VG Berlin

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Zitieren als:
VG Berlin, Urteil vom 01.10.2009 - 22 A 37.08 - asyl.net: M16582
https://www.asyl.net/rsdb/M16582
Leitsatz:

Kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 AufenthG, wenn nur ein Visum, jedoch - vor dem Tod des Ehegatten - noch keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wurde. Aufenthaltserlaubnis und Visum sind nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes jeweils eigenständige Aufenthaltstitel.

Schlagwörter: Aufenthaltserlaubnis, Familienzusammenführung
Normen: AufenthG § 31, AufenthG § 4 Abs. 1 Satz 2
Auszüge:

[...]

Am 30. August 2007 beantragte die Klägerin, die wegen des Unfalls nicht von ihrem Ehemann begleitet werden konnte, die Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke der Familienzusammenführung. Sie wurde gebeten, am 13. September 2007 erneut vorzusprechen. Am 12. September 2007 setzte sie den Beklagten über den Tod ihres Ehemannes in Kenntnis und begehrte nunmehr die Gewährung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts gemäß § 31 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG). Mit Bescheid des Landesamtes für Bürger und Ordnungsangelegenheiten vom 2. Januar 2008 wurde dieser Antrag abgelehnt und der Klägerin die Abschiebung angedroht. Zur Begründung heißt es u.a., dass die Gewährung eines eigenständigen Aufenthaltsrechts nach dem Aufenthaltsgesetz nur nach vorheriger Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis in Betracht komme. Die Klägerin sei aber lediglich im Besitz eines Visums gewesen. [...]

Auch ein Anspruch auf Erteilung der von der Klägerin nach dem Tod ihres Ehemannes zum Zwecke des Daueraufenthaltes begehrten eigenständigen Aufenthaltserlaubnis gemäß §§ 31 Abs. 1 Satz 1 2. Alternative i.V.m. 28 Abs. 3 AufenthG kommt nicht in Betracht. Danach wird die Aufenthaltserlaubnis des ausländischen Ehegatten im Falle der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft als eigenständiges, vom Zweck des Familiennachzugs unabhängiges Aufenthaltsrecht für ein Jahr verlängert, wenn der deutsche Ehegatte verstorben ist, während die eheliche Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet bestand und dieser dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Da die Klägerin unbestreitbar nicht im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, sondern eines Visums zum Zwecke der Familienzusammenführung war, erfüllt sie die Voraussetzungen dieser Norm nicht. Entgegen der in dem der Klägerin vorläufigen Rechtsschutz gewährenden Beschluss der Kammer vom 12. Juni 2008 - VG 22 A 82.08 - vertretenen früheren Auffassung ist in Fällen, in denen bislang lediglich ein Visum zum Zwecke des Familiennachzugs erteilt worden ist, eine analoge Anwendung der Vorschrift des § 31 AufenthG über die Verselbständigung des Aufenthaltsrechts nach neuerer Erkenntnis nicht gerechtfertigt. In der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 18. August 2009 - OVG 11 S 36.09 (juris), der die Kammer folgt, wird betont, dass Aufenthaltserlaubnis und Visum nach der Konzeption des Aufenthaltsgesetzes jeweils eigenständige Aufenthaltstitel sind. Nach § 4 Abs. 1 Satz 2 AufenthG würden die Aufenthaltstitel als Visum (§ 6 AufenthG), Aufenthaltserlaubnis (§ 7 AufenthG), Niederlassungserlaubnis (§ 9 AufenthG) oder Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EG (§ 9a AufenthG) erteilt. Vor diesem Hintergrund wäre zu erwarten gewesen, dass der Gesetzgeber das Visum als Tatbestandsvoraussetzung ausdrücklich in § 31 Abs. 1 AufenthG erwähnt hätte, wenn er die dort geregelte weitere Verfestigung des Aufenthaltsrechts auch auf diese Fallgestaltung hätte erstrecken wollen. Für die Härtefallregelung des § 31 Abs. 2 AufenthG, der systematisch sowie seinem Wortlaut nach an Abs. 1 anknüpfe, gelte nichts anderes. Diese Rechtsauffassung wird auch vom Verwaltungsgerichtshof München im Beschluss vom 2. September 2008 - 10 ZB 08.1794 - (juris) vertreten. Dort heißt es u.a., dass ohne eine Aufenthaltserlaubnis für familiäre Zwecke kein schutzwürdiges Vertrauen in die Verlängerung des Aufenthaltsrechts nach § 31 AufenthG gebildet werden könne.

Dass der Gesetzgeber für die Verselbständigung des Aufenthalts nach § 31 AufenthG eine zuvor erteilte Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug fordert und kein diesbezügliches Visum ausreichen lässt, kann die Klägerin in ihrem Fall nicht mit dem Argument außer Kraft setzen, sie hätte die Aufenthaltserlaubnis zu Lebzeiten ihres Ehemannes ohne weiteres erhalten, wenn der Beklagte erwartungs- und pflichtgemäß am 30. August 2007, dem Tag ihrer ersten Vorsprache, entsprechend tätig geworden wäre, anstatt einen neuen Termin zu bestimmen und sie zum 13. September 2007 vorzuladen. Diesem Vorbringen kann schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Behauptung der Klägerin nicht zutreffend ist. Der Beklagte war angesichts dessen, dass die Klägerin ohne ihren den Familiennachzug vermittelnden Ehemann vorsprach, nicht gehalten, die Aufenthaltserlaubnis unter Verzicht auf die schriftlichen Erklärungen der Eheleute zum Bestand der ehelichen Lebensgemeinschaft in Deutschland zu erteilen. Er konnte zum damaligen Zeitpunkt ohne weiteres davon ausgehen, dass die Erteilungsvoraussetzungen zu einem späteren Zeitpunkt vervollständigt werden würden und deshalb einen erneuten Vorsprachetermin anberaumen. Selbst wenn, wofür nichts spricht, ein behördliches Fehlverhalten vorgelegen hätte, könnte dies nicht durch die Gewährung eines nicht beanspruchbaren Rechts ausgeglichen werden. [...]