Vorläufiger Rechtsschutz nach Ablehnung eines Asylantrags als "offensichtlich unbegründet". Mit Blick auf das Urteil des EGMR vom 9.3.2010 - 41827/07 - R.C. v. Sweden (engl.) - (asyl.net, M16795) ist anzunehmen, dass im Iran häufig Festnahmen und Misshandlungen von Personen stattfinden, die an friedlichen Demonstrationen teilnehmen. Dies betrifft nicht nur Führer von politischen Organisationen oder exponierte Oppositionelle; vielmehr ist jeder, der demonstriert oder auf irgendeine Weise gegen das derzeitige Regime opponiert, in Gefahr, festgenommen, misshandelt oder gefoltert zu werden. Seit den Wahlen im Juni 2009 hat sich die Menschenrechtslage im Iran deutlich verschlechtert. Ein besonderes Risiko besteht für Rückkehrer, wenn sie nicht nachweisen können, den Iran legal verlassen zu haben.
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Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur dann, wenn dieser sich dem Bundesamt als eindeutig aussichtslos darstellt, wenn also im maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand der Rechtsprechung und Lehre) sich die Ablehnung des Asylantrags geradezu aufdrängt (BVerfG, Beschluss vom 27.02.1990 - 2 BvR 186/89 -, InfAuslR 1990, 199 f.; Beschluss vom 02.05.1984 - 2 BvR 1413/83 -, DVBl. 1984, 673).
Gemessen daran bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Würdigung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet. Das Bundesamt hat seine Entscheidung damit begründet, der Antragstellerin sei es nicht gelungen, eine Verfolgungs- beziehungsweise Gefährdungssituation glaubhaft zu machen. Die Schilderung der Bedrohungssituation habe zu keinem Zeitpunkt der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt am 28.01.2009 den Eindruck einer tatsächlich erlebten Begebenheit zu erwecken vermocht. Ihre Äußerungen seien vage und unsubstanziiert geblieben. Ein nachvollziehbarer Sachvortrag, der eine Gefährdungssituation nahe legen würde, lasse sich ihren Äußerungen nicht entnehmen. Sie habe allenfalls Situationen angedeutet, indem sie zum Beispiel zu Protokoll gegeben habe, nach ihrer Rückkehr in den Iran sei sie fünf- bis sechsmal mitgenommen, verhört und befragt worden. Sie habe ebenfalls "pauschaliert" mitgeteilt, Personen seien nach Hause gekommen, weil diese vermutet hätten, sie sei politisch aktiv. Der Inhalt und Verlauf des Gespräches hätten verdeutlicht, dass sich die Antragstellerin nicht wegen einer Verfolgungs- beziehungsweise Gefährdungssituation in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte. Gemäß § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylVfG sei ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Antrag gestellt worden sei, um eine drohende Aufenthaltsbeendigung abzuwenden, obwohl vorher ausreichend Gelegenheit bestanden habe, einen Asylantrag zu stellen. Der vorliegende Asylantrag sei als offensichtlich unbegründet abzulehnen, weil die Antragstellerin am 12.09.2008 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei, jedoch erst nach Ablauf der ihr gesetzten Frist in der Ausreiseaufforderung der Ausländerbehörde Berlin am 06.01.2009 einen Asylantrag gestellt habe.
Die vom Bundesamt aufgezeigten Zweifel daran, dass die Antragstellerin einer Verfolgungs- beziehungsweise Gefährdungssituation ausgesetzt ist, sind nicht ganz von der Hand zu weisen. Die protokollierten Angaben der Antragstellerin bei ihrer Anhörung vor dem Bundesamt am 28.01.2009 erscheinen weitgehend pauschal und unkonkret. Die Antragstellerin hat ferner gegen die Richtigkeit des Protokolls nichts Substantielles vorgebracht und bislang auch nichts Wesentliches ergänzt. Zudem fällt auf, dass die Antragstellerin eine Gelegenheit zur Asylantragstellung erst gesucht hat, nachdem bereits die in der Ausreiseaufforderung der Ausländerbehörde vom 05.11.2008 gesetzte Ausreisefrist (15.12.2008) abgelaufen war. Dies entspricht im Ablauf dem Bild, das dem Gesetzgeber bei der Abfassung des § 30 Abs. 3 Nr. 4 AsylVfG vor Augen stand (vgl. BT-Drucks. 12/4450, S. 22). Gleichwohl hält das Gericht die Offensichtlichkeitsentscheidung für unzutreffend. Mit der vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (Urteil vom 09.03.2010 - 41827/07 - R.C./Schweden, Rn. 54 ff.) ist anzunehmen, dass im Iran häufig Festnahmen und Misshandlungen von Personen stattfinden, die an friedlichen Demonstrationen teilnehmen. Dies betrifft nicht nur Führer von politischen Organisationen oder exponierte Oppositionelle, vielmehr ist jeder, der demonstriert oder auf irgendeine Weise gegen das derzeitige Regime opponiert, in Gefahr, festgenommen, misshandelt oder gefoltert zu werden. Seit den Wahlen im Juni 2009 hat sich die Menschenrechtslage im Iran deutlich verschlechtert. Ein besonderes Risiko besteht bei einer Rückkehr für iranische Staatsangehörige, wenn sie nicht nachweisen können, dass sie den Iran legal verlassen haben. Es bedarf daher der Aufklärung im Hauptsacheverfahren, ob die Antragstellerin eine legale Ausreise aus dem Iran im Falle einer Rückkehr wird nachweisen können und ob sich, aus dem etwaigen Fehlen einer Nachweismöglichkeit beziehungsweise - angesichts der Tatsache, dass sie im Iran bereits ins Blickfeld der Sicherheitsorgane geraten sein will - aus anderen Gründen eine asylrelevante Gefährdung für sie ergeben könnte. Dabei wird nicht verkannt, dass auf der Grundlage des bisherigen Vortrags der Antragstellerin ihre konkrete Situation kaum mit dem vorgenannten, vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte beschiedenen Fall vergleichbar ist, in dem der Asylsuchende eine Demonstrationsteilnahme mit anschließender Verhaftung und Folter behauptete. [...]