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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 20.10.2010 - 5339731-225 - asyl.net: M17723
https://www.asyl.net/rsdb/M17723
Leitsatz:

Flüchtlingsanerkennung eines äthiopischen Staatsangehörigen wegen exilpolitischer Betätigung für die CUDP in Deutschland. Keine Asylanerkennung, da die politischen Aktivitäten in Äthiopien nicht glaubhaft gemacht wurden (§ 28 Abs. 1 AsylVfG).

Schlagwörter: Asylverfahren, Asylanerkennung, Flüchtlingsanerkennung, Äthiopien, Kinjit, CUDP, Vorverfolgung, Nachfluchtgründe, Exilpolitik, subjektive Nachfluchtgründe,
Normen: GG Art. 16a Abs. 1, AufenthG § 60 Abs. 1, AsylVfG § 28 Abs. 1
Auszüge:

[...]

Der Antragsteller, äthiopischer Staatsangehöriger vom Volk der Gurage und christlich-orthodoxen Glaubens, reiste am 18.06.2007 mit einem deutschen Visum auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte am 14.08.2008 seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Die persönliche Anhörung beim Bundesamt erfolgte am 18.08.2008. Zur Begründung seines Asylantrages gab der Antragsteller im Wesentlichen an, in Äthiopien wegen Mitgliedschaft in der Kinijit verfolgt worden zu sein. Er sei sehr engagiert gewesen und habe T-Shirts und Flugblätter für die Partei verteilt. Seit November 2005 werde er verfolgt, die offizielle Mitgliedschaft habe er im Jahr 2006 erworben. Soldaten seien im November 2005 zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihm gesagt, er müsse getötet werden, weil er Mitglied der Partei sei. Sie würden am folgenden Tag wieder kommen. Sie seien wöchentlich zu ihm nach Hause gekommen. Er habe eine Zeitlang versteckt gelebt, sei aber immer wieder nach Hause zurückgekehrt, damit sein Bruder nicht festgenommen werde. Im Jahr 2005 habe er sich 10 Tage in einer Kirche versteckt. Er habe sich mehrmals in verschiedenen Kirchen versteckt. Schließlich habe er eine in Deutschland lebende Äthiopierin kennengelernt, die ihm mit Hilfe einer Eheschließung habe helfen wollen. Am ... habe er in Addis Abeba zum Schein geheiratet. Er habe Leute beauftragt, die die Formalitäten für eine Ausreise mit Hilfe von Bestechungsgeldern erledigt hätten. Am 17.06.07 sei er mit seinem Pass und einem Visum der Deutschen Botschaft von Addis Abeba nach Frankfurt abgeflogen.

In Deutschland habe er sich weiter für seine Partei politisch betätigt. Er habe an Versammlungen teilgenommen und sei in Rüsselsheim und Umgebung Koordinator der Partei. Zum Nachweis übergab der Antragsteller eine Bescheinigung der Kinijit (CUDP) Gemany Branch vom 28.07.08. [...]

1. Der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG wird abgelehnt. [...]

Die Glaubhaftmachung der behaupteten politischen Verfolgung setzt, entsprechend der Mitwirkungspflicht im Asylverfahren, einen schlüssigen Sachvortrag voraus, d.h. unter Angaben genauer Einzelheiten muss der Ausländer einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung und verständiger Würdigung die Gefahr politischer Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ergibt. Hierzu gehört die lückenlose Schilderung der in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse, insbesondere der persönlichen Erlebnisse (vgl. BVerwG, Beschluss vom 26.10.1989, NVwZ-RR 1990, 379 und Urteil vom 10.05.1994, NVwZ 1994, 1123). Die wahrheitsgemäße Schilderung eines realen Vorganges ist dabei erfahrungsgemäß gekennzeichnet durch Konkretheit, Anschaulichkeit und Detailreichtum.

Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag kann dem Ausländer nur geglaubt werden, wenn die Widersprüche und Ungereimtheiten überzeugend aufgelöst werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.02.1988, EZAR 630 Nr. 25 und Beschluss vom 21.07.1989, NVwZ, 1990, 171).

Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Antragstellers nicht. Seine Angaben über seine politischen Aktivitäten in Äthiopien und eine erlittene Verfolgung sind im Wesentlichen zu vage und lebensfremd, um glaubhaft zu sein. Die Angaben des Antragstellers über die Partei sind oberflächlich und gehen über die Behauptung, die Partei habe gute Ziele und strebe nach Einheit und Demokratie, nicht hinaus. Auch zu persönlichen Aktivitäten und zu seiner Mitgliedschaft befragt, antwortete der Antragsteller nur allgemein, so dass nicht der Eindruck entstand, der Antragsteller berichte über tatsächlich Erlebtes. Wenig nachvollziehbar ist das angebliche Vorgehen der Sicherheitskräfte und das Verhalten des Antragstellers. Der Antragsteller behauptet, die Sicherheitskräfte seien seit November 2005 immer wieder, wöchentlich, zu ihm gekommen und hätten gedroht, ihn zu töten. Er habe daraufhin auch häufiger für einige Zeit in Kirchen versteckt gelebt. Wenn der Antragsteller sich aber derart bedroht gefühlt hätte, ist nicht verständlich, weshalb er nicht nur immer wieder nach Hause zurückkehrte, sondern sogar anschließend, im Jahr 2006, die offizielle Mitgliedschaft der Kinjit erwarb. Hätten die Sicherheitskräfte tatsächlich ein Verfolgungsinteresse an seiner Person gehabt, so hätten sie ihn nicht über einen längeren Zeitraum hinweg immer wieder aufgesucht und es bei Drohungen belassen, vor allem nicht, nachdem der Antragsteller mehrmals abgetaucht war. Gegen eine tatsächliche Verfolgung des Antragstellers und gegen eine Verfolgungsfurcht spricht auch die legale Ausreise des Antragstellers. Der Antragsteller ist mit seinem eigenen, erst im Jahr 2006 ausgestellten Pass über den Flughafen in Addis Abeba ausgereist.

Ein Staat, der die Verfolgung einer ihm politisch missliebigen Person beabsichtigt, wird in aller Regel geeignete Maßnahmen ergreifen, um dieser Person auch habhaft zu werden. Der Verfolgerstaat wird deshalb insbesondere alles unternehmen, um ein Verlassen seines Staatsgebietes und damit seines Zugriffsbereiches durch die Person zu unterbinden. Behördliche Maßnahmen, die es dem angeblich Verfolgten dagegen erst ermöglichen, sich dem Zugriff des Staates zu entziehen, wie z.B. die Ausstellung oder Verlängerung der Gültigkeit eines Reisepasses sowie die Gewährung der legalen Ausreise über einen offiziellen Grenzübergang, sind daher regelmäßig als Indiz dafür zu werten, dass eine staatliche Verfolgungsabsicht tatsächlich nicht besteht. [...]

Aus den genannten Gründen wird bezweifelt, dass der Antragsteller sein Heimatland verfolgt verlassen hat.

Soweit der Antragsteller sich auf Nachfluchtgründe beruft, führen diese nicht zu einer Anerkennung als Asylberechtigter. Die exilpolitischen Aktivitäten des Antragstellers stellen keine beachtlichen Nachfluchtgründe dar.

Eine Anerkennung als Asylberechtigter erfolgt in der Regel nicht, wenn die Gefahr politischer Verfolgung auf Umständen beruht, die der Ausländer nach Verlassen seines Herkunftslandes aus eigenem Entschluss geschaffen hat (sog. subjektive Nachfluchtgründe), es sei denn, dieser Entschluss entspricht einer festen, bereits im Herkunftsland erkennbar betätigten Überzeugung. Dies gilt allerdings nicht, wenn der Ausländer sich auf Grund seines Alters und Entwicklungsstandes im Herkunftsland noch keine feste Überzeugung bilden konnte (§ 28 Abs. 1 AsylVfG). [...]

Nach den obigen Ausführungen hat der Antragsteller politische Aktivitäten in Äthiopien nicht glaubhaft gemacht, so dass seine exilpolitischen Aktivitäten sich nicht als Ausdruck und Fortführung einer schon während des Aufenthalts im Heimatstaat vorhandenen und erkennbar betätigten festen Überzeugung darstellen.

2. Dem Antrag wird entsprochen, soweit die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft begehrt wurde.

Voraussetzung für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist gern. § 60 Abs. 1 AufenthG zunächst die Prüfung, ob eine politische Verfolgung vorliegt. Insoweit entspricht die Regelung des § 60 Abs. 1 AufenthG den Anerkennungsvoraussetzungen nach Art. 16 a Abs. 1 GG. [...]

Aufgrund des von ihm geschilderten Sachverhaltes und der hier vorliegenden Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die Furcht des Ausländers, im Falle einer Rückkehr nach Äthiopien zum gegenwärtigen Zeitpunkt Verfolgungsmaßnahmen i.S. von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt zu sein, begründet ist. [...]