Ablehnung eines Eilantrags gegen eine Dublin-Überstellung nach Griechenland.
1. Es liegt kein Ausnahmetatbestand vom Konzept der normativen Vergewisserung vor. Dem griechischen Staat ist weder von nationalen noch supranationalen Stellen bislang generell die Eignung zur Durchführung von Asylverfahren abgesprochen worden. Der Antragsteller konnte keine hinreichend konkrete individuelle Gefährdung in Griechenland darlegen.
2. § 34a Abs. 2 AsylVfG verbietet nur die Aussetzung der Abschiebung nach § 80 oder § 123 VwGO, nicht aber den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG.
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Die vom Antragsteller gestellten Anträge, der Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Abschiebung des Antragstellers gemäß § 34a Abs. 1 AsylVfG anzuordnen, hilfsweise die Antragsgegnerin verpflichten, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig auszusetzen und ihr aufzugeben, der zuständigen Ausländerbehörde mitzuteilen, dass eine Abschiebung des Antragstellers nach Griechenland vorläufig nicht durchgeführt werden darf, bleiben ohne Erfolg, denn nach § 34a Abs. 2 AsylVfG darf eine Abschiebung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG nicht gemäß § 80 oder§ 123 VwGO ausgesetzt werden, so dass auch eine Verpflichtung zur Unterlassung einer Abschiebungsanordnung nicht in Betracht kommt.
Die genannte Vorschrift ist zwar einer verfassungskonformen Auslegung zu unterziehen. Eine vorläufige Untersagung der Abschiebung nach § 123 VwGO kann danach ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn der Ausländer plausibel geltend machen kann, bei einer Zurückführung in den Drittstaat individuell gefährdet zu sein. An die Darlegung einer solchen individuellen Gefährdung im Einzelfall sind indes strenge Anforderungen zu stellen (vgl. BVerfG, Urteil vom 14.05.1996 - 2 BvR 1938, 2315/93 -, BVerfGE 94, 49, 100).
Nicht ausreichend ist es daher, zur Begründung des Aussetzungsantrags auf den allgemein schlechten Zustand des Asylwesens in Griechenland zu verweisen. Der europäische Verordnungsgeber wie das Grundgesetz gehen davon aus, dass Griechenland als Mitgliedstaat der Europäischen Union geeigneter und vollwertiger Teilnehmer des durch die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vom 18.02.2003 etablierten Verfahrens bzw. sicherer Drittstaat im Sinne des Art. 16a Abs. 2 Satz 1 GG i.V.m. § 26a AsylVfG ist. Dieses Konzept der sogenannten normativen Vergewisserung über die Sicherheit im Drittstaat darf nicht dadurch umgangen werden, dass unter Hinweis auf allgemein defizitäre Zustände des Asylwesens im betroffenen Mitgliedstaat die Zuständigkeitsordnung der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 - Dublin II außer Kraft gesetzt wird. Nur in Fällen, die ihrer Eigenart nach nicht im Rahmen des Konzepts der normativen Vergewisserung berücksichtigt werden können und damit von vornherein außerhalb der Grenzen liegen, die der Durchführung eines solchen Konzepts aus sich selbst heraus gesetzt sind, könnte entgegen der ausdrücklichen Regelung des § 34a Abs. 2 AsylVfG vorläufiger Rechtsschutz gewährt werden. Das kann zum einen dann der Fall sein, wenn ein Antragsteller hinreichend substantiiert vorträgt, aufgrund seiner individuellen Verhältnisse im Drittstaat mit hinreichender Wahrscheinlichkeit einer konkreten Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt zu sein. Zum anderen kann das Konzept normativer Vergewisserung dann nicht greifen, wenn die allgemeinen Zustände des Asylsystems im Drittstaat offensichtlich derart unerträglich geworden sind, dass das Konzept dadurch ohne weiteres ad absurdum geführt wird. Eine verbindliche Feststellung hierüber zu treffen, wäre allerdings vorrangig Aufgabe des nationalen bzw. supranationalen Gesetzgebers. Diese Ausnahmetatbestände sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Dem griechischen Staat ist weder von nationalen noch supranationalen Stellen bislang generell die Eignung zur Durchführung von Asylverfahren unter Einhaltung von Minimalstandards abgesprochen worden noch haben die Antragsteller einen Sachverhalt vorgetragen, der es gerechtfertigt erscheinen ließe, eine hinreichend konkrete Gefährdung gerade ihrer Person in Griechenland aufgrund individueller Umstände anzunehmen. Dies folgt auch nicht aus den Ausführungen in der ergänzenden Mitteilung der Europäischen Kommission an das Bundesverfassungsgericht vom 28.07.2010.
Den Anträgen ist auch nicht deshalb stattzugeben, weil das Bundesverfassungsgericht in einer Reihe von Entscheidungen (z.B. Beschlüsse vom 22.12.2009 - 2 BvR 2879/09 -, vom 13.11.2009 - 2 BvR 2603/09 - und vom 08.09.2009 - 2 BvQ 56/09 -, DVBl. 2009, 1304) die Überstellung von Asylbewerbern nach Griechenland auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 vorläufig untersagt hat. § 34a Abs. 2 AsylVfG verbietet es nur, die Abschiebung nach § 80 oder § 123 VwGO aussetzen, nicht aber, eine einstweilige Anordnung nach § 32 Abs. 1 BVerfGG zu treffen. Dass § 34a Abs. 2 AsylVfG mit der Verfassung nicht in Einklang steht, kann den vorgenannten Entscheidungen nicht entnommen werden. Dort wird nur festgestellt, dass eine auf die Verletzung von Art. 2 Abs. 2 Satz 1 und Art. 19 Abs. 4 GG gestützte anhängige bzw. noch zu erhebende Verfassungsbeschwerde nicht offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist. [...]