschluss vom 23.07.2009 - 2/29 T 99/09 - asyl.net: M15916
https://www.asyl.net/rsdb/M15916
Leitsatz:
Schlagwörter: Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Entziehungsabsicht, Untertauchen, Alleinerziehende, Verhältnismäßigkeit
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 S. 2
Auszüge:

[...]

Die nach Änderung des Antrags weiterhin zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. [...] Die Haftanordnung war im Zeitpunkt des Erlasses nicht rechtmäßig, da kein Haftgrund vorlag.

Gemäß § 62 II S. 2 AufenthG kann ein Ausländer, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, zwar in Sicherungshaft genommen werden. Hierbei handelt es sich aber um eine Ermessensentscheidung, die unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgebots im Hinblick auf den Eingriff in die persönliche Freiheit des Betroffenen unter Abwägung mit dem Zweck der Vorschrift, im Allgemeininteresse eine zügige Durchsetzung der vollziehbaren Abschiebung, zu erfolgen hat (vgl. OLG Köln vom 26.7.2006, 16 Wx 151/06). Mithin kam es auf die konkrete Lebenssituation der Betroffenen an. Danach ist nicht ersichtlich, dass sie sich der Abschiebung durch ein Untertauchen entziehen könnte. Im Hinblick auf das geringe Alter ihrer Zwillinge und ihrer Gebundenheit an das Wohnheim, ohne das sie mit ihren Kindern nicht überleben könnte, ist es nicht wahrscheinlich, dass sie sich der Abschiebung entzieht. Eine derartige Absicht kann auch nicht daraus gefolgert werden, dass sie, wie das Amtsgericht es ausführt, "flugunwillig" ist, da sie in dem Wohnheim für die antragstellende Behörde greifbar war. Allein die Tatsache, dass ein Betroffener nicht freiwillig ausreisen will oder falsche Angaben gemacht hat, begründet für sich noch keine Entziehungsabsicht (vgl. hierzu OLG Köln vom 2.11.2006, 16 Wx 228/06).

Bereits im Rahmen der Anhörung vor dem Amtsgericht hat eine Mitarbeiterin des Jugendamtes darauf hingewiesen, dass die Betroffene über keinerlei finanzielle Mittel verfügt, um untertauchen zu können und sich damit der Abschiebung zu entziehen. In einer weiteren schriftlichen Stellungnahme des Jugendamtes wird weiter ausgeführt, dass die Betroffene über keine sozialen Kontakte verfügt und sich als Alleinerziehende auf ihr Wohnheim und ihre Kinder beschränkt und sich an das Wohnheim wendet, wenn sie beispielsweise nicht mehr genügend zu essen oder unzureichend Windeln für ihre Kinder hat. Vom Jugendamt wird sie insbesondere im Hinblick auf ihre Kinder als nicht fluchtgefährdet eingeschätzt. [...]