VG München

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Zitieren als:
VG München, Beschluss vom 21.02.2011 - M 11 E 11.30057 - asyl.net: M18299
https://www.asyl.net/rsdb/M18299
Leitsatz:

Ablehnung eines Eilantrags eines unbegleiteten Minderjährigen gegen eine Dublin-Überstellung nach Italien. Es kommt nicht darauf an, ob der Antragsteller einen nach italienischem Recht wirksamen förmlichen Asylantrag gestellt hatte.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, Italien, unbegleitete Minderjährige, subsidiärer Schutz, Aufenthaltserlaubnis, Somalia, Schweden, Frankreich, Selbsteintritt, Vormundschaft, Asylantrag, Zustellung, minderjährig
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 2, VO 343/2003 Art. 3 Abs. 2, VO 343/2003 Art. 6 S. 2, VO 343/2003 Art. 2 Bst. c, AsylVfG § 14, AsylVfG § 12, VO 343/2003 Art. 5 Abs. 2
Auszüge:

[...]

Nach Art. 4 Abs. 1 der Dublin II-VO wird das Verfahren zur Bestimmung des gemäß dieser Verordnung zuständigen Mitgliedstaates eingeleitet, sobald ein Asylantrag erstmals in einem Mitgliedsstaat gestellt wurde. Als Asylantrag gilt demnach nach Art. 2 c der VO der von einem Drittstaatenangehörigen gestellte Antrag, der als Ersuchen um Internationalen Schutz eines Mitgliedsstaates im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angesehen werden kann. Er gilt als gestellt nach Art. 4 Abs. 2 Dublin II-VO, wenn der zuständigen Behörde ein vom Asylbewerber eingereichtes Formblatt oder Protokoll zugegangen ist. Art. 5 Abs. 1 und 2 der Verordnung regeln, dass zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates die in diesem Kapitel genannte Reihenfolge Anwendung findet. Es ist von der Situation auszugehen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedsstaat stellt.

Nach Art. 6 Satz 2 der Verordnung ist der Antragsteller unbegleiteter Minderjähriger, so dass der Mitgliedsstaat zuständig ist, in dem er seinen Asylantrag gestellt hat und zwar nach Art. 5 Abs. 2 zum ersten Mal. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers, kommt es dabei nicht darauf an, ob er einen nach italienischem Recht wirksamen förmlichen Asylantrag in Italien gestellt hat.

Nach deutschem Recht ist bereits eine entsprechende Willensäußerung im Sinne des Art. 2 c der Dublin II-VO gegeben, wenn ein Minderjähriger einen zu beachtenden Asylantrag im Sinne eines Asylersuchens nach § 13 AsylVfG gestellt hat. Der Minderjährige ist demnach an die zuständigen Aufnahmeeinrichtungen weiterzuleiten (Gemeinschaftskommentar zum AsylVfG, Fritz/Vormeier, Bd. 2, § 13 RdNr. 24 ff.). Erst hinsichtlich der Stellung eines förmlichen Asylantrags nach § 14 AsylVfG spielt die Handlungsfähigkeit (§ 12 AsylVfG) eine Rolle.

Selbst wenn mangels Vormundes kein nach italienischem Recht wirksamer förmlicher Asylantrag gestellt wurde, so hat der Antragsteller nach seinen Aussagen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge am 30. Juni 2010 und dem Vortrag seines Bevollmächtigten dort zumindest ein Asylersuchen auf internationalen Schutz eines Mitgliedsstaates nach der Genfer Flüchtlingskonvention gestellt. Der Antragsteller hat daher in Italien erstmals einen Asylantrag im Sinne von Art 2 c der Dublin II-VO gestellt, wodurch Italien zuständig wurde (Art. 6 Satz 2 i.V.m. Art 5 Absatz 2).

Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Antrages im Jahre 2008 (Art. 5 Abs. 2 der Verordnung) hätte ein Vormund damals auch nur einen Asylantrag in Italien stellen können, da sich der Minderjährige zu diesem Zeitpunkt in Italien befand. Es sind keine Gründe ersichtlich, warum der Vormund damals keinen Asylantrag in Italien hätte stellen sollen. Auch darin zeigt sich, dass es für das Vorliegen eines Asylantrages nach Art. 2 c der Verordnung nicht darauf ankommen kann, dass der Minderjährige zuerst einen Vormund erhält, der dann erst wirksam einen Antrag stellen kann, um die Zuständigkeit des Staates zu begründen und dem Antragsteller Schutz zu gewähren. Gerade unbegleitete Minderjährige bedürfen besonderen Schutzes, sie wären ansonsten schlechter gestellt als Volljährige, wenn sie zunächst das Verfahren der Vormundschaftsbestellung abwarten müssten, um wirksam Asyl nach Art. 2 c Dublin II-VO beantragen und Schutz erhalten zu können. [...]