Zur Feststellung der Reisefähigkeit bei psychischer Erkrankung (Suizidgefahr): Eine abstrakte oder pauschale Zusicherung von Vorkehrungen gegen einen Suizid genügt nicht. Es ist zunächst immer eine fundierte und genaue Erfassung des Krankheitsbildes und der aktuellen Gefahrenlage durch eine persönliche fachärztliche Untersuchung erforderlich.
[...] Dass sämtliche vorgenannten gutachterlichen/ärztlichen Äußerungen aus neuerer Zeit von vornherein nicht stichhaltig seien, lässt sich entgegen der Ansicht des Antragsgegners nicht begründen. Angesichts der dargestellten keineswegs eindeutigen Gutachtenlage drängt es sich vielmehr auf, dass der Antragsgegner die Antragstellerin durch den eigenen gesundheitsärztlichen Dienst nochmals untersuchen lässt oder einen Facharzt für Psychiatrie/Psychotherapie beauftragt, um jeweils eine gesicherte und tragfähige aktuelle Beurteilung des Krankheitsbildes, der Selbsttötungsgefahr und der Reisefähigkeit zu erhalten. Dabei wäre wichtig, dass in jedem Falle eine persönliche Untersuchung der Antragstellerin durch den betreffenden Gutachter erfolgt. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass die von Herrn ... abgegebene Stellungnahme vom 1. Februar 2009 offenbar erfolgt ist, ohne dass dieser die Antragstellerin persönlich kennengelernt/erlebt hat ("... anhand und ausschließlich aufgrund der zur Verfügung gestellten Unterlagen ... wird hiermit ... die folgende Bescheinigung gegeben ..."). Bereits deswegen erscheint die von Herrn ... abgegebene Stellungnahme in ihrem Aussagewert erheblich gemindert. Dem Erfordernis neuer und aktueller Begutachtung steht nicht entgegen, dass Herr ... eine zwangsweise Rückführung für den Fall als möglich erachtet hat, dass eine Arzt- und Sicherheitsbegleitung bei einer Rückführung, die Übergabe an medizinische Hilfekräfte und die Möglichkeit zur stationären Aufnahme im Heimatland bestünde. Auch reicht die Nachricht der ZAB Bielefeld vom 22. April 2009 an den Antragsgegner (bereitstehender Arzt am Ankunftsflughafen) nicht aus, um von einer neuen Begutachtung Abstand zu nehmen. Denn die Frage, welche konkreten Maßnahmen im einzelnen bei der Gestaltung der Abschiebung wie ärztliche Hilfe bis hin zur Flugbegleitung und ggfls. Übergabe in ärztliche Obhut am Zielort erforderlich und ausreichend sind, um einer ernsthaften Suizidgefahr wirksam zu begegnen, damit eine Abschiebung verantwortet werden kann, lässt sich erst aufgrund einer möglichst fundierten und genauen Erfassung des (aktuellen) Krankheitsbildes und der Gefahrenlage beantworten. Eine abstrakte oder pauschale Zusicherung von Vorkehrungen wird dem gebotenen Schutz aus Art. 2 Abs. 2 GG wie auch dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht gerecht (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 9. Mai 2007 (s.o.), und vom 17. Mai 2010 - 19 B 790/09 - (letzterer betreffend einen ähnlich gelagerten, von der Kammer als Vorinstanz mit Beschluss vom 15. Mai 2009 - 5 L 1033/08 - entschiedenen Fall - ... - ebenfalls aus dem Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners)).
Eine solche fundierte und genaue Erfassung des Krankheitsbildes und der aktuellen Gefahrenlage bezüglich der Antragstellerin nach einer persönlichen Untersuchung seitens der Gutachter erscheint unentbehrlich, bevor durch Abschiebung vor Entscheidung des Hauptsacheverfahrens vollendete Tatsachen geschaffen werden. Im o.g. Fall 5 L 1033/08, zu dem das vorliegende Verfahren deutliche Parallelen (gerade auch bezüglich eines bloßen "Aktengutachtens" von ... aufweist, hatte das OVG NRW in seiner entsprechenden Beschwerdeentscheidung vorn 17. Mai 2010 - 19 B 700/09 -, den vom Verwaltungsgericht seinerzeit gemachten Vorschlag der Veranlassung einer amtsärztlichen Begutachtung ausdrücklich als "sinnvoll" erachtet,
Der erforderliche Anordnungsgrund nach § 123 VwGO folgt aus dem Umstand, dass der Antragsgegner eine "Stillhaltezusage" nur für die Dauer des erstinstanzlichen Eilverfahrens abgegeben hat und offenbar den Abschluss des Hauptsacheverfahrens nicht abwarten will. [...]