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BVerwG, Urteil vom 09.06.2009 - 1 C 11.08 - asyl.net: M16018
https://www.asyl.net/rsdb/M16018
Leitsatz:

1. Der Verkürzung der Geltungsdauer einer zum Zweck des Ehegattennachzugs erteilten Aufenthaltserlaubnis steht es nicht entgegen, dass ein Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis zu einem anderen Zweck besteht. In diesem Fall ist zugleich mit der Verkürzungsverfügung über die Erteilung der anderen Aufenthaltserlaubnis zu entscheiden.

2. Eine besondere Härte in Gestalt einer erheblichen Beeinträchtigung schutzwürdiger Belange wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung (§ 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG) kann sich nur aus solchen Beeinträchtigungen ergeben, die mit der Ehe oder ihrer Auflösung in Zusammenhang stehen.

(Amtliche Leitsätze)

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Ehegattennachzug, Familienzusammenführung, Geltungsdauer, Verkürzung der Frist, Aufenthaltszweck, eigenständiges Aufenthaltsrecht, besondere Härte, ehebezogene Rückkehrgefahren, Asylbegehren, zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis, Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Zuständigkeit, religiöse Verfolgung, Beurteilungszeitpunkt
Normen: AufenthG § 7 Abs. 2, AufenthG § 25 Abs. 1, AufenthG § 25 Abs. 2, AufenthG § 25 Abs. 3, AufenthG § 28 Abs. 1 Nr. 1, AufenthG § 28 Abs. 3, AufenthG § 31 Abs. 1, AufenthG § 31 Abs. 2, AufenthG § 60 Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 2, AufenthG § 72 Abs. 2, AsylVfG § 13 Abs. 1, AsylVfG § 55, RL 2003/86/EG Art. 1, RL 2003/86/EG Art. 15 Abs. 3
Auszüge:

[...]

1. Rechtsgrundlage für die in Nr. 1 des angegriffenen Bescheides verfügte Verkürzung der Geltungsdauer der dem Kläger erteilten Aufenthaltserlaubnis auf den 27. Oktober 2006 ist § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG. § 7 Abs. 2 Satz 1 AufenthG regelt zunächst, dass die Aufenthaltserlaubnis unter Berücksichtigung des beabsichtigten Aufenthaltszwecks zu befristen ist. Nach Satz 2 der Vorschrift kann die Frist auch nachträglich verkürzt werden, wenn eine für die Erteilung, die Verlängerung oder die Bestimmung der Geltungsdauer wesentliche Voraussetzung entfallen ist.

a) Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Bestimmung hier vorliegen, weil die eheliche Lebensgemeinschaft des Klägers nach den Feststellungen im Berufungsurteil schon seit Januar 2006 nicht mehr bestand und damit eine wesentliche Voraussetzung für die zum Zweck der Führung der ehelichen Lebensgemeinschaft erteilte Aufenthaltserlaubnis nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG entfallen ist. Es steht allerdings nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG im Ermessen der Ausländerbehörde, ob sie von der Möglichkeit der Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis Gebrauch machen oder den Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer abwarten will.

b) Das Berufungsgericht hat im Rahmen der Nachprüfung dieser Ermessensentscheidung nach § 114 VwGO erörtert, ob dem Kläger trotz Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft ein Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG zusteht. Es ist dabei - ebenso wie das Verwaltungsgericht - davon ausgegangen, dass bei Bestehen eines solchen Aufenthaltsrechts die Verkürzung der Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis ermessensfehlerhaft und damit rechtswidrig wäre (vgl. auch Nr. 7.2.2.1.2 der Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Aufenthaltsgesetz und zum Freizügigkeitsgesetz/EU, Stand: 22. Dezember 2004, wonach es in diesem Fall bereits auf der Tatbestandsseite am Wegfall einer "wesentlichen" Voraussetzung fehle). An diesem Ansatz, der im Ergebnis der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Anwendung der Vorgängervorschrift des § 12 Abs. 2 Satz 2 AuslG entspricht (vgl. Urteile vom 27. Juni 1995 - BVerwG 1 C 5.94 - BVerwGE 99, 28 30>, vom 12. November 1995 - BVerwG 1 C 35.94 - BVerwGE 100, 130 132> und Urteil vom 1. Juli 2003 - BVerwG 1 C 32.02 - Buchholz 451.901 Assoziationsrecht Nr. 38), kann nach Inkrafttreten des Aufenthaltsgesetzes am 1. Januar 2005 nicht mehr festgehalten werden. Zwar hat sich der Wortlaut der Vorschrift selbst nicht verändert, aus der neuen gesetzlichen Ausgestaltung des Aufenthaltstitels "Aufenthaltserlaubnis" folgt jedoch, dass die Verkürzung der Geltungsdauer der zu einem bestimmten Zweck erteilten Aufenthaltserlaubnis bei Bestehen eines anderweitigen Anspruchs auf eine Aufenthaltserlaubnis nicht zwangsläufig rechtswidrig ist. Denn die Aufenthaltserlaubnis wird nach § 7 Abs. 1 Satz 2 AufenthG - anders als die frühere Aufenthaltserlaubnis nach § 15 AuslG - für einen bestimmten Aufenthaltszweck erteilt. An diesen knüpft das Gesetz unterschiedliche Rechtsfolgen, etwa hinsichtlich der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis oder der Verfestigung des Aufenthalts (sog. Trennungsprinzip vgl. Urteil des Senats vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 - <Leitsatz 3 und Rn. 26>). Damit handelt es sich bei den unterschiedlichen Arten von Aufenthaltserlaubnissen um jeweils eigenständige Regelungsgegenstände. Folgerichtig ist die für die einzelne Aufenthaltserlaubnis maßgebliche Rechtsgrundlage bei der Erteilung kenntlich zu machen und im Ausländerzentralregister zu registrieren (§ 3 AZR-Gesetz i.V.m. Anlage zur AZRG-DV). Dies gilt nicht nur für die in Kapitel 2 Abschnitt 3 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes in den Überschriften aufgeführten Aufenthaltszwecke, sondern auch für die hier streitige eigenständige Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten nach § 31 AufenthG im Verhältnis zur akzessorischen Aufenthaltserlaubnis des Ehegatten nach § 28 Abs. 1 Nr. 1 oder § 30 AufenthG, weil auch insoweit z.B. unterschiedliche Verlängerungsbedingungen gelten.

Vor diesem gesetzlichen Hintergrund ist die Frage, ob der Kläger trotz Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft einen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG oder auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus sonstigen Gründen hat, nicht inzident im Rahmen der Entscheidung über die Verkürzung der Frist für die bisherige, akzessorische Aufenthaltserlaubnis nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG zu prüfen, sondern ist als Gegenstand eines gleichzeitig zu bescheidenden Begehrens auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis nach § 31 AufenthG oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis aus anderen Gründen anzusehen, das hilfsweise für den Fall geltend gemacht wird, dass sich die Verkürzung der Geltungsdauer der bisherigen Aufenthaltserlaubnis als rechtmäßig erweist. Der entsprechende Antrag wird regelmäßig - wie auch im Falle des Klägers - in dem Vorbringen im Rahmen der Anhörung zu der beabsichtigten Fristverkürzung nach § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG gesehen werden können. Dieses (Hilfs-)Begehren ist nicht anders zu beurteilen als ein Begehren auf Verlängerung oder Neuerteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach Ablauf der regulären (nicht verkürzten) Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis (vgl. unten zu 2.).

Für die Ermessensentscheidung im Rahmen von § 7 Abs. 2 Satz 2 AufenthG bedeutet dies, dass damit nur noch das Interesse des Ausländers, bis zum Ablauf der ursprünglichen Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis in Deutschland zu bleiben, und das öffentliche Interesse an der Beendigung eines materiell rechtswidrig gewordenen Aufenthalts gegeneinander abzuwägen ist. Das Interesse des Klägers an einem Verbleib in Deutschland über die reguläre ursprüngliche Geltungsdauer der Aufenthaltserlaubnis hinaus ist - wie auch in den regulären Verlängerungsfällen - im Rahmen der Prüfung eines anschließenden Aufenthaltsrechts zu berücksichtigen. [...]

Die vom Kläger vorgetragenen Befürchtungen, wegen der Heirat einer geschiedenen Frau mit einem Kind in Ägypten von seiner Familie ausgeschlossen zu werden und Schwierigkeiten zu haben, eine neue Frau zu finden, hat das Berufungsgericht mit Rücksicht auf das Alter, die Ausbildung, die sprachlichen Fähigkeiten und die durch den bisherigen Lebenslauf an den Tag gelegte Selbstständigkeit des Klägers ohne Rechtsfehler nicht als hinreichend wahrscheinliche Beeinträchtigungen angesehen, die das Vorliegen einer besonderen Härte rechtfertigen könnten. Die auf diesen Erwägungen beruhende Einschätzung des Berufungsgerichts ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird von der Revision auch nicht in Zweifel gezogen.

Die danach als mögliche erhebliche Beeinträchtigung allein in Betracht zu ziehende Gefahr einer Verfolgung wegen des Übertritts des Klägers zum Christentum rechtfertigt die Annahme einer besonderen Härte im Sinne des § 31 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 AufenthG ebenfalls nicht. Dies ergibt sich - anders als vom Berufungsgericht angenommen - bereits daraus, dass es sich bei den geltend gemachten Rückkehrgefahren nicht um solche handelt, die mit der Ehe des Klägers oder deren Auflösung im Zusammenhang stehen.

aa) Die Frage, ob § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, der insoweit mit der seit dem 1. Juni 2000 geltenden Vorgängerregelung in § 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG übereinstimmt, in seiner 1. Alternative alle im Falle einer Rückkehr drohenden Beeinträchtigungen erfasst oder nur solche, die mit der ehelichen Lebensgemeinschaft und ihrer Auflösung im Zusammenhang stehen, ist umstritten und bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt (vgl. Urteil vom 1. Juli 2003 - BVerwG 1 C 18.02 - BVerwGE 118, 249 261 f.>). Der Senat entscheidet diese Frage nunmehr dahingehend, dass die Vorschrift trotz der Änderungen, die das eigenständige Aufenthaltsrecht des Ehegatten seit seiner Einführung im Jahre 1990 erfahren hat, nach ihrem Sinn und Zweck nach wie vor nur ehebezogene Beeinträchtigungen erfasst.

Allerdings geht eine in Rechtsprechung und Schrifttum verbreitete Meinung dahin, dass die Vorschrift in ihrer seit dem 1. Juni 2000 geltenden Fassung im Vergleich zur bisherigen Regelung weiter auszulegen ist und nunmehr alle aus der Rückkehrverpflichtung resultierenden erheblichen Beeinträchtigungen zu berücksichtigen seien (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 4. Mai 2001 - 18 B 1908/00 - juris Rn. 33 ff.; VGH Mannheim, Urteil vom 4. Dezember 2002 - 13 S 2194/01 - juris Rn. 24; Eberle, in: Storr u.a., Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Aufl. 2008, § 31 Rn. 27 f.; Hailbronner, Ausländerrecht, § 31 Rn. 22; a.A. VGH München, Beschluss vom 7. November 2005 - 24 ZB 05.2254 - juris Rn. 12). Diese Auffassung stützt sich vor allem auf die Änderung im Wortlaut der Vorschrift. Während nach der früheren Fassung für eine außergewöhnliche Härte erforderlich war, dass dem Ehegatten "wegen der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft" nach Art und Schwere so erhebliche Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der bestehenden Rückkehrverpflichtung drohen, dass die Versagung der Aufenthaltserlaubnis als nicht vertretbar erscheinen würde (§ 19 Abs. 1 Satz 2 AuslG in der seit 1. November 1997 gültigen Fassung) lässt die seit 1. Juni 2000 gültige Fassung der Vorschrift eine "besondere Härte" genügen und bestimmt, dass eine solche insbesondere dann vorliegt, wenn dem Ehegatten "wegen der aus der Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft erwachsenden Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht".

Daraus kann indes nicht ohne Weiteres auf eine uneingeschränkte Berücksichtigung sämtlicher Rückkehrgefährdungen geschlossen werden. Zum einen bietet auch die jetzige Fassung der Vorschrift noch Anhaltspunkte für das Erfordernis eines inhaltlichen Bezuges der Härtegründe zur Ehe, da die Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft als Grund für die Rückkehrverpflichtung weiterhin Erwähnung findet. Auch der Begriff der "schutzwürdigen Belange" lässt vom Wortlaut her eine am Sinn und Zweck der Vorschrift orientierte einschränkende Auslegung zu. Zum anderen ist für die Auslegung der Vorschrift aber vor allem entscheidend, dass die Beispiele, die der Gesetzgeber selbst für eine besondere Härte im Sinne der 1. Alternative gegeben hat, sämtlich einen Bezug zu der Ehe oder ihrer Auflösung oder zu sonstigen familiären Belangen aufweisen. So heißt es in der Entwurfsbegründung (BTDrucks 14/2368 S. 4):

"Die Regelung stellt klar, dass eine besondere Härte vorliegt, wenn der Ehegatte die eheliche Lebensgemeinschaft aufgelöst hat und im Zusammenhang mit der Rückkehrverpflichtung eine erhebliche Beeinträchtigung seiner schutzwürdigen Belange droht (1. Alternative). Das ist insbesondere der Fall, wenn

- dem Ehegatten im Herkunftsland etwa aufgrund gesellschaftlicher Diskriminierung die Führung eines eigenständigen Lebens nicht möglich wäre,

- dem Ehegatten dort eine Zwangsabtreibung droht,

- das Wohl eines in der Ehe lebenden Kindes, etwa wegen einer Behinderung oder der Umstände im Herkunftsland, einen weiteren Aufenthalt in Deutschland erfordert oder

- die Gefahr besteht, dass dem Ehegatten im Ausland der Kontakt zu dem Kind oder den Kindern willkürlich untersagt wird."

Die genannten Beispiele stimmen im Wesentlichen mit denjenigen aus der Begründung zu der früheren Gesetzesfassung (vgl. BTDrucks 13/4948 S. 8) überein. Auch wenn die Aufzählung nicht abschließend ist, spricht sie doch dafür, dass der Gesetzgeber auch bei der Neufassung der Vorschrift nach wie vor nur solche erheblichen Beeinträchtigungen, die mit der ehelichen Lebensgemeinschaft oder ihrer Auflösung - einschließlich des Wohls eines mit dem Ehegatten in familiärer Lebensgemeinschaft lebenden Kindes (§ 31 Abs. 2 Satz 2 letzter Halbsatz AufenthG) - zumindest im mittelbaren Zusammenhang stehen, erfassen wollte, nicht aber sämtliche sonstigen, unabhängig davon bestehenden Rückkehrgefahren. Hätte der Gesetzgeber für Ehegatten nach gescheiterter Ehe in Abweichung von der bisherigen Rechtslage eine sämtliche Rückkehrgefahren umfassende Sonderregelung treffen wollen, hätte es nahe gelegen, dies in den Beispielsfällen oder sonst in der Begründung des Gesetzentwurfs zum Ausdruck zu bringen. Es hätte sich auch aufgedrängt, sich mit der Abgrenzung der Zuständigkeit der Ausländerbehörden und der alleinigen Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge für die Prüfung verfolgungsbedingter Gefahren im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG auseinanderzusetzen. Derartiges lässt sich der Begründung des Gesetzentwurfs aber nicht entnehmen.

Gegen eine Einbeziehung sämtlicher zielstaatsbezogener Gefahren in die Härteregelung des § 31 AufenthG sprechen auch der Sinn und Zweck der Regelung sowie systematische Erwägungen. § 31 AufenthG regelt im Rahmen der Familiennachzugsvorschriften die aufenthaltsrechtlichen Folgen einer gescheiterten Ehe. Das eigenständige Aufenthaltsrecht, das die Vorschrift vorsieht, wird mit Rücksicht darauf gewährt, dass in diesen Fällen die spezifische Erwartung enttäuscht wurde, die der Ausländer mit dem ehebezogenen Aufenthaltstitel verband (vgl. Urteil vom 4. September 2007 - BVerwG 1 C 43.06 - BVerwGE 129, 226 233> Rn. 22). Es soll denjenigen, der im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis zur Führung einer ehelichen Lebensgemeinschaft war, gegenüber anderen Ausländern insoweit privilegieren, als ihm im Hinblick auf seine dem Schutzbereich von Art. 6 GG zuzuordnenden Erwartungen und Dispositionen erhebliche Beeinträchtigungen erwachsen. Dass dieses Privileg auch alle sonstigen, in keinerlei Zusammenhang mit der Ehe stehenden inlands- oder zielstaatsbezogenen Abschiebungsverbote, insbesondere auch die in die alleinige Zuständigkeit des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge fallenden asyl- und flüchtlingsrechtlichen Abschiebungsverbote, erfassen sollte, kann nicht angenommen werden. Auch die Tatsache, dass in den Fällen des § 31 AufenthG eine Verpflichtung der Ausländerbehörde zur Beteiligung des Bundesamts nicht vorgesehen ist (vgl. § 72 Abs. 2 AufenthG), spricht dafür, dass die erheblichen Beeinträchtigungen im Sinne von § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG auf solche Gefährdungen beschränkt sind, die aus der Auflösung der Ehe folgen oder mit dem vorangegangenen ehe- und familienbedingten Aufenthalt zumindest mittelbar im Zusammenhang stehen.

bb) Diese Auslegung steht auch nicht in Widerspruch zu Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung (ABl EU Nr. L 251 S. 12 vom 3. Oktober 2003) - sog. Familienzusammenführungsrichtlinie. Auch wenn diese Richtlinie nur die Familienzusammenführung durch Drittstaatsangehörige regelt (Art. 1 der Richtlinie) und deshalb im Falle des mit einer Deutschen verheirateten Klägers nicht unmittelbar anwendbar ist, kann sie sich mittelbar auch auf seinen Fall auswirken. Denn durch die Verweisung des § 28 Abs. 3 AufenthG auf § 31 AufenthG, der seinerseits der Umsetzung von Art. 15 der Richtlinie dient, hat der Gesetzgeber diese für Ehegatten von Drittstaatsangehörigen geltende Regelung auch auf Ehegatten von Deutschen erstreckt, so dass auf Grund nationalen Rechts auch für diesen Personenkreis die Vorgaben der Richtlinie zu beachten sind.

Allerdings lässt sich der einschlägigen Bestimmung in Art. 15 Abs. 3 der Richtlinie nicht entnehmen, dass ein eigenständiges Aufenthaltsrecht des Ehegatten nach Scheitern der Ehe in weitergehendem Umfang als nach § 31 AufenthG in der oben dargestellten Auslegung gewährt werden müsste. Nach Art. 15 Abs. 3 Satz 1 der Richtlinie kann im Falle der Scheidung bzw. Trennung Personen, die zum Zweck der Familienzusammenführung eingereist sind, ein eigener Aufenthaltstitel gewährt werden. Nach Satz 2 der Vorschrift erlassen die Mitgliedstaaten Bestimmungen, nach denen die Ausstellung eines eigenen Aufenthaltstitels gewährleistet ist, "wenn besonders schwierige Umstände vorliegen". Aus der Begründung des ursprünglichen Vorschlags der Kommission zu der Richtlinie vom 1. Dezember 1999 - KOM (1999) 638 endgültig S. 22 - geht hervor, dass die Bestimmung dazu dient, der spezifischen Situation von Frauen gerecht zu werden, die Opfer von Gewalt in der Familie geworden sind, oder von Frauen, Witwen, Geschiedenen oder Verstoßenen, die sich in einer besonders schwierigen Lage befinden würden, wenn sie gezwungen wären, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren. Diese Begründung, die auch für die spätere Fassung der Richtlinie maßgeblich blieb, macht deutlich, dass die Vorschrift - ebenso wie die nationale Regelung in § 31 Abs. 2 AufenthG - besondere Schwierigkeiten, die die Fortsetzung einer Ehe unzumutbar machen oder die aus der Auflösung einer ehelichen Lebensgemeinschaft resultieren, abfangen soll, nicht aber auch Umstände erfassen soll, die damit nicht in Zusammenhang stehen und für die spezielle Verfahren mit besonderen Zuständigkeiten bestehen.

cc) Die Verfolgungsgefahren, die der Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Ägypten wegen seines Übertritts zum christlichen Glauben befürchtet, stehen nach den vom Berufungsgericht nicht in Zweifel gezogenen eigenen Angaben des Klägers nicht im Zusammenhang mit seiner Ehe. Danach erfolgte der Glaubenswechsel vom Islam zum Christentum nach Beendigung der ehelichen Lebensgemeinschaft und stand schon deshalb mit der Eingehung oder Auflösung der Ehe nicht im Zusammenhang. Im Übrigen war die Ehefrau nach den eigenen Angaben des Klägers gläubige Muslima. Ein Anspruch des Klägers auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis als eigenständiges Aufenthaltsrecht scheidet daher mangels Vorliegens einer besonderen Härte im Sinne des § 31Abs. 2 AufenthG aus.

dd) Auf die Frage, ob ein solcher Anspruch, wie das Berufungsgericht meint, unabhängig vom Fehlen einer besonderen Härte auch deshalb ausgeschlossen wäre, weil die vom Kläger geltend gemachte Gefahr eine allein vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu prüfende Verfolgungsgefahr im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG darstellt und die Ausländerbehörde ohne eine verbindliche Anerkennungsentscheidung des Bundesamts nicht vom Vorliegen einer solchen Verfolgung ausgehen durfte, kommt es deshalb nicht an. Die Frage könnte sich allenfalls dann stellen, wenn der ausländische Ehegatte mit der Ehe im Zusammenhang stehende Beeinträchtigungen im Sinne von § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG geltend macht, die zugleich Verfolgungsgefahren im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG darstellen. Wie in derartigen Fällen die Zuständigkeit der Ausländerbehörde und die des Bundesamts voneinander abzugrenzen ist, braucht der Senat vorliegend nicht zu entscheiden. Es spricht allerdings viel dafür, dass erhebliche Beeinträchtigungen schutzwürdiger Belange des Ehegatten im Sinne der 1. Alternative von § 31 Abs. 2 Satz 2 AufenthG, die voraussetzungsgemäß mit der Ehe oder deren Auflösung zusammenhängen müssen, von der Ausländerbehörde - gegebenenfalls unter Zuhilfenahme der Sachkunde des Bundesamts hinsichtlich der Verhältnisse im Herkunftsland - selbstständig geprüft werden können, weil sie, auch wenn sie erheblich sein müssen, nicht notwendig die Schwelle einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung im Sinne des Flüchtlingsrechts bzw. eines asylerheblichen Eingriffs im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG erreichen müssen. Dann würde sich mangels Identität des Prüfungsgegenstandes auch nicht die Frage einer Vorgreiflichkeit der Entscheidung des Bundesamts über die Asyl- oder Flüchtlingsanerkennung stellen. [...]