VG Minden

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Zitieren als:
VG Minden, Urteil vom 21.06.2010 - 7 K 1817/09 - asyl.net: M17436
https://www.asyl.net/rsdb/M17436
Leitsatz:

Anspruch auf Umzug (Änderung der Wohnsitzauflage) für Mutter und Kind zum Kindsvater trotz Bezugs von öffentlichen Leistungen. Der durch Art. 6 GG vermittelte Schutz der Familie ist vorrangig gegenüber fiskalischen Interessen der Stadt Oberhausen.

Schlagwörter: Wohnsitzauflage, Umverteilung, Schutz von Ehe und Familie, Eltern-Kind-Verhältnis, gemeinsames Sorgerecht, Nebenbestimmung, Auflage, räumliche Beschränkung, SGB II, SGB XII, Aufenthaltserlaubnis, Kindeswohl, Ermessen
Normen: AufenthG § 12 Abs. 2 S. 2, GG Art. 6
Auszüge:

[...]

Die Klägerin hat einen Anspruch darauf, dass ihr und ihrem Sohn ... ein rechtmäßiger Aufenthalt in Oberhausen ermöglicht wird, so dass sie dort zusammen mit ihrem Kind leben kann, um dort die gemeinsame Erziehung und Betreuung des Kindes durch seine Eltern leichter sicherstellen zu können, als es bei dem gegenwärtigen Wohnsitz der Klägerin in Rietberg möglich Ist.

Zwar ist insoweit richtig, dass selbst bei einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 AufenthG Auflagen, insbesondere eine räumliche Beschränkung angeordnet werden können. Insoweit ist anerkannt, dass eine wohnsitzbeschränkende Auflage insbesondere bei Ausländern erforderlich sein kann, soweit und solange sie Leistungen nach dem AGB II oder SGB XII oder dem Asylbewerberleistungsgesetz beziehen (vgl. dazu etwa Kloesel/Christ/Häußer, Deutsches Aufenthalts- und Ausländerrecht. Stand: April 2008, § 12 AufenthG, Rdnr. 39).

Des Weiteren weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass er in dem hier vorliegenden Fall angesichts der Weigerung des Beigeladenen, einem Zuzug der Klägerin und ihres Kindes nach Oberhausen zuzustimmen, aus rechtlichen Gründen gehindert war, eine Abänderung der Wohnsitzauflage vorzunehmen.

In der Sache selbst zeigt sich hier jedoch, dass die Weigerung des Beigeladenen und die darauf begründete Ablehnung der Anträge der Klägerin durch den Beklagten rechtswidrig sind, da hier der durch Art. 6 Grundgesetz vermittelte Schutz der Familie vorrangig ist und er auch die offensichtlich allein fiskalischen Interessen des Beigeladenen überwindet. Nach dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge ist nämlich zum einen davon auszugehen, dass für das Kind der Klägerin die gemeinsame elterliche Sorge besteht, die durch Erklärung vom 11.12.2007 begründet worden ist. Ferner bestehen keinerlei Anzeichen dafür, dass der Vater des Kindes der Klägerin nicht gewillt ist, diese elterliche Sorge auch tatsächlich auszuüben, wobei er nachvollziehbar darlegen konnte, dass und warum es für ihn schwierig ist, den regelmäßigen Kontakt zu seinem in Rietberg lebenden Sohn aufrechtzuerhalten. Ebenso ist nachvollziehbar, dass die von öffentlichen Mitteln lebende Klägerin und ihr Sohn nicht über die finanziellen Mittel verfügen, regelmäßig nach Oberhausen oder Mühlheim zu fahren, um so eine Betreuung des Kindes auch durch seinen Vater sicherstellen zu können. Hierbei ist dann zum einen auch ohne rechtliche Bedeutung, dass die Klägerin und der Vater ihres Sohnes nicht verheiratet sind, da insoweit das Recht des Kindes auf Betreuung auch durch seinen Vater, das durch Artikel 6 Grundgesetz geschützt wird, vorgeht. Jedenfalls bei der hier gegebenen räumlichen Situation steht denn Anspruch der Klägerin auch nicht entgegen, dass sie nach Oberhausen ziehen will, nicht jedoch zum Wohnort des Vaters des Kindes, nämlich nach Mühlheim. Es zeigt sich nämlich, dass die räumliche Entfernung zwischen Mühlheim und Oberhausen jedenfalls deutlich geringer ist, als die zwischen Mühlheim und Rietberg, so dass selbst dann, wenn die Klägerin und der Vater des Kindes in zwei verschiedenen Städten leben, der regelmäßige Kontakt des Vaters zu seinem Sohn im Interesse einer gemeinsamen Erziehung durch Mutter und Vater leichter sicherzustellen ist als bei der gegenwärtigen räumlichen Trennung.

Jedenfalls bei Berücksichtigung dessen, dass zum einen der Vater des Kindes über eine Niederlassungserlaubnis verfügt und zum anderen die Klägerin selbst über eine Aufenthaltserlaubnis, kann der Beigeladene, soweit ihm überhaupt ein Ermessen in dieser Frage zustehen sollte, dieses nur dahingehend ausüben, dass er die für eine rechtmäßige Entscheidung des Beklagten erforderliche Zustimmung zur Änderung der Wohnsitzauflage erteilt. Diese Zustimmung war daher durch die gerichtliche Entscheidung zu ersetzen und infolge dessen der Beklagte zu verpflichten, die Wohnsitzauflage in der Aufenthaltserlaubnis der Klägerin bzw. ihres Sohnes in der beantragten Weise zu ändern. [...]