LG Saarbrücken

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Zitieren als:
LG Saarbrücken, Beschluss vom 08.12.2009 - 5 T 473/09 - asyl.net: M16765
https://www.asyl.net/rsdb/M16765
Leitsatz:

Sicherungshaft darf nicht automatisch angeordnet werden. Vorliegend sprechen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sich der Betroffene der Abschiebung nach Griechenland entzogen hätte.

Schlagwörter: Abschiebungshaft, Sicherungshaft, Ausreisefrist, Verhältnismäßigkeit, Dublin II-VO, Griechenland, Visum
Normen: AufenthG § 62 Abs. 2 S. 2, AufenthG § 106 Abs. 2, S. 1, FEVG § 3 S. 2, FEVG § 7, FGG § 19, FGG § 20, FGG § 22
Auszüge:

[...]

1. Es erscheint bereits zweifelhaft, ob die Haftanordnung zum Zwecke der Abschiebung des Betroffenen nach Griechenland zulässig war.

Der Staat Griechenland ist zwar als sogenannter sicherer Drittstaat im Sinne des § 26 a AsylVfG anzusehen, im Hinblick auf die in Griechenland gehandhabte Prüfung von Asylanträgen erscheint es jedoch zweifelhaft, ob die Abschiebung eines Asylantrag stellenden Ausländers nach Griechenland zur dortigen Prüfung des Asylantrags den Vorgaben des Grundgesetzes in Art. 19 Abs. 4 S. 1 und 16 a Abs. 2 S. 1 und S. 3 GG gerecht wird (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 08.09.2009, Az.: 2 BvQ 56/09, zitiert nach juris, Rn. 4).

Im Ergebnis kann diese Frage jedoch für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens dahingestellt bleiben.

2. Denn auch der in dem angefochtenen Beschluss des Amtsgerichtes unterstellte Haftgrund des § 62 Abs. 2 S. 2 AufenthG ist nicht erfüllt.

Nach dieser Vorschrift kann ein Ausländer für die Dauer von längstens zwei Wochen in Sicherungshaft genommen werden, wenn die Ausreisefrist abgelaufen ist und feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann. Dies besagt jedoch nicht, dass im Falle des Vorliegens dieser beiden Voraussetzungen stets automatisch Sicherungshaft angeordnet werden darf. Vielmehr ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass auch bei dieser sogenannten "kleinen Sicherungshaft" im Rahmen des dem entscheidenden Gericht zugebilligten Beurteilungsspielraums ("kann") zu prüfen ist, ob durch die konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls eine begründete Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sich der betroffene Ausländer ohne die Inhaftierung der Abschiebung entziehen wird (vgl. dazu Saarl. Oberlandesgericht, Beschluss vom 28. Oktober 2009, Az.: 5 W 145/09-51 - S. 11). Diese Befürchtung ist dann noch nicht gerechtfertigt, wenn anzunehmen ist, der Betroffene werde sich mit Rechtsbehelfen gegen seine Ausreisepflicht oder Abschiebung zur Wehr setzen (vgl. Hofmann/Hoffmann-Keßler, Ausländerrecht, 1. Auflage, § 62 AufenthG, Rn. 30 m.w.N.).

3. Vorliegend sprechen keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass sich der Betroffene der Abschiebung entzogen hätte. Er ist legal, nämlich mit einem Schengenvisum am 25. Dezember 2008 in die Bundesrepublik eingereist und hat am 8. Januar 2009 einen Asylantrag gestellt.

Er hat unbestritten vorgetragen, er habe in der Zwischenzeit den zuständigen Behörden ständig zur Verfügung gestanden.

Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene ohne die Inhaftierung untergetaucht wäre oder sich in sonstiger Weise seiner Abschiebung nach Griechenland entzogen hätte, bestehen nicht.

Aus diesen Gründen war die Haftanordnung rechtswidrig. [...]