LSG Niedersachsen-Bremen

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Zitieren als:
LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.04.2010 - L 11 AY 1/10 B ER - asyl.net: M16922
https://www.asyl.net/rsdb/M16922
Leitsatz:

Angesichts des gesetzgeberischen Ziels des AsylbLG und insbesondere des § 1a AsylbLG (Absenkung des Leistungsnieveaus gegenüber der Sozialhilfe) ist es nicht zu beanstanden, wenn nur eine einfache Unterkunft angeboten wird, solange diese (noch) nicht menschenunwürdig ist. Insoweit erweist sich hier die Unterkunft zumindest unter Berücksichtigung der vom Antragsgegner im Erörterungstermin angebotenen Mängelbeseitigungen zwar als grenzwertig, jedoch (gerade) noch zumutbar. Der Senat kann sich jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass der Antragsgegner u.U. auf eine "abschreckende Wirkung" seines Wohnungsangebots spekuliert, wenn er dem Antragsteller zunächst eine mit Schimmel befallene und mit unzureichenden bzw. gänzlich fehlenden elektrischen Einrichtungen ausgestattete Wohnung anbietet. Hierfür spricht auch der Zustand des gesamten Gebäudekomplexes, der sich als ungepflegt, z. T. sogar verwahrlost darstellt. Es besteht nach Auffassung des Senats durchaus Anlass, dass die Stadt Munster die Art und Weise der Unterbringung von Obdachlosen in ihrem Zuständigkeitsbereich überprüft.

Schlagwörter: vorläufiger Rechtsschutz, Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Asylbewerberleistungsgesetz, Unterkunft, Zumutbarkeit
Normen: AsylbLG § 1a, AsylbLG § Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Zuweisung einer anderen Unterkunft. [...]

Das SG hat zutreffend einen Anordnungsanspruch verneint. Der Antragsgegner hat den Anspruch des Antragstellers auf Bereitstellung einer Unterkunft aus § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG durch das zweite Wohnungsangebot sowie durch die im Erörterungstermin angebotenen ergänzenden Maßnahmen (Bereitstellung von Farbe, eines Teppichbodens sowie von Isoliermaterial) mittlerweile erfüllt. Somit besteht kein Anspruch mehr auf vorläufige Zuweisung einer anderen Wohnung.

Der Antragsgegner hat dem Antragsteller anstelle der zuerst angebotenen - nach mittlerweile übereinstimmender Auffassung der Beteiligten unzumutbaren - Wohnung eine andere Unterkunft angeboten. Diese wiederum im Gebäudekomplex ... gelegene Unterkunft erweist sich nach erfolgter Inaugenscheinnahme und unter Berücksichtigung der vom Antragsgegner angebotenen Mängelbeseitigung als noch zumutbar.

Eine im Rahmen des in § 3 Abs. 1 AsylbLG geregelten Sachleistungsprinzips gewährte Unterkunft muss menschenwürdig ausgestattet sein und die körperliche Integrität des Betroffenen wahren (vgl. im Einzelnen: VG Hamburg, Beschluss vom 17. März 1999 - 5 VG 887/99 mit Verweis auf Hessischer Verwaltungsgerichtshof [VGH], Beschluss vom 9. Dezember 1994 - 9 TG 2341/94; zum Anspruch auf eine menschenwürdige Unterkunft auch für den lediglich nach § 1 a AsylbLG anspruchsberechtigten Personenkreis: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 11. Oktober 2006 - L 7 AY 10/06 ER, Rn 24 - zitiert nach Juris). Da es an konkreten rechtlichen Vorgaben zur Größe und Beschaffenheit einer Unterkunft i.S.d. § 3 AsylbLG fehlt, steht dem Leistungsträger ein weiter Gestaltungsspielraum zu (VG Hamburg, a.a.O.; Hessischer VGH, a.a.O.). Angesichts des gesetzgeberischen Ziels des AsylbLG und insbesondere des § 1 a AsylbLG (Absenkung des Leistungsniveaus gegenüber der Sozialhilfe) ist es auch von vornherein nicht zu beanstanden, wenn dem Leistungsberechtigten nur eine einfache Unterkunft angeboten wird. Solange sich die konkret zugewiesene Unterkunft (noch) nicht als menschenunwürdig darstellt, hat ein Leistungsempfänger nach dem AsylbLG somit keinen einklagbaren Anspruch auf Zuweisung einer ansprechenderen, komfortableren oder angenehmeren Unterkunft.

Zwar ist dem Antragsteller zuzustimmen, dass sich auch die ihm zuletzt zugewiesene Unterkunft in der Obdachlosenunterkunft , weder zum Zeitpunkt der Zuweisung (November 2009) noch derzeit in einem menschenwürdigen Zustand befindet bzw. befand. Zum Zeitpunkt der Zuweisung fehlten u.a. ein Bett, Bettzeug, eine Matratze, Kochgeschirr, Essgedecke und Reinigungsutensilien. Diese wurden dem Antragsteller erst Anfang Dezember 2009 zur Verfügung gestellt.

Auch bei Inaugenscheinnahme am 9. April 2010 hat sich die Unterkunft unverändert als unzumutbar dargestellt. Das Zimmer war vollkommen unterkühlt und verschmutzt, das Fenster undicht und der Innenanstrich vollkommen abgewohnt. Diese Mängel sind jedoch nur teilweise dem Antragsgegner zuzurechnen: So ist die Auskühlung des Zimmers nicht auf fehlende Heizmöglichkeiten zurückzuführen, sondern darauf, dass der Antragsteller die ihm vom Antragsgegner angebotene Ersatzunterkunft zu keinem Zeitpunkt in Anspruch genommen hat und das Zimmer dementsprechend über mehrere besonders strenge Wintermonate unbeheizt geblieben ist. Sowohl das regelmäßige Beheizen als auch die regelmäßige Reinigung des Zimmers obliegen dem Antragsteller, nicht dagegen dem Antragsgegner. Dies gilt auch für den Transport des Kühlschranks, der sich noch in der zunächst zugewiesenen Wohnung innerhalb des Gebäudekomplexes ... befindet. Ob auch das - relativ leicht zu bewältigende - Abdichten des Fensters mittels z.B. Moltofill oder Isolierband dem Antragsteller oblegen hätte, kann der Senat offen lassen, da der Antragsgegner im Erörterungstermin vom 9. April 2010 eine entsprechende Mängelbeseitigung angeboten hat. Für die übrigen eine Unzumutbarkeit begründenden Mängel hat der Antragsteller im Erörterungstermin vom 9. April 2010 ausreichende Maßnahmen angeboten (Bereitstellung von Farbe und Teppichboden). Bei Annahme dieser Angebote wäre der Antragsteller in der Lage, mittels ihm zumutbarer Eigenleistung die zur Verfügung gestellte Unterkunft in einen menschenwürdigen Zustand zu versetzen. Für die Zuweisung einer anderen Wohnung besteht somit kein Anlass.

Ein Anspruch auf Zuweisung einer anderen Wohnung ergibt sich auch nicht aus den weiteren vom Antragsteller geltend gemachten Unzulänglichkeiten der Unterkunft. Vielmehr hält der Senat in Übereinstimmung mit dem Antragsgegner die vorhandenen Kochmöglichkeiten (Zweiplattenherd) für ausreichend. Schließlich sind auch in einer Vielzahl von auf dem freien Wohnungsmarkt vermieteten Ein-Zimmer-Apartments lediglich sog. Pantry-Küchen vorhanden, die ebenfalls über keinen Backofen verfügen. Der Antragsteller muss mit dem Zweiplattenherd zudem nur sich alleine versorgen, nicht etwa eine mehrköpfige Familie. Eine sanitäre Grundversorgung ist gewährleistet, da der Antragsteller über eine neben seinem Zimmer befindliche Toilette sowie über ein Waschbecken mit fließend Kaltwasser (direkt in seinem Zimmer) verfügt. Dass er zum Duschen durch den Außenbereich des Gebäudekomplexes zu einem anderen Gebäudeteil gehen muss, hält der erkennende Senat für zumutbar und nicht für menschenunwürdig. Es sind auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der im Zimmer vorhandene Holzofen das nur ca. 12 qm große Zimmer des Antragstellers nicht ausreichend beheizen könnte. Die derzeitige Innentemperatur beruht vielmehr darauf, dass der Antragsteller das Zimmer bislang nicht bewohnt und dementsprechend auch nicht beheizt hat. Hinsichtlich des nach wie vor auch im Zimmer des Antragstellers deutlich wahrnehmbaren Brandgeruchs kann der Antragsteller durch regelmäßiges Lüften des eigenen Zimmers, durch Schließen der Verbindungstür zum Nachbarzimmer sowie durch Lüften des Nachbarzimmers selbst Abhilfe schaffen.

Nach alledem erweist sich die Unterkunft zumindest unter Berücksichtigung der vom Antragsgegner im Erörterungstermin angebotenen Mängelbeseitigungen zwar als grenzwertig, jedoch (gerade) noch zumutbar bzw. menschenwürdig. Der Senat kann sich jedoch nicht des Eindrucks erwehren, dass der Antragsgegner u.U. auf eine "abschreckende Wirkung" seines Wohnungsangebots spekuliert, wenn er dem Antragsteller zunächst eine mit Schimmel befallene und mit unzureichenden bzw. gänzlich fehlenden elektrischen Einrichtungen ausgestattete Wohnung anbietet. Hierfür spricht auch der Zustand des gesamten Gebäudekomplexes in der ... der sich als ungepflegt, z.T. sogar verwahrlost dargestellt. Einzelne Gebäudeteile sind dem Vandalismus der Bewohner oder auch Außenstehender überlassen worden. Ablagerungen erheblicher Mengen von Müll in den derzeit leerstehenden Zimmern und auf dem Außengelände werden geduldet bzw. hingenommen. Auch der - an sich technisch einwandfreie - Duschraum war stark verschmutzt. Es besteht nach alledem nach Auffassung des Senats durchaus Anlass, dass die Stadt Munster die Art und Weise der Unterbringung von Obdachlosen in ihrem Zuständigkeitsbereich überprüft.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Trotz der Erfolglosigkeit des vom Antragsteller gestellten Eilantrags ist der Antragsgegner zur Erstattung der notwendigen außergerichtlichen Kosten verpflichtet. Denn der Antragsgegner hat Anlass gegeben, das vorliegende Eilverfahren einzuleiten, nachdem er dem Antragsteller zunächst - wie bereits ausgeführt - eine unzumutbare Unterkunft angeboten und die erforderlichen Nachbesserungen für die Ersatzwohnung erst im Erörterungstermin vom 9. April 2010 zugesagt hat. Der Antragsgegner hat auf die vom Antragsteller zu Recht geltend gemachten Mängel bzw. Unzulänglichkeiten somit nicht zeitnah reagiert, sondern erst unter dem Druck des gerichtlichen Verfahrens. [...]