VG Sigmaringen

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Zitieren als:
VG Sigmaringen, Urteil vom 24.02.2010 - A 1 K 3310/09 - asyl.net: M17430
https://www.asyl.net/rsdb/M17430
Leitsatz:

Keine Gruppenverfolgung von Yeziden im Irak.

Schlagwörter: Asylverfahren, Flüchtlingsanerkennung, Irak, Yeziden, Gruppenverfolgung,
Normen: AufenthG § 60 Abs. 1
Auszüge:

[...]

a) Der Kläger hat bei seiner Anhörung durch das Bundesamt erklärt, er sei Yezide, und sich darauf berufen, dass die Lage für Yeziden im Heimatland schlecht sei, sie von den Muslimen als unrein betrachtet und verachtet würden und sie deshalb keine Arbeit fänden. Er selbst sei in seiner Heimat nicht bedroht worden. Mit diesem Vortrag hat der Kläger keine individuelle Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG dargelegt. Er hat keine Bedrohung geschildert, die auf ihn persönlich gezielt hat. Er hat nur Umstände angeführt, die ihn als Angehörigen der Gruppe der Yeziden allgemein treffen. Da der Kläger keine individuelle Verfolgung in Anknüpfung an seine Zugehörigkeit zu den Yeziden dargelegt hat, kann offen bleiben, ob der Kläger ein Yezide ist, was von der Beklagten bestritten wird. b) Da Yeziden keiner Gruppenverfolgung unterliegen, kann auch in diesem Zusammenhang offen bleiben, ob der Kläger ein Yezide ist. [...]

Ein staatliches Verfolgungsprogramm in Bezug auf die Yeziden liegt nach den vorliegenden Auskünften nicht vor. Das Auswärtige Amt führte im Lagebericht Irak (Stand August 2009, Seite 15/16) dazu aus, dass eine unmittelbare Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnische Minderheiten durch staatliche Behörden nicht in systematischer Weise stattfinden. Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm ergeben sich auch nicht aus sonstigen Auskünften. Hinweise für ein Verfolgungsprogramm nichtstaatlicher Akteure, die zur Umsetzung eines solchen Programms in der Lage wären, sind ebenfalls nicht vorhanden. Gegen ein staatliches Verfolgungsprogramm spricht auch die Aussage im "International Religious Freedom Report" des US-Außenministeriums vom 26.10.2009 (Seite 1), wonach sich die Regierung seit 2003 im Allgemeinen nicht an der Verfolgung irgendeiner religiösen Gruppe beteiligt habe. ("Since 2003 the Government generally has not engaged in the persecution of any religious group and has called for tolerance and acceptance of all religious minorities".)

Die Verfolgungsmaßnahmen gegen die Yeziden erreichen im Übrigen auch nicht die erforderliche Dichte für die Feststellung einer Gruppenverfolgung. Aufgrund der vorliegenden Erkenntnisse geht die Kammer davon aus, dass in der zentralirakischen Provinz Ninive ca. 500.000 Yeziden leben. Das Auswärtige Amt spricht in seinem Lagebericht Irak (Stand August 2009, Seite 22) von 200.000- 600.000 Personen. Andere Quellen gehen von 500.000 Yeziden (UK Border Agency, Country of Origin Report Iraq, 10.12.2009, Rdnr. 21.55; Bundesasylamt der Republik Österreich <BAA>, Die Sicherheitslage der Jesiden im Irak, 04.11.2009, Seite 8) aus. Von diesen leben etwa zwei Drittel in der Gebirgsregion von Sinjar und etwa ein Drittel im Distrikt Sheikan. Ein kleinerer Teil der Yeziden lebt in den kurdischen Nordprovinzen des Irak bzw. in Großstädten des Irak.

Über die im Folgenden aufgezählten Maßnahmen gegen die Yeziden wird in den vorliegenden Auskünften berichtet. Die Gesellschaft für bedrohte Völker weist in ihrem Bericht, "Die Yezidi im Irak", November 2007, darauf hin, dass Übergriffe auf Yeziden von keiner neutralen Stelle dokumentiert werden. Aus Angst vor Schikanen und Repressionen brächten die Betroffenen selbst Gewalttaten gegen sich nicht zur Anzeige. Die Darstellung erhebe daher keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die meisten Opfer von Morden und Anschlägen seien Männer. Dies dürfe nach der Auffassung der Gesellschaft für bedrohte Völker vor allem darauf zurückzuführen sein, dass yezidische Frauen kaum noch in der Öffentlichkeit erschienen. [...]