1. Rechtswidrigkeit einer unangekündigten Abschiebung wegen Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes, da die Kläger mit einer Ankündigung des Abschiebungstermins ein bis zwei Tage vor der Abschiebung rechnen durften.
2. Die Fortsetzungsfeststellungsklage zur Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Abschiebung ist zulässig, da effektiver Rechtsschutz möglich war.
[...]
1. Der zulässige Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil, mit dem das Verwaltungsgericht festgestellt hat, dass die am 31. März 2008 vollzogene Abschiebung der Kläger rechtswidrig war, hat keinen Erfolg.
Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, auf den die Beklagte ihren Zulassungsantrag ausschließlich stützt, liegt nicht vor. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten fehlt es nicht bereits an einem berechtigten Interesse der Kläger an der Feststellung (§ 43 Abs. 1 VwGO), dass ihre Abschiebung rechtswidrig war. Zutreffend ist das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass das Grundrecht auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebietet, in Fällen gewichtiger, allerdings in tatsächlicher Hinsicht überholter Grundrechtseingriffe, die Möglichkeit einer gerichtlichen Klärung zu eröffnen, wenn sich die direkte Belastung durch den angegriffenen Hoheitsakt nach dem typischen Verfahrensablauf auf eine Zeitspanne beschränkt hat, in welcher der Betroffene eine gerichtliche Entscheidung kaum erlangen kann (BVerfG, Beschl, v. 3.3.2004, BVerfGE 110, 77 ff.).
Die richtige Einschätzung des Verwaltungsgerichts, dass in dem vorliegenden Fall, in dem die Kläger, der Kläger zu 1) ist der Vater der minderjährigen Kläger zu 2) und 3), von mehreren im Auftrag der Beklagten handelnden Personen in den frühen Morgenstunden von den übrigen Familienmitgliedern getrennt, aus der Wohnung geholt und zum Flughafen gebracht wurden, ein gewichtiger Eingriff in die von Art. 6 GG geschützten Grundrechte der Kläger vorliegt, greift der Zulassungsantrag nicht an. Allerdings steht die Beklagte auf dem Rechtsstandpunkt, dass es den Klägern möglich gewesen wäre, ausreichenden Rechtsschutz in einem Eilverfahren zu erlangen. Sie geht davon aus, dass die Kläger, die am Morgen der Abschiebung gegen 5.00 Uhr in ihrer Wohnung aufgesucht und gegen 7.15 Uhr der Grenzschutzstelle am Flughafen Hamburg zugeführt worden sind, bis zu ihrem Abflug um 9.15 Uhr ausreichend Gelegenheit gehabt hätten, um Rechtsschutz in einem Eilverfahren nachzusuchen. Außerdem ist die Beklagte der Auffassung, dass auch die Ehefrau des Klägers zu 1) und Mutter der Kläger zu 2) und 3), die wegen fehlender Reisepapiere ihrer jüngeren Tochter von der Abschiebung verschont worden war, ausreichend Gelegenheit gehabt hätte, jedenfalls bis zu dem Weiterflug von Prag nach Jerewan, um Rechtsschutz für die Kläger nachzusuchen.
Es kann dahinstehen, ob bei einer lebensnahen Betrachtung überhaupt eine realistische Möglichkeit bestanden hat, für die Kläger rechtzeitig gerichtlichen Eilrechtsschutz einzuholen. Angesichts des Beginns der Abschiebungsmaßnahmen zur Nachtzeit, auf die die Kläger und ihre übrigen engen Familienmitglieder nicht vorbereitet waren, und unter Berücksichtigung des Umstands, dass drei minderjährige Kinder betroffen waren, bestehen daran nicht nur erhebliche Zweifel. Jedenfalls ist das Verwaltungsgericht unabhängig von dieser Frage zutreffend deshalb von einem besonderen Feststellungsinteresse ausgegangen, weil Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren anders nicht zu erlangen ist. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährt nach Maßgabe der Sachurteilsvoraussetzungen einen Anspruch auf Rechtsschutz in einem Hauptsacheverfahren (BVerfG, Beschl. v. 3.3.2004, a.a.O.). Die Möglichkeit, Rechtsschutz in einem Eilverfahren zu erlangen, genügt insoweit bereits deshalb nicht, weil in einem Eilverfahren nur eine vorläufige Regelung getroffen wird, die in verfahrensrechtlicher Hinsicht anderen Voraussetzungen unterliegt.
Da das Verwaltungsgericht zu Recht schon aus diesem Grund das besondere Feststellungsinteresse aller Kläger bejaht hat, kommt es nicht darauf an, ob darüber hinaus für die Kläger zu 2) und 3) von einer Wiederholungsgefahr auszugehen ist. Auch kann dahin stehen, ob auch noch aus anderen Gründen ein besonderes Feststellungsinteresse der Kläger besteht.
2. Soweit die Beklagte vorbringt, das Verwaltungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Abschiebungsankündigung vom 4. Dezember 2007 bei den Klägern das Vertrauen geweckt habe, dass ihnen der Abschiebungszeitpunkt jedenfalls ein bis zwei Tage vorher bekannt gegeben werde, verhilft sie mit diesem Vorbringen ihrem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg.
Zutreffend hat das Verwaltungsgericht in seinem Urteil ausgeführt, dass bei den Klägern das Vertrauen erweckt wurde, ihnen werde eine etwaige Abschiebung ein bis zwei Tage vorher bekannt gegeben. Die Beklagte hatte den Klägern und ihren mit ihnen in häuslicher Gemeinschaft lebenden engen Familienangehörigen, denen nach unrichtigen Personalangaben mehrere Jahre lang Duldungen erteilt und verlängert worden waren, nach Klärung ihrer Identitäten am 4. Oktober 2007 Duldungen erteilt, die bis zum 29. November 2007 befristet waren. Am 29. November 2007 haben sie erneut bis zum 13. März 2008 befristete Duldungen erhalten. In gleichlautenden Abschiebungsankündigungen vom 4. Dezember 2007 wies die Beklagte die Kläger darauf hin, dass sie nach Ablauf der ihnen jetzt erteilten Duldungen jederzeit mit einer Abschiebung rechnen müssten. Außerdem heißt es dort weiter:
"Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Ihre Abschiebung auch kurzfristig, innerhalb von 1 bis 2 Tagen erfolgen kann."
Obwohl die Beklagte zumindest seit dem 10. März 2008 für die gesamte Familie - mit Ausnahme der jüngsten in Hamburg geborenen Tochter - im Besitz der für eine Abschiebung erforderlichen Reisepapiere war, erteilte sie allen Familienmitgliedern am 13. März 2008 weitere dreimonatige Duldungen und bereitete eine getrennte Abschiebung der Kläger vor, die dann ohne Ankündigung am 31. März 2008 vollzogen wurde.
Die Kläger durften bei dieser Sachlage dem in den Abschiebungsankündigungen enthaltenen Hinweis entnehmen, dass ihnen ein Abschiebungstermin ein bis zwei Tage vorher angekündigt werden würde. Ein objektiver Leser entnimmt dem Wort "kurzfristig", dass vor einer Abschiebung, mit der nach Ablauf der Duldung gerechnet werden muss, noch eine kurze Frist (ein bis zwei Tage) besteht. Soweit die Beklagte mit ihrem Zulassungsantrag geltend macht, sie habe nur den Begriff "jederzeit" verdeutlichen und klarstellen wollen, dass eine Abschiebung auch schon ein bis zwei Tage nach Ablauf der Duldung möglich sei, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Für einen unbefangenen Empfänger ergibt sich diese Auslegung schon deshalb nicht, weil der Hinweissatz durch einen Absatz getrennt und durch Fettdruck besonders hervorgehoben wird. Der hierdurch unmittelbar ins Auge springende Satz vermittelt die Erwartung, dass vor einer Abschiebung zumindest eine kurze ein- bis zweitägige Frist zur Regelung persönlicher Angelegenheiten besteht. Aus Sicht eines Lesers der Abschiebungsankündigung ist es aber auch aus sprachlichen Gründen fernliegend, den Satz darauf zu beschränken, dass bereits ein bis zwei Tage nach Ablauf der Duldung mit einer Abschiebung gerechnet werden muss. Denn hierdurch wird das Wort "jederzeit" nicht klarstellend erläutert. "Jederzeit" bedeutet zum einen, dass schon unmittelbar nach Ablauf der Duldung eine Abschiebung möglich ist, und zum anderen, dass diese Möglichkeit auch danach noch weiterhin besteht. Der Hinweissatz würde so lediglich den Beginn des Zeitraumes, in dem mit einer Abschiebung gerechnet werden muss, um ein bis zwei Tage hinausschieben. Hierfür ist kein Grund ersichtlich.
Darüber hinaus durften die Kläger ihr Vertrauen dahin, dass ihnen ein Abschiebetermin ein bis zwei Tage vorher bekannt gegeben werden würde, auch darauf gründen, dass ihnen nach Ablauf der Duldungen am 13. März 2008 neue Duldungen erteilt worden sind, die sogar einen Zeitraum von drei weiteren Monaten umfasst haben.
3. Auf die weiteren Ausführungen der Beklagten zur Frage einer ausreichenden Bezeichnung des vorgesehenen Zielstaats der Abschiebung hinsichtlich der Kläger zu 2) und 3) kommt es nicht an. Denn das Verwaltungsgericht hat - wie ausgeführt - selbständig tragend und zutreffend die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Abschiebung der Kläger damit begründet, dass sie unter Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes erfolgt ist.
Aus diesem Grund kommt es auch nicht darauf an, ob sich die Ergebnisrichtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils außerdem daraus ergibt, dass die Abschiebung der Kläger ihr durch Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht auf familiäre Lebensgemeinschaft unzumutbar beeinträchtigt hat. [...]