VG Weimar

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Zitieren als:
VG Weimar, Beschluss vom 06.07.2009 - 2 E 20036/09 We - asyl.net: M16383
https://www.asyl.net/rsdb/M16383
Leitsatz:

Eilrechtsschutz wegen drohender Abschiebung in die Türkei. Im Hauptsacheverfahren ist zu prüfen, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG wegen einer PTBS vorliegt.

Schlagwörter: vorläufiger Rechtsschutz, Türkei, Asylfolgeantrag, Posttraumatische Belastungsstörung
Normen: VwGO § 123, AsylVfG § 71 Abs. 5 S. 2, AufenthG § 60 Abs. 7
Auszüge:

[...]

Insbesondere hat sie in einem für die hier vorzunehmende summarische Prüfung ausreichenden Maße unter Einreichung der von einer Diplompsychologin gefertigten psychologischen Stellungnahme vom 28.04.2009 sowie des ärztlichen Berichts eines Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie vorn 17.06.2009 glaubhaft gemacht, dass sie unter einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Dabei ist auf der Basis der Sachlage zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht auszuschließen, dass eine endgültige Klärung der gesundheitlichen Situation der Antragstellerin, auch unter Berücksichtigung der Behandlungsmöglichkeiten in der Türkei und deren Erreichbarkeit, zur Feststellung eines Abschiebungshindernisses i.S.v. § 60 Abs. 7 AufenthG im Hauptsacheverfahren führen kann.

Das Gericht ist insoweit zwar der Auffassung, dass auch psychische Erkrankungen, einschließlich PTBS, in der Türkei behandelbar sind und zurückkehrenden Asylbewerbern vom Grundsatz her auch Behandlungsmöglichkeiten offen stehen, doch kann in Einzelfällen eine erfolgversprechende Therapie etwa wegen der Besonderheit der psychischen Erkrankung oder der spezifischen persönlichen Disposition des Betroffenen ausgeschlossen sein. Hierzu wird in der bereits erwähnten psychologischen Stellungnahme vom 28.04.2009 ausgeführt, dass im Falle einer Rückführung der Antragstellerin mit hoher Wahrscheinlichkeit mit einer dramatischen Verschlechterung ihres ohnehin schlechten psychischen Gesundheitszustandes zu rechnen sei, da davon auszugehen sei, dass ihre Erkrankung in der Türkei nicht mehr angemessen behandelt werden könne. Dies zum einen deshalb, weil mit einer Abschiebung der Beziehungsabbruch zu ihrem gesamten unterstützenden Freundschafts- und Hilfesystem und zur behandelnden Psychologin und somit ein Verlust des Gefühls der subjektiven Sicherheit - als Voraussetzung für eine angemessene Behandlung - verbunden wäre. Darüber hinaus sei zu bezweifeln, ob die Antragstellerin in ihrer aktuellen Situation in der Lage wäre, genügend Vertrauen zu einer Therapeutin aus ihrem Kulturkreis aufzubauen, um die nötige therapeutische Unterstützung zu erhalten.

Die endgültige Klärung der gesundheitlichen Situation der Antragstellerin und ihrer Ursachen ist allerdings Voraussetzung für die abschließende Beurteilung der Behandelbarkeit in einem möglichen Abschiebezielstaat. Berücksichtigt man vorliegend die in der psychologischen Stellungnahme angestellten Prognosen hinsichtlich der möglichen gesundheitlichen Konsequenzen bei einer Rückkehr in die Türkei, fällt die Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Vollstreckung und dem privaten Aussetzungsinteresse mit Blick auf die möglichen gravierenden, nicht ohne weiteres umkehrbaren, gesundheitlichen Folgen für die Antragstellerin hier zugunsten der Antragstellerin aus. Die Frage, ob im Hinblick auf die geltend gemachte Erkrankung ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis i.S.d. § 60 Abs. 7 AufenthG letztlich bejaht werden kann, bedarf der endgültigen Klärung im Rahmen des Klageverfahrens. Eine weitere Aufklärung in dieser Hinsicht hat im übrigen auch die Antragsgegnerin selbst angeregt. [...]