BlueSky

VG Neustadt a.d.W.

Merkliste
Zitieren als:
VG Neustadt a.d.W., Beschluss vom 17.09.2009 - 2 L 860/09.NW - asyl.net: M16384
https://www.asyl.net/rsdb/M16384
Leitsatz:

Vorläufiger Rechtsschutz nach Ablehnung eines Asylantrags, da zumindest ernstlich zweifelhaft ist, dass der nach eigenen Angaben 16jährige Antragsteller handlungsfähig ist. Die vorgelegte Geburtsurkunde hat das Amtsgericht offenbar für echt und inhaltlich zutreffend erachtet; auch dem beschließenden Gericht drängt sich gegenwärtig nicht der Eindruck einer Fälschung oder inhaltlichen Unrichtigkeit auf.

Unabhängig davon hat die Frist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG deshalb nicht zu laufen begonnen, weil die dem Bescheid beigefügte Rechtsmittelbelehrung unvollständig ist.

Schlagwörter: Asylverfahren, Handlungsfähigkeit, minderjährig, unbegleitete Minderjährige, Guinea, vorläufiger Rechtsschutz, Vormundschaft,
Normen: GG Art. 16a Abs. 4 S. 1, AsylVfG § 36 Abs. 4 S. 1, AsylVfG § 12,
Auszüge:

[...]

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2009 anzuordnen, ist gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 36 Abs. 3 AsylVfG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist das Begehren nicht wegen einer Versäumung der Antragsfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG unzulässig. Sollte der Antragsteller, wie er geltend macht, noch nicht 16 Jahre alt und deshalb gemäß § 12 Abs. 1 AsylVfG nicht handlungsfähig oder wegen der Bestellung eines Vormunds durch das Amtsgericht Trier am 20. April 2009 zumindest als nicht handlungsfähig anzusehen sein, wäre die Zustellung des Bescheides an ihn mangels Bekanntgabe an seinen Vormund unwirksam und die Frist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG deshalb nicht in Lauf gesetzt worden, und zwar auch nicht dadurch, dass der Vormund mittlerweile von dem Bescheid Kenntnis erlangt hat (Funke-Kaiser in GK AsylVfG, § 12 Rdnr. 32). Unabhängig davon hat die Frist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG deshalb nicht zu laufen begonnen, weil die dem Bescheid vom 16. Juli 2009 beigefügte Rechtsmittelbelehrung unvollständig ist. In ihr wird nämlich nicht auf die Möglichkeit einer Klageerhebung und Antragstellung im elektronischen Rechtsverkehr hingewiesen. Das hat, wie das Gericht unter Hinweis auf das einschlägige Schrifttum mehrfach entschieden hat (vgl. Urteil vom 29. Januar 2007 im Verfahren 2 K 1660/06.NW und Beschluss vom 30. April 2007 im Verfahren 2 L 274/07.NW), gemäß § 58 Abs. 2 VwGO zur Folge, dass für die Einreichung des Antrags eine Frist von einem Jahr zur Verfügung steht.

Der Antrag ist begründet. An der Rechtmäßigkeit des Bescheids der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2009 bestehen ernstliche Zweifel im Sinne von Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG.

Wäre der Antragsteller allein wegen der Bestellung eines Vormunds durch das Amtsgericht Trier am 20. April 2009 gemäß § 12 AsylVfG als handlungsunfähig anzusehen, hätte der Bescheid schon deshalb nicht ergehen dürfen. Denn mangels einer vormundschaftlichen Genehmigung des Handelns des Antragstellers fehlt es an einer wesentlichen Sachentscheidungsvoraussetzung. Die hieraus folgende Unwirksamkeit des Bescheides könnte mit Erfolg im Wege einer Feststellungsklage oder der vom Antragsteller erhobenen (isolierten) Anfechtungsklage, die das Begehren um eine Unwirksamkeitsfeststellung umfasst, geltend gemacht werden (Funke-Kaiser, a.a.O., Rdnr. 31 f., 40 f.).

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids im Sinne von Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG und § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG bestünden aber auch dann, wenn die Antragsgegnerin und das beschließende Gericht bei der Beurteilung der asylverfahrensrechtlichen Handlungsfähigkeit des Antragstellers nicht an die Entscheidung des Amtsgerichts Trier vom 20. April 2009 gebunden sein sollten. Denn der Antragsteller hat ein Schriftstück vorgelegt, bei dem es sich um eine guineische Geburtsurkunde handeln soll, die als seinen Geburtstag den 30. November 1993 ausweist. Das Amtsgericht hat diese Urkunde offenbar für echt und inhaltlich zutreffend erachtet; auch dem beschließenden Gericht drängt sich gegenwärtig nicht der Eindruck einer Fälschung oder inhaltlichen Unrichtigkeit auf. Danach ist zumindest ernstlich zweifelhaft, dass der Antragsteller gemäß § 12 AsylVfG handlungsfähig ist. Nach alledem ist die aufschiebende Wirkung der im Verfahren 2 K 859/09.NW erhobenen Klage anzuordnen. [...]