OLG Oldenburg

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Zitieren als:
OLG Oldenburg, Beschluss vom 20.03.2002 - 5 W 40/02 - asyl.net: M1791
https://www.asyl.net/rsdb/M1791
Leitsatz:

Keine Sicherungshaft gem. 57 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 AuslG wegen Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht aufgrund illegaler Einreise, wenn der Ausländer über zwei Jahre nach Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht erfolglos einen Asylfolgeantrag stellt, weil die Ausreisepflicht dann auf der Entscheidung des BAFl beruht; das LG muss vor der Entscheidung über die sofortige Beschwerde gegen die Haftanordnung des AG den Ausländer selbst anhören, wenn sich die Verfahrenslage nach der Entscheidung des AG erheblich verändert hat, etwa durch Ablehnung eines Asylfolgeantrages(Leitsatz der Redaktion).

Schlagwörter: D (A), Abschiebungshaft, Unerlaubte Einreise, Folgeantrag, Ausreisepflicht, Vollziehbarkeit, Abschiebungsandrohung, Abschiebungsvereitelung, Sachaufklärungspflicht, Anhörung, Sofortige weitere Beschwerde
Normen: AuslG § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 1; AuslG § 57 Abs. 2 S. 1 Nr. 5; AsylVfG § 71 Abs. 5 S. 2
Auszüge:

 

Die Verhängung von Sicherungshaft läßt sich hier nicht auf § 57 Abs. 2 S. 1 Ziff. 1 AuslG stützen, weil die unerlaubte Einreise nicht ursächlich für die Ausreisepflicht ist. Reist ein Ausländer, der nach Ablehnung des ersten Asylantrages ausgereist ist, erneut unerlaubt in die BR Deutschland ein und stellt dieser erst nach Ablauf der Zweijahresfrist des § 71 Abs.5 AsylVfG einen Asylfolgeantrag, ohne dadurch eine neue Aufenthaltsgestattung zu erlangen, kann Sicherungshaft nicht nach § 57 Abs. S. Ziff. 1 AuslG angeordnet werden, weil es an der Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht aufgrund unerlaubter Einreise fehlt.

Vor der Entscheidung des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, durch die die Einleitung eines weiteren Asylverfahrens abgelehnt wird, stellt sich die Ausreisepflicht gemäß

§ 71 Abs. 5 S. 2 AsylVG als nicht vollziehbar dar; danach beruht die Vollziehbarkeit nicht auf der unerlaubten Einreise, sondern auf den Nebenentscheidungen des Asylfolgebescheids ( LG Berlin, NVwZ Beilage 1999, S. 39; ferner Renner, Ausländerrecht, 7. A., § 57 AuslG Rdnr. 13). So verhält es sich hier.

Soweit das Landgericht weiter die Sicherungshaft auf § 57 Abs. 2 S. 1 Ziff. 5 AuslG gestützt hat, wonach die Anordnung von Sicherungshaft zulässig ist, wenn der begründete Verdacht besteht, dass sich der Ausländer der Abschiebung entziehen will, liegt dieser Entscheidung eine unzureichende Sachverhaltsaufklärung zugrunde. Gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 FEVG i.V.m. § 12 FGG ist das Gericht grundsätzlich verpflichtet, den betreffenden Ausländer vor Anordnung oder Verlängerung von Abschiebungshaft mündlich anzuhören. Diese Pflicht besteht auch in zweiter Instanz; ausnahmsweise kann von einer erneuten mündlichen Anhörung des Betroffenen abgesehen werden, wenn ohne weiteres davon ausgegangen werden kann, dass sie zur Sachverhaltsaufklärung nichts beitragen kann ( vgl. nur OLG Naumburg, FGPraxis 2000, S. 211, 212; BayOblG NVwZ Beilage 1999, S. 64; KG FGPraxis 1998, S. 242. 243 m.w.N.).

Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Abgesehen davon, dass sich nicht feststellen lässt, ob der Betroffene vor dem Amtsgericht zu allen für die Haftentscheidung maßgeblichen Punkten gehört worden ist - die Erklärung des Betroffenen erschöpft sich ausweislich des Anhörungsvermerks vom 15. 02. 2002 in vier kurzen Sätzen -, hat sich die Verfahrenslage nach der Entscheidung des Amtsgerichts erheblich verändert, so dass das Landgericht von einer erneuten mündlichen Anhörung nicht absehen durfte. Denn nach dem Beschluss des Amtsgerichtes vom 15. 12. 2002 hat das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit Bescheid vom 19. 02. 2002 den Asylfolgeantrag des Betroffenen abgelehnt. Überdies hat der Pfarrer der Kath. Kirchengemeinde St. Michael danach seine Bereitschaft erklärt, den Betroffenen bis zum Abschluss des Verfahrens bei sich aufzunehmen und dessen ordnungsgemäße Rückführung nach Mazedonien zu organisieren. Zudem lässt der Beschluss des Landgerichts nicht erkennen, ob dieses bei der Beurteilung der Voraussetzungen des § 57 Abs. 2 S. 1 Ziff. 5 AuslG das Vorbringen des Betroffenen berücksichtigt hat, dass dieser nach der erneuten unerlaubten Einreise nicht wie 1997/1998 untergetaucht ist und sich illegal in der BR Deutschland aufgehalten hat, sondern - nach den Angaben des Pfarrers bereits kurz nach der Einreise - die zuständigen Behörden mehrfach aufgesucht hat, um einen Asylfolgeantrag zu stellen. Denn das Landgericht hat den Verdacht, dass sich der Betroffene der beabsichtigten Abschiebung entziehen wolle, maßgeblich auf dessen frühere unerlaubten Einreisen in das Bundesgebiet und die 1998 erfolgte Abschiebung nach Mazedonien gestützt. Dieses Verhalten des Betroffenen mag durchaus den Verdacht als nicht fernliegend erscheinen lassen, dass sich der Betroffene der beabsichtigten Abschiebung entziehen will, kann jedoch nicht ohne Berücksichtigung seines Verhaltens nach der erneuten Einreise Anfang 2002 gewürdigt werden.