VGH Bayern

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Zitieren als:
VGH Bayern, Beschluss vom 22.07.2009 - 19 CE 09.2038 - asyl.net: M16078
https://www.asyl.net/rsdb/M16078
Leitsatz:

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen eine titelbeendende Verfügung führt zu einer "Fiktion der Fiktion", die zu bescheinigen ist. Die Erteilung einer bloßen Verfahrensduldung im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG würde den Rechtsstatus des Betroffenen, der um die Fortgeltung einer bereits einmal erteilten Aufenthaltserlaubnis streitet, nicht hinreichend abbilden.

Schlagwörter: Fiktionswirkung, Fiktion der Fiktion, Fiktion, Verfahrensfiktion, Fiktionsbescheinigung, Suspensiveffekt, aufschiebende Wirkung, Verlängerung, Aufenthaltserlaubnis, einstweilige Anordnung,
Normen: AufenthG § 81 Abs. 5, AufenthG § 60a Abs. 2,
Auszüge:

[...]

Zu Unrecht hat das Verwaltungsgericht dann jedoch angenommen, dass dem Antragsteller ein Anspruch auf Erteilung einer Bescheinigung nach § 81 Abs. 5 AufenthG nicht zustehe. Zwar hat das Verwaltungsgericht auch hier zutreffend darauf hingewiesen, dass die mit Antragstellung eingetretene Fiktionswirkung mit Ablehnung des Antrags auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis durch Bescheid vom 22. Dezember 2006 gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG mit der - negativen - Entscheidung über den Antrag erloschen sei und die Fiktionswirkung durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 19. Februar 2009 - 19 CS 08.1175 - nicht wieder auflebe (vgl. BVerwG, Urteil vom 1.2.2000 - 1 C 14.99 -, NVwZ-RR 2000, 540 und vom 22.1.2000 - 1 C 6.01 -, InfAuslR 2002, 281 [283] jeweils zum AuslG 1990).

Dies vermag jedoch nach den allgemeinen Grundsätzen der Vollziehbarkeitstheorie nichts daran zu ändern, dass aus dem Ende der Fiktionswirkung für den Ausländer keine nachteiligen Schlüsse gezogen werden dürfen, er also - nicht anders als bei aufschiebender Wirkung von Rechtsbehelfen gegen titelbeendende Verfügungen auch - so zu behandeln ist, wie wenn die Fiktionswirkung noch fortbestünde (so ausdrücklich VGH BW, Beschluss vom 20.11.2007 - 11 S 2364/07 -, InfAuslR 2008, 81 [82]; VGH BW, Beschluss vom 15.10.2003 - 13 S 1618/03 -, VBI BW 2004, 154 [155]; HessVGH, Beschluss vom 28.12.2006 - 12 TG 2396/06 -, AuAS 2007, 74 [75]). Man mag hier von einer "Fiktion der Fiktion" (so namentlich Jakob, VBl BW 2008, 418 [426]) oder besser von einer "Verfahrens-Fiktion" sprechen.

Es steht daher auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Antragsgegners vom 14. September 2009 nichts entgegen, dem Ausländer, insbesondere dann, wenn der um die Ausweisungsverfügung geführte Rechtsstreit in der Hauptsache längere Zeit in Anspruch nehmen wird, entsprechend § 81 Abs. 5 AufenthG eine Bescheinigung über seinen Rechtsstatus - nämlich den einer "Verfahrensfiktion" - zu erteilen und damit den Ausländerbehörden zugleich die Möglichkeit zu eröffnen, die spätere Verwirklichung der Ausreisepflicht durch geeignete Auflagen nach § 12 Abs. 2 AufenthG sicherzustellen. Die Erteilung einer bloßen Verfahrensduldung im Sinne von § 60a Abs. 2 AufenthG würde den Rechtsstatus des Betroffenen, der um die Fortgeltung einer bereits einmal erteilten Aufenthaltserlaubnis streitet, nicht hinreichend abbilden. Der Ausländer ist so zu behandeln, wie wenn die Fiktionswirkung noch fortbestünde (vgl. VGH BW, Beschluss vom 20.11.2007 - 11 S 2364/07 -, InfAuslR 2008, 81 [82]; Jakob, VBl BW 2008, 418 [426]).

Der angefochtene Beschluss war deshalb aufzuheben und der Antragsgegner zu verpflichten, dem Antragsteller eine Fiktionsbescheinigung in der Gestalt einer "Verfahrensfiktion" entsprechend § 81 Abs. 5 AufenthG zu erteilen. Dies kann mit folgendem Text (-zusatz) geschehen:

"Der Inhaber dieser Bescheinigung hat beim Verwaltungsgericht Ansbach Klage gegen die mit Bescheid der Regierung von Mittelfranken vom 22. Dezember 2006 verfügte Ausweisung und die Ablehnung seines Antrags auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis erhoben (AN 19 K 07.222). Für die Dauer der aufschiebenden Wirkung dieser Klage gilt der Aufenthaltstitel für Zwecke des Studiums als fortbestehend (Verfahrensfiktion)." [...]