SG Dessau-Roßlau

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Zitieren als:
SG Dessau-Roßlau, Urteil vom 22.12.2009 - S 10 AY 36/06 - asyl.net: M16681
https://www.asyl.net/rsdb/M16681
Leitsatz:

Die Abgabe der von der Botschaft Mali verlangte sog. Ehrenerklärung für die Ausstellung von Passersatzpapieren ist eine zumutbare Mitwirkungspflicht. Die aufgrund der Weigerung der Abgabe einer solchen Erklärung erfolgte Leistungskürzung nach § 1 a AsylbLG ist daher rechtmäßig.

Schlagwörter: Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Mitwirkungspflicht, Ehrenerklärung, Mali, Freiwilligkeitserklärung, unabweisbar gebotene Leistungen
Normen: AsylbLG § 1a, AsylbLG § 3 Abs. 2, AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 6, AufenthG § 48 Abs. 2, AufenthG § 49 Abs. 1
Auszüge:

[...] Bei der Klägerin können im genannten Zeitraum aus von ihr zu vertretenen Gründen aufenthaltsbeendende Maßnahmen nicht vollzogen werden, weil sie sich geweigert hat, die von den zuständigen Behörden ihres Heimatlandes geforderte Erklärung über eine freiwillige Rückkehr abzugeben und mithin an der Pass(ersatz)beschaffung mitzuwirken, obwohl dies von ihr gem. § 15 Abs. 2 Nr. 6 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) und den §§ 48 ff. Aufenthaltsgesetz gefordert ist. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 6 AsylVfG trifft einen Ausländer die gesetzliche Verpflichtung, zur Mitwirkung bei der Beschaffung der für seine Ausreise notwendigen Dokumente. Nach dem zum 01. Januar 2005 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetz ist ein Ausländer, der keinen gültigen Pass oder Passersatz besitzt, verpflichtet, an der Beschaffung des Identitätspapiers mitzuwirken (§ 48 Abs. 3 AufenthG). Nach § 49 Abs. 1 AufenthG ist jeder Ausländer verpflichtet, die von der Vertretung des Staates, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder vermutlich besitzt, geforderten und mit dem deutschen Recht in Einklang stehenden Erklärung im Rahmen der Beschaffung von Heimreisedokumenten abzugeben. Indem die Klägerin die sog. Ehrenerklärung nicht abgab, ist sie ihrer Pflicht i.S.d. § 49 Abs. 1 AufenthG nicht nachgekommen, die von der Vertretung des Staates Mali geforderte und mit dem deutschen Recht im Einklang stehende Ehrenerklärung abzugeben, von der Mali die Ausstellung von Passersatzpapieren abhängig macht. Die Abgabe dieser Erklärung war ihr auch zumutbar. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat hierzu folgende überzeugende Ausführungen getätigt (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 28.09.2007, Az.: L 8 B 11/06 AY ER), die sich das Gericht zu Eigen macht:

"Die sog. Ehrenerklärung entspricht deutschem Recht, denn sie spiegelt die Wertungen des geltenden Aufenthaltsrechts wider. Die in Satz 1 der Ehrenerklärung enthaltene schriftliche Erklärung zur Staatsangehörigkeit ist Voraussetzung für die Ausstellung von Personalpapieren. Die ebenfalls in Satz 1 enthaltende Erklärung der freiwilligen Rückkehr entspricht der rechtlichen Regelung des § 50 AufenthG, nach der ein Ausländer, der keinen ausländerrechtlichen Aufenthaltstitel besitzt, verpflichtet ist, die Bundesrepublik Deutschland - grundsätzlich freiwillig - zu verlassen. Dies ist der Maßstab zur Bewertung der Erklärung der Freiwilligkeit der Rückkehr. Die Auslandsvertretung des Staats Mali in der Bundesrepublik macht sich die Regelungskonzeption des Deutschen Aufenthaltsrechts zu eigen, denn der ohne Pass und Visum Aufenthaltstitel eingereiste Antragstellerin (hier die Klägerin) war der Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, lediglich für die Dauer der Durchführung des Asylverfahrens gestattet (§ 55 AsylVfG). Nach erfolglosem Abschluss des Asylverfahrens ist die Aufenthaltsgestattung erloschen (§ 67 Abs. 1 Nr. 4 u. 6 AsylVfG) und die Antragstellerin (hier: Klägerin) daher wieder verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland zu verlassen (§ 50 AufenthG). Diese Pflicht hat sie grundsätzlich freiwillig zu erfüllen. Erst wenn die freiwillige Erfüllung dieser Ausreisepflicht nicht gesichert ist, darf eine Abschiebung erfolgen (§ 58 AufenthG). Danach widerspricht der weitere Inlandsaufenthalt eines ausreisepflichtigen Ausländers der Rechtsordnung. Solange die zwangsweise Durchsetzung der Ausreisepflicht (Abschiebung) nicht erfolgt, wird der weitere Aufenthalt hingenommen (Duldung) nicht legalisiert. Die Forderung selbständig (freiwillig) auszureisen und den rechtswidrigen Aufenthalt zu beenden, bleibt ausländerrechtlich bestehen (vgl. BSG, Urt. v. 08.02.2007, Az.: B 9 B AY 2/06 R, juris). Die Antragstellerin (hier die Klägerin) ist gesetzlich verpflichtet, freiwillig ausreisen zu wollen. Durch die Erklärung über die Freiwilligkeit der Ausreise wird von der Antragstellerin (hier der Klägerin) lediglich die Bestätigung verlangt, dass sie bereit ist, den Regelungen des deutschen Ausländerrechts Folge zu leisten. Die im zweiten Satz der sog. Ehrenerklärung enthaltene Versicherung, nicht mehr nach Deutschland zurückzukehren, es sei denn, es wäre nach deutschem Ausländerrecht erlaubt, entspricht ebenfalls den Regelungen des Aufenthaltsgesetzes. Denn für die Einreise und den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland bedarf ein Ausländer eines gültigen Passes ( § 3 Abs. 1 AufenthG) sowie eines Aufenthaltstitels (§ 4 AufenthG). Zudem darf ein Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist grundsätzlich - normalerweise befristet - nicht erneut in das Bundesgebiet einreisen und sich darin aufhalten (§ 11 Abs. 1 AufenthG). Letztlich beinhaltet die Versicherung lediglich die Zusage, sich künftig - im Fall einer erneuten Einreise nach Deutschland - an das deutsche Aufenthaltsrecht zu halten, was ebenfalls nicht zu beanstanden ist. Wertet man den Gesamttext der sog. Ehrenerklärung im Zusammenhang, wird deutlich, dass die Botschaft des Staates Mali von der Antragstellerin (hier Klägerin) nicht mehr verlangt als die Bestätigung der Bereitschaft, den nach deutschem Aufenthaltsrecht bestehenden Pflicht nachkommen zu wollen. Gründe für einen Verstoß diese Forderung gegen Völkerrecht, auf den sich die Antragstellerin (hier Klägerin) berufen könnte, bestehen nicht. Sie ist daher gem. § 49 Abs. 1 AufenthG zur Abgabe der sog. Ehrenerklärung verpflichtet. Die Verweigerung der Abgabe der Erklärung ist ihr vorwerfbar."

Die Nichtabgabe der Ehrenerklärung ist nach Überzeugung der Kammer auch die einzige Ursache dafür, dass die Klägerin im genannten Zeitraum nicht abgeschoben werden konnte. Mali macht die Ausstellung von Passersatzpapieren von der Abgabe der Ehrenerklärung abhängig und nach glaubhafter Auskunft der zentralen Abschiebestelle in Halberstadt sind in den Jahren von 2005 bis 2007 regelmäßig Abschiebungen nach Mali vorgenommen worden. Dies zeugt davon, dass gerade keine anderen Ursachen existierten, die einer Aufenthaltsbeendigung der Klägerin entgegen gestanden haben, als ihre fehlende Mitwirkung. Diese Annahme steht auch nicht im Widerspruch zu der von der Klägerin zitierten Entscheidung des OVG Sachsen-Anhalt. Das Oberverwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung lediglich In einem Einzelfall von einer Unmöglichkeit der Abschiebung i.S.d. § 60a Abs. 2 AufenthG ausgegangen, weil sich Mali geweigert habe, Passersatzpaplere auszustellen. Angesichts von 17 anderen von der zentralen Abschiebestelle dokumentierten Fällen, in denen Passersatzpapiere im Jahr 2007 von der malischen Botschaft ausgestellt wurden, kann von einer objektiven Unmöglichkeit der Abschiebung nach Mali im Zeitraum von 2005 bis 2007 nicht ausgegangen werden und alles spricht dafür, dass die Klägerin nach Mali hätte abgeschoben werden können, wenn sie an der Passersatzbeschaffung mitgewirkt hätte.

Ebenfalls keine Bedenken bestehen gegen den Umfang der gewährten Leistungen. § 1 a AsylbLG macht bereits im Wortlaut deutlich, dass die Bestimmung des unabweisbar gebotenen Umfangs nach den Umständen des Einzelfalles zu erfolgen hat. Der Klägerin wurde im Zeitraum vom 01. Juli 2005 bis zum 31. Dezember 2007 nur der Barbetrag nach § 3 Abs. 1 Satz 4 AsylbLG nicht gewährt. Dieser gehört grundsätzlich nicht zu den unabweisbar gebotenen Leistungen (LSG Baden-Württemberg a.a.O. Rn. 14). [...]