OVG Saarland

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Zitieren als:
OVG Saarland, Beschluss vom 05.07.2010 - 2 A 412/09 - asyl.net: M17234
https://www.asyl.net/rsdb/M17234
Leitsatz:

Verhältnismäßigkeit der Ausweisung eines Kosovaren, der 1992 im Alter von acht Jahren mit seiner Familie nach Deutschland kam, wegen nicht gelungener Integration. Straffälligkeit als solche schließt nicht zwangsläufig eine vollzogene Integration des Ausländers aus - etwa bei einem nicht schwerwiegenden, offensichtlich einmaligen Rechtsverstoß -, ist aber grundsätzlich ein starkes Indiz für fehlende Integration, denn sie zeigt die mangelnde Bereitschaft, die deutsche Rechtsordnung als Grundlage des sozialen Zusammenlebens zu akzeptieren. Gleichwohl kann auch ein Straftäter, der sein Leben nach einer schwerwiegenden Straftat erkennbar dauerhaft ändert und straffrei führt, eine Integration in sozialer Hinsicht gelingen (mit Verweis auf OVG Saarland, Urteil v. 4.2.2010 - 2 A 448/08 - [M17270]. Von Gewicht ist aber auch, dass dem Kläger trotz seines langen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet eine wirtschaftliche Integration in die deutschen Lebensverhältnisse nicht gelungen ist.

Schlagwörter: Berufungszulassung, Ausweisung, Achtung des Privatlebens, Verhältnismäßigkeit, besonderer Ausweisungsschutz, Niederlassungserlaubnis, Kosovo, schwerwiegende Gründe der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Wiederholungsgefahr, faktischer Inländer, Integration, wirtschaftliche Integration, Straftat, Drogendelikt
Normen: EMRK Art. 8 Abs. 1, AufenthG § 53 Nr. 2, AufenthG § 56 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, GG Art. 2 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Die Ausweisung des Klägers verstößt entgegen seiner Meinung ferner nicht gegen den sowohl das Familienleben als auch das Privatleben schützenden Art. 8 1 EMRK.

Der Kläger, der durch Urteil des Amtsgerichts Saarbrücken vom 2.7.2007 wegen Beihilfe zur unerlaubten Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in zwei Fällen, begangen in Tatmehrheit mit gewerbsmäßigem unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in 14 Fällen, begangen in Tatmehrheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu zwei Jahren und sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt wurde, erfüllt unstreitig den Tatbestand des § 53 Nr. 2 AufenthG. Ebenso unstreitig genießt er besonderen Ausweisungsschutz gemäß § 56 I 1 Nr. 1 AufenthG, da er im Zeitpunkt der Ausweisungsentscheidung vom 13.3.2008 im Besitz einer Niederlassungserlaubnis - als solche gilt die ihm am 31.1.1996 erteilte unbefristete Aufenthaltserlaubnis gemäß § 101 I 1 AufenthG fort - war und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hatte. Somit wird er nur aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ausgewiesen (§ 56 1 2 AufenthG) und die Ist-Ausweisung wird zur Regelausweisung zurückgestuft (§ 56 1 4 AufenthG).

Regelfälle sind solche, die sich nicht durch besondere Umstände von der Menge gleich liegender Fälle unterscheiden. Ausnahmefälle sind dagegen durch einen atypischen Geschehensablauf gekennzeichnet, der so bedeutsam ist, dass er jedenfalls das sonst ausschlaggebende Gewicht der gesetzlichen Regel beseitigt. Bei der uneingeschränkter gerichtlicher Kontrolle unterliegenden Prüfung, ob ein Ausnahmefall vorliegt, sind alle Umstände einer evtl. strafrichterlichen Verurteilung sowie die sonstigen Verhältnisse des Betroffenen zu berücksichtigen, die in § 55 III AufenthG nicht abschließend genannt werden (BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, BVerwGE 129, 367 = InfAuslR 2008, 116, m.w.N.). Ein Ausnahmefall von der Regelausweisung - und damit die Notwendigkeit einer behördlichen Ermessensentscheidung - ist nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 23.10.2007 - 1 C 10.07 -, BVerwGE 129, 367 = InfAuslR 2008,116) bereits dann anzunehmen, wenn durch höherrangiges Recht oder Vorschriften der Europäischen Menschenrechtskonvention geschützte Belange des Ausländers eine Einzelfallwürdigung unter Berücksichtigung der Gesamtumstände des Falles gebieten. Bei Annahme eines von der Regel abweichenden Falles fehlt den Ausweisungsgründen nur das von vornherein ausschlaggebende Gewicht, das ihnen der Gesetzgeber im Regelfall zugemessen hat. In diesem Fall sind die Ausweisungsgründe mit dem Gewicht, das in dem gestuften System der Ausweisungstatbestände zum Ausdruck kommt, in die Ermessensentscheidung einzubeziehen. Aus der Annahme eines Ausnahmefalles folgt somit nicht, dass zwingend von der Ausweisung abzusehen wäre; sofern der Ausweisung nicht höherrangiges Recht entgegensteht und damit das Ermessen ohnehin auf Null reduziert ist, erlangt die Ausländerbehörde durch den Übergang in eine Ermessensentscheidung lediglich mehr Flexibilität, um den besonderen Umständen des konkreten Falles ausreichend Rechnung tragen zu können.

Die Ausweisung des Klägers greift zum einen in sein durch Art. 2 I GG geschütztes Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ein, da ihm durch diese Maßnahme sein Aufenthaltsrecht entzogen wird und er infolgedessen zur Ausreise verpflichtet ist. Die Rechtmäßigkeit eines solchen Eingriffs setzt seine Verhältnismäßigkeit voraus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.8.2007 - 2 BvR 535/06 -, NVwZ 2007,1300 = InfAuslR 2007,443). Zum anderen stellt die Ausweisung einen Eingriff in das durch Art. 8 I EMRK geschützte Recht des betroffenen Ausländers auf Familien- bzw. Privatleben dar (vgl. etwa EGMR, Urteile vom 23.6.2008 - 1638/03 - (Maslov II), InfAuslR 2008, 333, und vom 22.4.2004 - 42703/98 -, InfAuslR 2004, 374), der ebenfalls nur rechtmäßig ist, wenn er sich als verhältnismäßig im Sinne des Art. 8 II EMRK darstellt. Diese Eingriffe sind vorliegend jedoch verhältnismäßig. Dabei kann dahinstehen, ob die persönliche Situation des Klägers und seine Entwicklung nach seiner Verurteilung vom 2.7.2007 die Annahme rechtfertigen, es liege ein Ausnahmefall im dargestellten Sinne vor, denn die angefochtenen Bescheide beruhen im Ergebnis auf einer auch unter Verhältnismäßigkeitsaspekten zutreffenden Einzelfallbeurteilung unter Würdigung sämtlicher - bekannter - Umstände. Die angegriffene Ausweisungsverfügung erweist sich auch noch zum maßgeblichen Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung unter Berücksichtigung der vom EGMR entwickelten allgemeinen Kriterien (vgl. etwa EGMR, Urteil vom 28.6.2007 - 31753/02 -, InfAuslR 2007, 325 m.w.N.) zur Bewertung, ob die Ausweisung eines Ausländers in einer demokratischen Gesellschaft notwendig ist und in einem angemessenen Verhältnis zum verfolgten Ziel steht, und unter Einbeziehung sämtlicher sich aus den Akten ergebender relevanter Umstände als rechtmäßig.

Dass der Beklagte in seinen angefochtenen Bescheiden Art und Schwere der begangenen Straftaten verkannt hätte, trägt der Kläger selbst nicht vor. Da der Kläger im Rahmen der mit Schreiben vom 12.2.2008 erfolgten Anhörung von der Möglichkeit, seine persönliche Situation und seine Belange darzustellen, keinen Gebrauch gemacht hat, konnte der Beklagte seiner Ausgangsentscheidung vom 13.3.2008 nur das zugrunde legen, was ihm aus den Akten bekannt war. Dass der Beklagte sich über die Bedeutung der Dauer des Aufenthalts im Gastland für den Kläger im Klaren war, zeigt sich darin, dass er berücksichtigt hat, dass dieser bereits am 25.3.1992 als Minderjähriger in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, hier aufgewachsen ist und den maßgeblichen Teil seiner Sozialisation erfahren hat. Darüber hinaus hat der Beklagte in der Ausweisungsverfügung festgestellt, dass der erwachsene Kläger ledig und kinderlos ist, über keine abgeschlossene Schul- und Berufsausbildung verfügt und im Zeitpunkt seiner Inhaftierung arbeitslos war. Daraus lassen sich trotz langjähriger Aufenthaltsdauer in Deutschland keine starken sozialen, kulturellen und familiären sowie keine wirtschaftlichen Beziehungen zum Gastland und - angesichts fehlender Einwände des Klägers gegen die drohende Aufenthaltsbeendigung - auch keine der Rückkehr ins Bestimmungsland entgegenstehenden Belange entnehmen. Dass der Beklagte bei dieser Sachlage dem erheblichen öffentlichen Interesse an der Vermeidung weiterer künftiger schwerer (Drogen-) Straftaten durch den Kläger den Vorrang einräumte, entspricht - auch - ordnungsgemäßer Ermessensausübung.

Zum gleichen Ergebnis gelangte auch die Widerspruchsstelle des Beklagten unter Berücksichtigung des Klägervorbringens im Widerspruchsverfahren. Sie sieht im angegriffenen Widerspruchsbescheid vom 14.7.2008 zwar auch hinreichende generalpräventive Gründe für die Ausweisung des Klägers als vorhanden an, stellt jedoch die Spezialprävention zutreffend in den Vordergrund ihrer Entscheidung. Eine "beträchtliche Wiederholungsgefahr" schließt sie zu Recht daraus, dass der Kläger in erheblichem Maße durch unerlaubte Einfuhr von und erwerbsmäßigem Handel mit sog. harten Drogen in Erscheinung getreten sei und auch seit geraumer Zeit regelmäßig selbst Drogen nehme. Sie hat zudem erkannt, dass der Kläger keine wirksamen Maßnahmen gegen seine Drogensucht ergriffen hat. Vor seiner Haftentlassung hatte er - nicht einmal von sich aus, sondern wie er selbst ausgeführt hat - entsprechend der ihm gemachten Auflage der Vollzugsplankonferenz nur Suchtberatungsgespräche wahrgenommen, während eine Therapie erst "geplant" und deren Erfolg noch völlig offen war. Daher bestand die konkrete Gefahr, dass er nach seiner Haftentlassung sein Suchtverhalten fortsetzen bzw. Wiederaufnehmen würde und durch neuerliche, ganz erheblich sozialschädliche Straftaten (Drogenhandel) finanzieren würde; diese Gefahr war nicht schon durch - die belegte Aussicht auf - eine Einstellung bei "Burger King" entkräftet. Zu Recht hat der Beklagte ferner eingehend dargelegt, dass sich der Kläger nicht mit Erfolg auf Art. 8 I EMRK berufen könne, da ihm die Integration in Deutschland nicht gelungen sei. Die Angriffe des Klägers gegen diese vom Verwaltungsgericht gebilligten Ausführungen überzeugen nicht.

Der Kläger beruft sich darauf, dass er in sozialer und gesellschaftlicher Hinsicht im Bundesgebiet "Wurzeln geschlagen" habe, wie sich aus seiner "Lebensgeschichte" ergebe. Zwar mag dies in gesellschaftlicher Hinsicht der Fall sein, da er unstreitig gute deutsche Sprachkenntnisse besitzt und aus den vorgelegten Unterlagen hervorgeht, dass er in der Haft nicht nur von seiner Familie, sondern auch von "sehr vielen Bekannten" (Protokoll der Vollzugsplankonferenz vom 10.1.2008, Bl. 37 Gerichtsakte) sporadisch bis regelmäßig besucht wurde; Näheres über den letztgenannten Personenkreis ist allerdings nicht bekannt. Was die Familie indes betrifft, ist entscheidend, dass bei Erwachsenen wie dem im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung fast 26-jährigen Kläger Bindungen an im Bundesgebiet lebende Eltern und Geschwister, auch wenn er vor seiner Haft mit ihnen zusammen gelebt hat und nach seiner Entlassung zu ihnen zurückkehren wollte, von geringerem Gewicht sind als dies bei Minderjährigen der Fall ist, die auf die elterliche Fürsorge angewiesen sind. Dass der Kläger aufgrund besonderer Umstände auf Unterstützung und Hilfe seiner Familie im Bundesgebiet angewiesen wäre, hat er selbst nicht vorgetragen und ist auch ansonsten nicht ersichtlich. Dies gilt vorliegend auch vor dem Hintergrund, dass der Kläger, wie seine Straftaten zeigen, charakterlich offensichtlich nicht gefestigt ist. Im Übrigen können Kontakte zu den Familienangehörigen auch vom Kosovo aus gehalten werden, wie die Unterstützung des Klägers durch seine Familie seit seiner Abschiebung vor zwei Jahren zeigt.

Was den Einwand des Klägers, seiner Gesamtentwicklung zum "faktischen Inländer" könne nicht seine Straffälligkeit entgegengehalten werden, da auch Inländer straffällig würden, anlangt, so übersieht er, dass es sich bei diesem Begriff lediglich um ein "Schlagwort" handelt, das den Begriff der Integration anschaulicher machen soll, diesen aber nicht ersetzen kann. Straffälligkeit als solche schließt nicht zwangsläufig eine vollzogene Integration des Ausländers aus - etwa bei einem nicht schwerwiegenden, offensichtlich einmaligen Rechtsverstoß -, ist aber grundsätzlich ein starkes Indiz für fehlende Integration, denn sie zeigt die mangelnde Bereitschaft, die deutsche Rechtsordnung als Grundlage des sozialen Zusammenlebens zu akzeptieren. Gleichwohl kann auch einem Straftäter, der sein Leben nach einer schwerwiegenden Straftat erkennbar dauerhaft ändert und straffrei führt, eine Integration in sozialer Hinsicht gelingen (vgl. hierzu OVG des Saarlandes, Urteil vom 4.2.2010 - 2 A 448/08 -: Ausweisung eines niedergelassenen, wegen Drogendelikten verurteilten Ausländers nach u.a. Drogentherapie, völliger Lösung aus Drogenmilieu, Abschluss einer Berufsausbildung, Festanstellung rechtswidrig geworden). Dem entspricht die Forderung des EGMR in seinem zu Art. 8 EMRK erstellten Kriterienkatalog, auch die seit Begehung der Delikte vergangene Zeit und das Verhalten des Betroffenen in dieser Zeit in den Blick zu nehmen. Insofern hat der Kläger zwar in der Haft ein ordnungsgemäßes Verhalten, wozu auch die dort gezeigte Drogenabstinenz rechnet, und "gute bis sehr gute Arbeitsleistungen" gezeigt; dies ist aber - unabhängig von den damit auch angestrebten Außenlockerungen - noch keine besondere "Leistung". Ansonsten hat er außer der Einhaltung der Auflage der Vollzugsplankonferenz zur Wahrnehmung von Suchtberatungsgesprächen nichts unternommen, aus dem die Umsetzung der vorgetragenen Absicht, künftig straffrei leben zu wollen, zu erkennen wäre. Er hat nicht einmal vorgetragen, dass er sich aus dem Drogenmilieu gelöst, alle entsprechenden Kontakte abgebrochen habe.

Soweit der Kläger unter Berufung auf die Rechtsprechung des EGMR die Ansicht vertritt, dass seine Kriminalität einem "Bleibeanspruch auf der Grundlage des Art. 8 EMRK" schon deshalb nicht entgegenstehen könne, weil er im Kindesalter eingereist und in Deutschland aufgewachsen sei, verkennt er, dass sich sein Fall entscheidend von dem im zitierten Urteil vom 23.6.2008 - 1638/03 -, InfAuslR 2008, 333 unterscheidet. In dieser Entscheidung hat der EGMR klargestellt, dass das Alter eines Ausländers bei Begehung der Straftat(en) hinsichtlich der Anwendung einiger der von ihm bezeichneten Kriterien eine Rolle spielen kann. Zwar betraf der dort entschiedene Fall einen jungen Erwachsenen, der - wie der Kläger - als Kind in den Aufnahmestaat eingereist war und noch keine eigene Familie gegründet hatte. Der dortige - ebenfalls - drogensüchtige Kläger hatte jedoch anders als der Kläger seine Straftaten, bei denen es sich auch nicht um Drogenhandel handelte, als Jugendlicher begangen. Daher forderte der EGMR eine Beachtung des Kindeswohls, das auch eine Pflicht, seine Resozialisierung zu erleichtern, umfasse. Außerdem hat der EGMR ausdrücklich im Bereich des Drogenhandels Verständnis für die Härte der innerstaatlichen Behörden gegenüber jenen gezeigt, die - wie der Kläger - aktiv an der Verbreitung dieser Plage beteiligt seien, während er im Hinblick auf wegen Drogenkonsums Verurteilte einen anderen Zugang gewählt hat.

Von Gewicht ist vorliegend aber auch, dass dem Kläger trotz seines langen rechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet eine wirtschaftliche Integration in die deutschen Lebensverhältnisse nicht gelungen ist. Der Kläger hat weder einen schulischen noch einen beruflichen Abschluss. Im Zeitpunkt seiner Verhaftung war er arbeitslos, während er zuvor seinen Lebensunterhalt offensichtlich zeitweise durch gewerbsmäßigen Drogenhandel finanziert hat. Anhaltspunkte dafür, dass er jemals einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen wäre, lassen sich weder seinem Vortrag noch den Verwaltungsunterlagen entnehmen. Daran, dass er in Deutschland nicht in den Arbeitsmarkt integriert war, können auch die vorgelegten Arbeitsplatzangebote nichts ändern. Die Auffassung des Klägers, dass "für einen Bleibeanspruch nach Art. 8 EMRK ... in Zeiten, in denen aufgrund allgemeiner hoher Arbeitslosigkeit die Möglichkeit der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit gering ist, starke persönliche und soziale Kontakte zum Aufnahmestaat" genügen, teilt der Senat schon deshalb nicht, weil das Bemühen um Integration der Integration nicht gleichsteht; zudem gibt es vorliegend nicht einmal Anhaltspunkte für ein entsprechendes klägerisches Bemühen in der Vergangenheit.

Nach seinen nach allem nicht durchgreifend ins Gewicht fallenden Bindungen im Bundesgebiet sind seine Beziehungen zum Heimatland in den Blick zu nehmen. Bei seiner Ausreise aus dem Kosovo im Jahre 1992 war der Kläger 8 Jahre alt. Die damals vorhandenen mündlichen Albanisch-Kenntnisse hat er durch Unterhaltungen mit seinen Eltern im Familienkreis ausweislich seiner eidesstattlichen Versicherung vom 16.4.2008 (Bl. 273 f. Ausländerakte Band II) "einigermaßen" konserviert. Der albanischen Schriftsprache ist er danach indes nicht mehr mächtig. Nach seiner Aussage verfügt er im Kosovo über keinerlei Verwandte mehr, da diese alle in Deutschland oder der Schweiz leben. Ob er im Kosovo noch auf eigene Bekannte aus seiner Kindheit zurückgreifen konnte, ist nicht bekannt. Kontakte der Familie haben aber in den Kosovo noch bestanden bzw. konnten wieder erneuert werden, denn der Kläger ist nach seiner Abschiebung im März 2008 bei einem ehemaligen Arbeitskollegen seines Vaters untergekommen. Der alleinstehende, im Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung fast 26 Jahre alte Kläger ist arbeitsfähig und daher grundsätzlich in der Lage, für seinen Lebensunterhalt in seinem Heimatland selbst zu sorgen. Im Übrigen wird er von seiner im Saarland lebenden Familie mit 80,- bis 100,- € monatlich unterstützt.

Dass dem Kläger ein Leben im Kosovo unzumutbar ist, kann entgegen seiner Meinung nicht angenommen werden. Zwar schläft er nach seinem Vortrag bei der Familie, die ihn aufgenommen hat, zusammen mit deren sechs Kindern in einem Zimmer. Eine Wohnung könne er sich wegen der hohen Mietpreise im Kosovo nicht leisten. Er werde im Kosovo als "Deutscher" diskriminiert und stigmatisiert, der in schlechten Zeiten geflohen sei und keine Solidarität mit den damals Zurückgebliebenen gezeigt habe. Als ehemaliger Flüchtling habe er keine Chance, einen der wenigen Arbeitsplätze zu finden, zumal er die dortige Sprache nicht beherrsche. Sprache sei und bleibe aber Voraussetzung dafür, dass ein Mensch am Wirtschaftsleben teilnehmen könne. Er führe ein Leben am Rande der Obdachlosigkeit und des Existenzminimums. Es gebe im Kosovo für ihn keine Lebens- und Überlebensperspektive.

Die Schlussfolgerung fehlender Lebens- und Überlebensperspektive rechtfertigt der Vortrag des Klägers jedoch nicht, wie das Verwaltungsgericht zutreffend erkannt hat. Zunächst ist festzustellen, dass sich der Kläger im gesamten Verfahren - und auch in seinem Zulassungsantrag trotz des entsprechenden Hinweises des Verwaltungsgerichts - nicht dazu geäußert hat, was er bisher unternommen hat, um im Kosovo wieder Fuß zu fassen. Dass es angesichts der angespannten Lage in seinem Heimatland nicht einfach ist, eine Arbeit zu finden, ist gerichtsbekannt. Es muss aber sehr verwundern, wenn der Kläger, der seine ersten acht Lebensjahre im Kosovo verbracht hat und im Zeitpunkt der Ausweisung nach eigenen Angaben mit seinen Eltern, beide albanische Volkszugehörige, noch "einigermaßen" albanisch sprechen konnte, nunmehr in seinem Zulassungsantrag nach einem einjährigen Aufenthalt in einer kosovarischen Familie im Kosovo behauptet, er "beherrsche" diese Sprache nicht und könne deshalb nicht am Wirtschaftsleben teilnehmen. Bei den beruflichen Tätigkeiten, die sich für einen "ungelernten" jungen Mann mit - wie die vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgelegten, dem Internet entnommenen Fotos belegen - genügend Muskelkraft aufdrängen, dürften perfekte mündliche Albanisch-Kenntnisse wohl kaum erforderlich sein. Im Übrigen müsste er, da er noch keine Arbeit gefunden hat, Zeit gehabt haben, seine Sprachkenntnisse - auch die schriftlichen - aufzufrischen und mit Hilfe der Familie, die ihn aufgenommen hat, sich im Kosovo wieder einzugewöhnen. Dass er durch sein mit mehr oder weniger Fehlern behaftetes Albanisch als "Fremder" - oder "Deutscher" - auffällt, ist verständlich; deshalb mag er auch gewissen Anfeindungen ausgesetzt sein. Es ist aber nicht nachvollziehbar, dass ihm, der seinerzeit als Achtjähriger schließlich nicht selbst den Ausreiseentschluss gefasst haben kann, mangelnde Solidarität vorgeworfen werden soll. Insgesamt lässt dieser Vortrag jedenfalls kein ernstliches Bemühen um Arbeit erkennen, so dass weder die Schilderung seiner finanziellen Situation noch seine Darlegungen zu den beengten Wohnverhältnissen im Kosovo, die durch ein eigenes Einkommen oder höhere Transferleistungen der Familie oder möglicherweise schon durch Umzug in ein Zimmer bei einer anderen Familie gebessert werden können, geeignet sind, unzumutbare Lebensbedingungen im Kosovo darzutun.

Nach allem unterliegt die Verhältnismäßigkeit der Ausweisung keinen durchgreifenden Bedenken. [...]