OLG Celle

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Zitieren als:
OLG Celle, Beschluss vom 30.04.2009 - 22 W 16/09 - asyl.net: M16136
https://www.asyl.net/rsdb/M16136
Leitsatz:

Mit Blick auf das Beschleunigungsgebot war die Verhängung von Vorbereitungshaft rechtswidrig; Sicherungshaft kam hingegen in Betracht, insoweit Zurückweisung der Sache an die Vorinstanz.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Vorbereitungshaft, Beschleunigungsgebot
Normen: AufenthG § 62 Abs. 1, AufenthG § 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5, FGG § 27 Abs. 1
Auszüge:

[...]

2. Die Feststellungen tragen indessen die Annahme der Voraussetzungen von Vorbereitungshaft nach § 62 Abs. 1 AufenthG nicht. Soweit die Kammer darauf abstellt, dass eine bestehende Ausreisepflicht die Beteiligte nicht daran hindert, weitere Ausweisungstatbestände zur Grundlage einer geplanten Ausweisung und folgenden Abschiebung heranzuziehen und hierauf gestützt Vorbereitungshaft anordnen zu lassen, kann dem nicht gefolgt werden. Zwar ist der Wortlaut des § 62 Abs. 1 AufenthG insoweit nicht eindeutig. Eine solche Handhabung würde aber dem Gebot der besonderen Beschleunigung bei der Anwendung von Abschiebungshaft widersprechen. Stünde es nämlich im Ermessen der Beteiligten, ergänzend weitere gesetzlich vorgesehene Tatbestände trotz Vorliegens aller Voraussetzungen für die Durchführung einer Abschiebung heranzuziehen, könnte die Beteiligte dadurch Einfluss auf die Dauer der Abschiebungshaft nehmen, ohne dass hierfür ein sachlicher Grund erkennbar ist. Wäre vorliegend wegen der nach § 50 Abs. 1 und 2 AufenthG bestehenden Ausreisepflicht nämlich Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 AufenthG angeordnet und die Abschiebung sodann zügig betrieben worden, hätte es des Abwartens auf den Eintritt der Bestandskraft der auf § 55 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 2 AufenthG gestützten zusätzlichen Ausweisungsverfügung nicht bedurft, die Abschiebung mithin - zumindest theoretisch - eine Woche eher durchgeführt werden können. Dass die Ausreisepflicht auf mehrere Grundlagen gestützt werden kann, wird dadurch nicht in Frage gestellt. Geht es aber um die Anordnung von Abschiebungshaft, hat die Beteiligte alles zu vermeiden, was zu einer unnötig länger dauernden Haftzeit des Betroffenen führt.

3. Steht damit fest, dass auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen der Kammer die Anordnung von Vorbereitungshaft nach § 62 Abs. 1 AufenthG nicht in Frage kam, hatte dies indessen nicht zwingend die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebungshaft zur Folge. Zwar beschränkt sich die Überprüfung des angefochtenen Beschlusses durch den Senat im Rahmen der weiteren sofortigen Beschwerde auf eine Rechtskontrolle. Dies hindert aber zumindest die Kammer als Tatsacheninstanz bei Zurückverweisung der Sache nicht, festzustellen, ob gegen den Betroffenen die Voraussetzungen der Sicherungshaft nach § 62 Abs. 2 AufenthG vorgelegen haben. Angesichts des Verhaltens des Betroffenen, abgesprochene Termine mit der Ausländerbehörde nicht einzuhalten, von der Polizei mehrfach nicht angetroffen worden und der Begehung von Straftaten verdächtig zu sein (vgl. Renner, AuslR, § 62 AufenthG Rn. 20 m.w.N.), liegen erhebliche Anhaltspunkte für die Annahme des begründeten Verdachts vor, dass sich der Betroffene der Abschiebung entziehen wollte (§ 62 Abs. 2 Satz 2 Nr. 5 AufenthG). Dass die Kammer wie das Amtsgericht zuvor von Abschiebungshaft nach § 62 Abs. 1 AufenthG ausgegangen ist, steht der Annahme von Sicherungshaft nicht entgegen. Denn es handelt sich dabei lediglich um unterschiedliche Erscheinungsformen derselben Haftart "Abschiebungshaft". Hierfür spricht neben der amtlichen Überschrift zu § 62 AufenthG insbesondere die Regelung des § 62 Abs. 1 Satz 3 AufenthG, wonach von der Vorbereitungshaft - sogar ohne erneuten Antrag der Beteiligten (vgl. BGHZ 75, 375) - zur Sicherungshaft übergegangen werden kann. [...]