Keine Flüchtlingsanerkennung und kein Abschiebungsschutz für Mutter eines nichtehelichen Kindes eines muslimischen Vaters.
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Die Klägerin zu 1 kann ferner nicht den Flüchtlingsstatus nach § 3 Absatz 1 AsylVfG in Verbindung mit § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes - AufenthG - beanspruchen, da sie ihr Heimatland unverfolgt verließ und auch bei einer Rückkehr keine politische Verfolgung zu befürchten hat, weswegen auch der Kläger zu 2 von ihr keinen Flüchtlingsstatus nach § 26 Absatz 4 AsylVfG ableiten kann. [...]
An einer Flucht vor aktueller Verfolgung, wie sie von den Klägern vorgetragen wird, bestehen bereits erhebliche Zweifel, da die Kläger nach ihrem eigenen Vortrag erst 2005 aus Moskau nach Armenien zurückkehrten, bereits im Folgejahr ihre Eltern bzw. Großeltern die eigene Eigentumswohnung verkauften und 10.000 US-$ u.a. für die Schleusung der Kläger nach Europa zurücklegten, aber erst 2007/08 der angebliche Konflikt mit den Zuhältern der Klägerin zu 1 an ihrer Arbeitsstelle als Kellnerin eskalierte. Während die Klägerin zu 1 im Übrigen mit ihrem Vortrag in der Anhörung durch das Bundesamt so verstanden werden konnte, dass sie zuvor aus diskriminierenden Gründen arbeitslos geworden war, hat sie auf Nachfrage in der mündlichen Verhandlung angegeben, im Verlauf des Jahres 2007 ihre harte Arbeit aufgegeben zu haben, weil sie nicht mehr gleichzeitig 12 Stunden pro Tag einer Erwerbsarbeit nachgehen und ihre - inzwischen gänzlich - kranken Familienmitglieder und den eigenen Sohn versorgen konnte. Auch ist die Darstellung vor dem Bundesamt zur nachfolgenden Arbeitslosigkeit als langer Zeitraum, der zur Annahme der Arbeitsstelle als Kellnerin gleichsam zwang, kaum vereinbar mit der Zeitspanne, die bis zum Arbeitsangebot als Kellnerin verstrichen sein kann, das noch vor der Anfang 2008 beschlossenen Ausreise lag. Es spricht viel dafür, dass die ganze Familie schlicht keine wirtschaftliche Zukunft in Armenien mehr für sich sah.
Sofern den Klägern gleichwohl geglaubt werden kann, dass sie deswegen verspottet wurden, weil der Kläger zu 2 ein uneheliches Kind eines muslimischen Vaters ist, dürfte es sich hierbei lediglich um eine Belästigung unterhalb der Schwelle der Verfolgung gehandelt haben. Gerade in der Heimatstadt der Kläger, ..., leben zahlreiche Muslime völlig unbehelligt und schaffen ein Klima religiöser Toleranz, das auch auf Artikel 26 der armenischen Verfassung zurückgeführt werden kann. Der armenische Staat ist bereit, Minderheiten zu schützen. Kommt es zu Diskriminierungen, ist er willig und fähig, davor den notwendigen Schutz zu gewähren (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 11. August 2009, S. 9).
Die Kläger tragen jedoch in diesem Zusammenhang nicht einmal vor, effektive staatliche Hilfe nachgesucht zu haben. Abgesehen davon schafft ein Umzug innerhalb Armeniens regelmäßig Abhilfe vor diskriminierender Nachbarschaft, ohne dass eine Flucht außer Landes ergriffen werden müsste (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 11. August 2009, S. 12).
Nachdem die Kläger weder durch Verwandte noch durch eine Arbeitsstelle an Eriwan gebunden sind, können sie darauf verwiesen werden.
Wird ebenfalls als wahr unterstellt, dass die Klägerin zu 1 in wirtschaftlicher Not in Kontakt mit dem Zuhältermilieu geraten ist, mag hierin eine missliche Lage zu sehen sein. Allerdings ist die armenische Regierung u. a. mithilfe von Präventionsprogrammen bemüht, Zuhälterei und Menschenhandel zurückzudrängen (vgl. Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien vom 11. August 2009, S. 11).
In diesem Zusammenhang zeigt sich die Schutzbereitschaft ebenso wie die Schutzwilligkeit des armenischen Staates. Sollte die Klägerin zu 1 befürchten, sich gegen den Vorwurf des Diebstahls seitens ihrer Zuhälter nicht wehren zu können und damit wirkungsvoll unter Druck gesetzt zu werden, ist sie wie jeder andere darauf zu verweisen, dass der armenische Staat mit einer funktionierenden Justiz eine ausreichende Schutzmöglichkeit zur Verfügung stellt, um sich gegen unberechtigte Vorwürfe zur Wehr zu setzen, wie sie in jedem Staat der Welt zu befürchten sind. Weitergehende Befürchtungen der Kläger sind nicht mehr als bloße Vermutungen, die sie nicht näher substantiieren. Dies gilt auch für die Gefahr, dass der muslimische Vater den Kläger zu 2 zu sich holen könnte.
Eine Rückkehr der Kläger nach Armenien käme einem gesellschaftlichen Neubeginn gleich, der erst recht keine Gefahr der Verfolgung aus den geltend gemachten Gründen erkennen lässt. [...]