OVG Niedersachsen

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Zitieren als:
OVG Niedersachsen, Beschluss vom 23.12.2009 - 8 LA 211/09 - asyl.net: M16999
https://www.asyl.net/rsdb/M16999
Leitsatz:

Die Unterschrift der Berufungszulassungsbegründung muss nicht lesbar sein, es genügt ein den Unterzeichner ausreichend kennzeichnender individueller Schriftzug.

Schlagwörter: Berufungszulassung, Aufenthaltserlaubnis, Bleiberecht, Altfallregelung, Roma, Täuschung, Duldung, Wohnraumerfordernis, offensichtlich unbegründet, Unterschrift
Normen: AufenthG § 104a Abs. 1, AufenthG § 10 Abs. 3
Auszüge:

[...]

Der Antrag ist zulässig, insbesondere wahrt die am 27. November 2009 und damit fristgerecht beim Oberverwaltungsgericht eingereichte Begründung des Antrages die nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO gebotene Schriftform. Die dazu notwendige Unterschrift der unterzeichnenden Person erfordert einen den Unterzeichner ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug, der einmalig ist und entsprechende charakteristische Merkmale einer Unterschrift aufweist. Lesbar muss die Unterschrift hingegen nicht sein (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.9.1978 - 7 B 173.78 -, Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 5; Kopp/Schenke, VwGO, § 81, Rn. 7, jeweils m.w.N.). Solche einmaligen, individuellen Merkmale weist die Unterschrift des Landrates der Beklagten in der Antragsbegründung auf, wie sich auch aus dem Vergleich der von ihm unter dem 29. Oktober, 24. November und 15. Dezember 2009 abgegebenen Schriftzüge ergibt. Die Begründung des Zulassungsantrages lässt auch noch hinreichend erkennen, dass sich der Beklagte mit seinen Einwendungen gegen die Richtigkeit des Urteils auch auf den Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO berufen will.

Der Antrag ist auch begründet, weil jedenfalls ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen. Das Verwaltungsgericht hat angenommen, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 104a Abs. 1 AufenthG gegeben sind, diese Annahme als "unstreitig" bezeichnet und deshalb nicht näher begründet. Daher reicht es zur Darlegung nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO aus, wenn der Beklagte im Zulassungsantrag das Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen pauschal bestreitet.

Nach dem bisherigen Verfahrensstand ist für den Senat nicht zu erkennen, dass die 1985 geborene Klägerin zu 1) die notwendigen Voraussetzungen des § 104 Abs. 1 AufenthG erfüllt. Dazu müsste sie zunächst mindestens seit dem 1. Juli 2001 ununterbrochen im Besitz einer Duldung gewesen sein. Entsprechende Nachweise finden sich jedoch weder in der Ausländerakte für die Klägerin zu 1) noch in den ergänzend angeforderten Ausländerakten für ihren Vater. Ebenso fehlen die erforderlichen Nachweise, dass die Kläger gegenwärtig über ausreichenden Wohnraum i.S.d. § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG verfügen. Der im Verwaltungsverfahren vorgelegte Mietvertrag bezieht sich auf eine andere Wohnung. Schließlich bedarf auch das Vorliegen des Ausschlussgrundes nach § 104a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AufenthG näherer Prüfung. Dieser Ausschlussgrund kann gerade auch dadurch gegeben sein, dass sich vormals jugoslawische Staatsangehörige aus dem heutigen Kosovo in den Jahren zwischen 1990 und 1999 auch gegenüber der Ausländerbehörde auf eine Verfolgungsgefahr als albanische Volkszugehörige berufen haben, während sie tatsächlich dem Volk der Roma angehören (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 20.1.2009 - 10 ME 442/08 -, juris, sowie Senatsbeschl. v. 10. 11.2009 - 8 LB 89/09 -, m. w. N.). Entsprechende Angaben über ihre vermeintlich albanische Volkszugehörigkeit haben die Eltern der damals minderjährigen Klägerin zu 1) im Jahr 1993 gemacht und erst im Jahr 2000 geändert. Aufenthaltsrelevante Täuschungen der Eltern sind ausländerrechtlich grundsätzlich auch den Kindern für die Zeit ihrer Minderjährigkeit zurechenbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.1.2009 - 1 C 40.07 -, BVerwGE 133, 73 ff.).

Im Übrigen unterliegen auch die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur sachgerechten Ausübung des seiner Ansicht nach eröffneten Ermessens Zweifeln. Dabei kann offen bleiben, ob bei der Ermessensausübung nach § 104a Abs. 1 AufenthG überhaupt - wie vom Verwaltungsgericht angenommen - darauf abzustellen ist, dass insoweit alle Mitglieder einer familiären Lebensgemeinschaft möglichst einheitlich zu behandeln sind, auch wenn sie in getrennten Haushalten leben. Denn es fehlt hier bislang schon an hinreichenden Feststellungen, dass die Kläger und ihr in ... wohnhafter Ehemann bzw. Vater eine solche familiäre Lebensgemeinschaft führen. Außerdem steht der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Klägerin zu 3) neben dem fehlenden Pass (§§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 Satz 2 AufenthG) aller Voraussicht nach bereits entgegen, dass ihr Asylantrag nach § 30 Abs. 3 AsylVfG abgelehnt worden ist und ihr deshalb nach § 10 Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG kein Aufenthaltstitel erteilt werden darf (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.12.2008 - 1 C 37.07 -, BVerwGE 132, 382 ff.). Damit ist es ausgeschlossen, allen Mitgliedern der vom Verwaltungsgericht angenommenen familiären Lebensgemeinschaft einheitlich eine Aufenthaltserlaubnis "auf Probe" zu erteilen.

Es kann deshalb im Zulassungsverfahren offen bleiben, ob es für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis an die Kläger nicht zusätzlich einer positiven Prognose dazu bedurft hätte, dass die ihrem Ehemann bzw. Vater bis zum Jahresende 2009 nach § 104a Abs. 1 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis auch darüber hinaus verlängert werden wird. [...]