VG Göttingen

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Zitieren als:
VG Göttingen, Urteil vom 03.12.2009 - 4 A 106/07 - asyl.net: M16464
https://www.asyl.net/rsdb/M16464
Leitsatz:

Abschiebungsverbot hinsichtlich Bosnien-Herzegowinas wegen PTBS und Gefahr einer Retraumatisierung.

Schlagwörter: Abschiebungsverbot, Bosnien-Herzegowina, Posttraumatische Belastungsstörung, Wiederaufnahme des Verfahrens
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Zur Überzeugung der Kammer steht aufgrund der fachärztlichen gutachterlichen Stellungnahme des Asklepios-Fachklinikums vom 2. Dezember 2009, der eingereichten ärztlichen und fachärztlichen Atteste und Stellungnahmen, der widerspruchsfreien und auch im Übrigen glaubhaften Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung am 3. Dezember 2009 sowie aufgrund des persönlichen Eindrucks, den die Kammer vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, fest, dass der Kläger u.a. an einer schweren psychischen Erkrankung nach Traumatisierung (ptBS) leidet, die ihre Ursache in Ereignissen und Erlebnissen des Klägers in Bosnien-Herzegowina findet, mit einer Gefahr der Retraumatisierung und Suizidalität des Klägers für den Fall seiner Rückkehr in diesen Staat einhergeht und dringend einer medikamentösen (pharmakologischen) und psychotherapeutischen Behandlung bedarf. [...]

Für das Gericht steht aufgrund der gutachterlichen Einschätzung und der glaubhaften Angaben des Klägers - der sich bereits im Inland nicht von Selbstmord- und Verzweiflungsgedanken zu lösen vermag - fest, dass es bei einer Rückkehr des Klägers nach Bosnien-Herzegowina konkret zu erwarten wäre, dass er dem Druck ständiger traumaauslösender "Trigger", wie sie dort vorhanden wären, nicht standhält und seinem Leben ein Ende setzt.

Auf die zwischen den Beteiligten weiteren streitigen Fragen einer Behandelbarkeit der psychischen Erkrankungen des Klägers in Bosnien-Herzegowina kommt es angesichts der bestehenden Retraumatisierungs- und Suizidgefahr nicht mehr an (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 12. September 2007 - 8 LB 210/05 -; Beschluss vom 26. Juni 2007 - 11 LB 398/05 -, NVwZ-RR 2008. 280 [281]). Offenbleiben kann daher auch, ob die von der Beklagten angebotene Einholung einer Kostenübernahmeerklärung hinsichtlich vom Kläger benötigter Medikamente ausreichen würde, eine konkrete erhebliche Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG auszuschließen. Dahinstehen kann schließlich, inwieweit bestimmte suizidale und stationäre Vorfälle in Attesten - etwa in dem der Allgemeinmedizinerin Dr. ... vom 13. Juni 2007 oder des Nds. LKH vom 6. Mai 2005 - unzutreffenderweise der Person des Klägers anstelle der seines Sohnes zugeordnet worden sind. [...]