SG Oldenburg

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Zitieren als:
SG Oldenburg, Beschluss vom 24.06.2010 - S 26 AY 50/10 ER - asyl.net: M17365
https://www.asyl.net/rsdb/M17365
Leitsatz:

Der bloße Verweis auf den sparsamen und sorgfältigen Umgang mit Steuergeldern reicht zur Anordnung des Sofortvollzugs zur Wahrnehmung einer Arbeitsgelegenheit gemäß § 5 AsylbLG nicht aus.

Schlagwörter: Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, Arbeitsgelegenheit, Sofortvollzug, Suspensiveffekt, Recht auf Bildung
Normen: AsylbLG § 5, EMRK Art. 4 Abs. 2, SGG § 86a Abs. 2 Nr. 5, SGG § 86a Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Auszüge:

[...]

Im vorliegenden Verfahren war die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 86a Abs. 2 Ziffer 5 SGG in der gegebenen Form rechtswidrig. Nach § 86a Abs. 2 Ziffer 5 SGG entfällt die aufschiebende Wirkung in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen hat oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet. An diese Begründung sind hohe Anforderungen zu stellen. Damit, dass in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich dem Widerspruch aufschiebende Wirkung zukommt, hat der Gesetzgeber eine Wertentscheidung dahin getroffen, dass grundsätzlich das Vollzugsinteresse hinter dem Interesse des durch den Verwaltungsakt Betroffenen zurückzustehen hat. Aus diesem Grunde bedarf die Vollziehungsanordnung der Begründung, aus der hervorgehen muss, warum das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes in diesem besonderen Fall andere Interessen überwiegt. [...]

Diesen Kriterien genügt die Begründung der Vollziehungsanordnung im Bescheid vom 22.04.2010 in keiner Weise. Die im Teil 1 dieses Beschlusses zitierten Teile der Anordnung der sofortigem Vollziehung stellen die einzigen von der Antragsgegnerin abgegebenen Erwägungen zur Vollziehungsanordnung dar. Die Antragsgegnerin führt insoweit aus, dass es im öffentlichen Interesse sei, wenn Asylleistungen, die aus Steuermitteln erbracht würden, nur Personen zufließen würden, die auch anspruchsberechtigt seien. Vor diesem Hintergrund sei die Verwaltung zum sparsamen und sorgfältigen Umgang mit Steuergeldern verpflichtet und müsse ausschließen, dass für die Zukunft weiter zu Unrecht Leistungen gezahlt würden.

Der sparsame Umgang mit Steuermitteln kann als Argument für die Anordnung der sofortigen Vollziehung im vorliegenden Verfahren nicht angebracht werden, weil durch die angebotene Arbeitsgelegenheit Steuermittel nach dem AsylbLG nicht erspart werden. Vielmehr sind diese auch neben den Einkünften aus der Arbeitsgelegenheit weiterhin in vollem Umfang zu zahlen, so dass fiskalische Interessen durch die gebotene Arbeitsgelegenheit allenfalls mittelbar berührt werden.

Inwieweit die Fürsorgepflicht der staatlichen Stellen dem Asylbewerber gegenüber die Verpflichtung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung begründen könnte, erschließt sich dem erkennenden Gericht nicht. Wenn die sofortige Vollziehung nicht angeordnet würde und der Antragsteller während des laufenden Widerspruchsverfahrens eine Arbeitsgelegenheit nicht wahrnimmt, könnte die Antragsgegnerin an diese Weigerung keine Rechtsfolgen knüpfen, so dass auch Rückforderungsansprüche nicht entstehen könnten. Der Antragsgegner schafft mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung vielmehr erst die rechtlichen Voraussetzungen dafür, dass die Verweigerung der Arbeitsgelegenheit die Möglichkeit zum Erlass eines Kürzungsbescheides gibt. Die Fürsorgepflicht für den Asylbewerber kann damit unter keinem Gesichtspunkt als Argument angeführt werden, weshalb die sofortige Vollziehung anzuordnen ist.

Eine Abwägung in der Vollziehungsanordnung, die die Interessen des Antragstellers z.B. auf Besuch eines Deutschkurses berücksichtigt, sind der Begründung nicht zu entnehmen. Sie können auch nicht im Rahmen des einstweiligen Anordnungsverfahrens nachgeholt werden, in dem der Antragsgegner ausführt, dass auf die Arbeitsverpflichtung verzichtet wird, soweit dem Antragsteller z.B. eine Beschäftigung auf dem Arbeitsmarkt erhält oder einen Deutschkurs besucht. Der Begründungszwang für die Anordnung der sofortigen Vollziehung erfordert, dass solche Abwägungen in der Vollziehungsanordnung selbst vorgenommen werden. Ist dieses unterblieben, macht es die Vollziehungsanordnung rechtswidrig, so dass diese aufzuheben ist. [...]