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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 23.09.2010 - 5405173-438 - asyl.net: M17986
https://www.asyl.net/rsdb/M17986
Leitsatz:

Der Asylantrag ist unzulässig und die Abschiebung wird nach Griechenland angeordnet, welches nach der Dublin II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des irakischen Flüchtlings zuständig ist.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, Griechenland
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 2
Auszüge:

[...]

Der Asylantrag ist gem. § 27a AsylVfG unzulässig, da Griechenland auf Grund Verfristung gem. Art. 18 Abs. 7 Dublin II-VO mit Ablauf des 12.04.2010 für die Behandlung des Asylantrages zuständig geworden ist.

Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gem. Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben, sind nicht ersichtlich.

Dem Bundesamt ist bekannt, dass es in Griechenland in Einzelfällen zu Defiziten bei der Anwendung des EU-Flüchtlingsrecht und zu persönlichen Härten für nach der Dublin II-VO überstellte Flüchtlinge und Asylbewerber kommen kann.

Trotz dieser insbesondere durch die Berichte von Pro Asyl und UNHCR bekannt gewordenen Situation ist ein genereller Überstellungsstopp nach Griechenland nicht angezeigt. Aus den vorliegenden Informationen folgt nicht, dass Asylbewerbern in Griechenland die Möglichkeit der Asylantragstellung versagt würde oder dass sie dort generell kein faires Verfahren zu erwarten hätten (VG Koblenz, Urt. v. 09.07.2008 - 1 K 353/08.KO). [...]

Eine in Deutschland möglicherweise günstige und im Mitgliedstaat gegebenenfalls abweichende Entscheidungspraxis stellt dabei keinen ausreichenden Grund dar, von einer Dublin-Überstellung abzusehen. Es entspricht nicht Sinn und Zweck der Durchführung des Dublin-Verfahrens und der Ausübung des Selbsteintrittsrechts, verbindlich geregelte Zuständigkeiten auf der Grundlage einer Abwägung von Erfolgsaussichten eines Asylverfahrens in den jeweiligen Mitgliedstaaten in Frage zu stellen.

Daher wird der Asylantrag in der Bundesrepublik Deutschland nicht materiell geprüft; Deutschland ist verpflichtet, die Überstellung nach Griechenland als zuständigen Mitgliedstaat innerhalb von sechs Monaten nach Zustimmung durchzuführen.

2. Die sofort vollziehbare Anordnung der Abschiebung nach Griechenland beruht auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Eine Aussetzung der Abschiebung ist wegen § 34a Abs. 2 AsylVfG nicht möglich.

Eine pauschale Durchbrechung der gesetzgeberischen Vorgabe des § 34a Abs. 2 AsylVfG ist vom Grundsatz der normativen Vergewisserung nicht gedeckt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass jeder nach Griechenland abgeschobenen oder überstellten Person dort ausnahmslos konkrete Gefahren für Leib und Leben, denen sie sich nicht entziehen könnte, drohten, sind nicht erkennbar. Den vorliegenden Berichten der NGOs zufolge sind Unzulänglichkeiten im Asylverfahren und bei der Unterbringung der Asylbewerber in Griechenland in Einzelfällen festgestellt worden, nicht jedoch belegbare Verstöße gegen das non-refoulement-Gebot bzw. konkrete Schutzversagung, die zu einer Gefährdung des Betreffenden geführt hätten. Die von Pro Asyl und UNHCR vorgetragenen Probleme im Rahmen des griechischen Asylverfahrens erreichen in ihrer Qualität in keiner Weise den Grad der seitens des BVerfG in seinem Konzept der normativen Vergewisserung geforderten Gefährdung von Leib und Leben des Betreffenden (vgl. VG Frankfurt/Main, Beschluss vom 09.10.2009, 3 L 2381/09.F.A(1); VG Karlsruhe, abweisender Beschluss vom 16.12.2008, A 10 K 3898/08; VG Osnabrück, abweisender Beschluss vom 27.11.2008, 5 B 124/08; VG Würzburg, abweisender Beschluss vom 10.11.2008, W 4 E 08.30145, mit einer Übersicht stattgebender und abweisender Entscheidungen (S. 10 der Ausfertigung)).

Abgesehen davon sind auch keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich, dass sich die Umstände, die zu einer Qualifizierung Griechenlands als sicherer Drittstaat geführt haben, schlagartig geändert haben und eine entsprechende Änderung des verfassungsgebenden Gesetzgebers bevorsteht (so VG Frankfurt am Main, Beschluss vom 28.02.2008, 12 L 425/08.F.A (3)). Griechenland gilt damit kraft Verfassungsrecht als schutzgewährend (VG Frankfurt am Main, Urteil vom 27.05.2008, 12 K 851/08.F.A.(1); vgl. auch Urteil vom 20.10.2008, 12 K 644/08.F.A(1)). Diese Einschätzung hat die Bundesregierung in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Bundestagsabgeordneten bestätigt, in der es ausdrücklich die Einstufung Griechenlands als sicherer Drittstaat bestätigt (Deutscher Bundestag, Drucksache 16/11543 vom 05.01.2009, Ziff. 12 a)).

Diese Einschätzung wird darüber hinaus aktuell vom OVG des Landes Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 31.08.09 - 9 B 1 198/09.A - bekräftigt. [...]