VG Regensburg

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Zitieren als:
VG Regensburg, Urteil vom 01.03.2011 - RN 7 K 10.30437 - asyl.net: M18472
https://www.asyl.net/rsdb/M18472
Leitsatz:

Abweisung einer Klage gegen die Einstellung des Asylverfahrens durch das BAMF nach § 33 AsylVfG, da in dem vorliegenden Fall von einer absichtlichen Herbeiführung der Unverwertbarkeit der Fingerabdrücke auszugehen ist und daraus auf mangelndes Interesse an der ernsthaften Durchführung eines Asylverfahrens geschlossen werden kann. Unzulässig ist es allerdings, aus den vom BAMF vorgelegten Statistiken den Schluss zu ziehen, dass bei somalischen Staatsangehörigen immer von Manipulation auszugehen ist.

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Diese Entscheidung wurde vom VGH Bayern, Urteil vom 13.9.2011, 20 B 11.30220 (M19022), abgeändert und der BAMF-Bescheid wurde aufgehoben.

Schlagwörter: Asylverfahren, Betreibensaufforderung, Einstellung, Rücknahmefiktion, Somalia, Fingerabdrücke, Mitwirkungspflicht, Rechtsschutzinteresse, Dublin II-VO, Identitätsfeststellung, Reiseweg, EURODAC, Asylantrag, Überstellungsfrist, subjektives Recht, Anhörung, Verhältnismäßigkeit, Zielstaatsbezeichnung, Abschiebungsandrohung, Abschiebungsverbot, Abschiebungshindernis
Normen: AsylVfG § 33, AsylVfG § 13, RL 2005/85/EG Art. 20, AsylVfG § 15 Abs. 1 S. 1, AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 7, AsylVfG § 16 Abs. 1, VO 2725/2000/EG Art. 4, AsylVfG § 71a Abs. 2, AsylVfG § 15 Abs. 2 Nr. 4, AsylVfG § 16 Abs. 2, AsylVfG § 34, AufenthG § 59 Abs. 2, VO 343/2003 Art. 2 Bst. c S. 2, AsylVfG § 32, AufenthG § 60 Abs. 7 S. 2
Auszüge:

[...]

Die Klage ist zulässig. Es wurde zu Recht im Hauptantrag lediglich die Aufhebung des Einstellungsbescheids der Beklagten vom 12.10.2010 beantragt. Die besondere - auf Beschleunigung und Konzentration auf eine Behörde gerichtete - Ausgestaltung des Asylverfahrens steht einer auf Asylanerkennung gerichteten Verpflichtungsklage, auf die das Verwaltungsgericht "durchzuentscheiden" hätte, entgegen (vgl. BVerwG, Entsch. vom 7.3.1995, Az. 9 C 264/95).

Die Klage ist aber weder im Haupt- noch im Hilfsantrag begründet. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 12.10.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Das Asylverfahren wurde zu Recht eingestellt, weil ausreichender Anlass für den Erlass einer Betreibensaufforderung bestand und der Kläger dieser nicht nachgekommen ist. Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten.

1. Nach § 33 AsylVfG gilt der Asylantrag, der nach § 13 Abs. 1 und 2 AsylVfG auch den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft erfasst, als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamtes länger als einen Monat nicht betreibt. Die Rechtmäßigkeit des ergangenen Einstellungsbescheids erfordert zum einen, dass hinreichender Anlass für den Erlass einer Betreibensaufforderung bestand, zum anderen, dass der Antragsteller die verlangte Mitwirkungshandlung nicht vorgenommen hat. Liegen diese Voraussetzungen vor, dann steht auch Art. 20 der Richtlinie 2005/85/EG der Einstellung des Verfahrens nicht entgegen. Die dort in Absatz 2 geforderte Möglichkeit der Wiedereröffnung des Verfahrens ist in Deutschland durch die Vorschrift über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 32 VwVfG gesichert.

a) Zum Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung müssen sachlich begründete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses bestehen, die den späteren Eintritt der Rücknahmefiktion als gerechtfertigt erscheinen lassen. Solche Anhaltspunkte sind insbesondere dann gegeben, wenn der Asylbewerber Mitwirkungspflichten verletzt hat (vgl. Hailbronner, Ausländerrecht, § 33 AsylVfG Rdnr. 6 ff.). Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist der Ausländer verpflichtet, bei der Aufklärung des Sachverhalts mitzuwirken. Nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG hat er die die vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen zu dulden, deren Durchführung zur Sicherung der Identität des Ausländers in § 16 Abs. 1 AsylVfG vorgeschrieben ist. Die Pflicht zur Mitwirkung bei der Feststellung der Identität hat der Gesetzgeber auch so stark gewichtet, dass in § 30 Abs. 3 AsylVfG die Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet vorgesehen ist, wenn der Ausländer im Asylverfahren über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit täuscht oder diese Angaben verweigert (Nr. 2) oder er unter Angabe anderer Personalien einen weiteren Asylantrag oder ein weiteres Asylbegehren anhängig gemacht hat (Nr. 3).

Aus den genannten Mitwirkungspflichten ergibt sich die Pflicht zur Abgabe von Fingerabdrücken in einer Qualität, die eine EURODAC-Anfrage ermöglichen. Eine solche ist aus mehreren Gründen Voraussetzung für eine Sachentscheidung im Asylverfahren.

(1) Eine EURODAC-Abfrage ist erforderlich, damit die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland nach der VO(EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-Verordnung) geprüft werden kann. Nach dem in der Europäischen Union mit dieser Verordnung geschaffenen Zuständigkeitssystem soll ein Flüchtling ein Asylverfahren nur in einem Staat durchführen können. Bei Ablehnung hat er keinen Anspruch auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens in einem anderen Dublinstaat, bei Anerkennung ist der Staat, in dem er einen Antrag zuerst gestellt hat, für seine Aufnahme zuständig. Für die Prüfung dieser Zuständigkeit ist die Einholung von im EURODAC-System verwertbaren Fingerabdrücken unabdingbar. Der Kläger hat keinerlei Dokumente oder andere Nachweise zum Einreiseweg vorgelegt. Ob er sich nicht schon zuvor in einem anderen europäischen Staat aufgehalten hat und ggf. in welchem, ist auch durch mehrfache Befragung praktisch nicht zu ermitteln. Zur Verhinderung entsprechender falscher Angaben wurde das EURODAC-System geschaffen. Die Bundesrepublik Deutschland ist zur Überprüfung der Fingerabdrücke von Asylbewerbern anhand der EURODAC-Datei nach Art. 4 VO(EG) Nr. 2725/2000 verpflichtet. Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, dass die Abfrage entbehrlich sei, weil die Überstellungsfristen nach der Dublin-II-Verordnung bereits abgelaufen seien. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte, dass diese Fristen dem Schutz der Flüchtlinge dienen sollen und es bleibt dem Drittstaat im Falle eines sich evtl. noch ergebenden EURODAC-Treffers unbenommen, trotz Fristablaufs seine Zuständigkeit anzuerkennen und die Überstellung zu akzeptieren. Selbst wenn eine Überstellung nicht mehr möglich ist, führt ein bereits in einem anderen Staat erfolglos durchgeführtes Asylverfahren dazu, dass der Antrag in Deutschland nach § 71a Abs. 2 AsylVfG nur noch als Folgeantrag zu bearbeiten ist. Im Falle der erfolgten Anerkennung als Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention im Drittstaat gelten die Fristen der Dublin-II-Verordnung wohl ohnehin nicht mehr, sondern die Rückführung erfolgt nach dem Europäischen Übereinkommen über den Übergang der Verantwortung für Flüchtlinge vom 16.10.1980.

(2) Flüchtlinge aus Somalia können ihre Identität nicht durch die Vorlage von Pass, Passersatz oder anderen Urkunden gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 4 und 5 AsylVfG nachweisen. Sie berichten regelmäßig glaubhaft, dass sie in Somalia überhaupt keine Identitätspapiere, allenfalls eine Geburts- und/oder Heiratsurkunde besessen haben. Selbst wenn ein (angeblich) somalischer Staatsangehöriger einen Pass oder andere Dokumente vorlegt - was der Kläger nicht getan hat -, ist dies zur Feststellung seiner Identität wenig geeignet, weil nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 11.4.2010 in Somalia selbst und in den von Somalis bewohnten Exklaven somalische Reisepässe ebenso wie zahlreiche andere gefälschte Dokumente zu kaufen sind. Es gibt noch nicht einmal die Möglichkeit, die Existenz einer Person mit dem angegebenen Namen durch Nachfrage im Heimatland zu überprüfen, weil nach dem Schreiben des Auswärtigen Amtes vom 2.4.2009 an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge es in Somalia keinerlei Register gibt. Es kann dahinstehen, ob die in § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG aufgestellte Duldungspflicht generell auch eine Pflicht zur Erhaltung der Auswertungsfähigkeit der Fingerabdrücke umfasst - wofür allerdings Sinn und Zweck der normierten Duldungspflicht sprechen. Jedenfalls bei somalischen Staatsangehörigen ergibt sich die Pflicht zur Abgabe auswertungsfähiger Fingerabdrücke zumindest aus den sonstigen Mitwirkungspflichten, weil dies bei ihnen regelmäßig die einzig mögliche Handlung zum Nachweis ihrer Identität ist.

(3) Nicht zuletzt ist eine EURODAC-Anfrage auch erforderlich, um die Glaubhaftigkeit des Vorbringens somalischer Staatsangehöriger bewerten zu können. Im Hinblick auf die hohe Anerkennungsquote (vgl. unten) besteht ein erheblicher Anreiz, sich als somalischer Staatsangehöriger auszugeben. Die Kenntnis der somalischen Sprache ist nur ein schwaches Indiz für die Herkunft aus Somalia, weil Somali auch in Teilen der angrenzenden Länder gesprochen wird, insbesondere in Kenia, Äthiopien und Dschibuti (vgl. Artikel "Somali <Sprache>" in Wikipedia). Es gibt zu den Lebensverhältnissen in Somalia nur relativ wenige Erkenntnisquellen, die praktisch alle im Internet auch für Antragsteller zugänglich sind. Gleichzeitig lassen die chaotischen Verhältnisse in der dortigen Bürgerkriegssituation nahezu jedes geschilderte Verfolgungsschicksal theoretisch denkbar erscheinen. Ein fehlender EURODAC-Treffer ist daher eine wichtige Vorprüfung dafür, dass dem Asylbewerber geglaubt werden kann, dass er überhaupt aus Somalia kommt, und dafür, dass er nicht schon vor langer Zeit aus Somalia ausgereist ist und das aktuell geschilderte Verfolgungsschicksal frei erfunden ist.

b) Die bei der Beklagten bestehende Vermutung, dass somalische Staatsangehörige sehr häufig - auf welche Art auch immer - die Auswertungsfähigkeit ihrer Fingerabdrücke beeinflussen, beruht auf objektiv gegebenen Fakten.

Die Anerkennungsquote bei somalischen Staatsangehörigen ist sehr hoch. Nach einer in das Verfahren eingeführten Pressemitteilung des Bundesinnenministeriums vom 17.1.2001 erfolgten im Jahr 2010 bei insgesamt 2261 Asylanträgen (Erst- und Folgeanträge) 378 Zuerkennungen von Flüchtlingsschutz und 86 Zuerkennungen von subsidiären Schutz, nur in 45 Fällen erfolgten Ablehnungen, 1572 Verfahren sind noch anhängig (Rest 405 sonstige Verfahrenserledigungen). In der Pressemitteilung ist eine Anerkennungsquote von 41,4 % bei der Flüchtlingsanerkennung und 9,4 % bei den Abschiebungsverboten, in der Summe demnach 50,8 % angegeben, wobei bei dieser Quote eine Vielzahl von Verfahrenseinstellungen berücksichtigt ist, die vermutlich häufig auf ähnlichen Bescheiden wie dem streitgegenständlichen beruhen. Gleichzeitig zeigt die von der Beklagten vorgelegte Statistik zu den Ergebnissen von (erfolgreichen) EURODAC-Anfragen bei somalischen Staatsangehörigen im Zeitraum von Januar bis September 2010 bei 412 Personen 727 EURODAC-Treffer, d.h. die Betreffenden haben sich oft schon in mehreren europäischen Ländern aufgehalten.

Vor dem Hintergrund der hohen Anerkennungsquote und der häufigen EURODAC-Treffer ist es nicht zu übersehen, dass gerade bei angeblich somalischen Staatsangehörigen seit Herbst 2009 in einer Vielzahl von Fällen Probleme bei der erkennungsdienstlichen Behandlung aufgetreten sind.

Nach der von der Beklagten vorgelegten Statistik kam es im Jahr 2010 in 731 Fällen von somalischen Staatsangehörigen zur Meldung des BKA "Fingerabdrücke wegen Qualitätsmängel neu aufnehmen". Der Statistik entnommen werden kann auch, dass es nur bei wenigen anderen Ländern zu einer größeren Zahl von Fällen kommt, bei denen ebenfalls die Anerkennungsquote nach der oben genannten Pressemitteilung relativ hoch ist: Afghanistan 86 Fälle, bei einer Anerkennungsquote in der Summe von 43,8 %; Irak 48 Fälle, Anerkennungsquote 52,3 %, Iran 45 Fälle, Anerkennungsquote 52,2 %, Auch beim Herkunftsland Eritrea kam es zu 140 Fällen nicht auswertbarer Fingerabdrücke, bei nur 737 insgesamt gestellten Erstanträgen; insoweit ist der Einzelrichterin aufgrund der Zuständigkeit der Kammer für dieses Land bekannt, dass die Anerkennungsquote noch deutlich höher sein dürfte als in den zuvor genannten Ländern. Zugleich kommt es bei Herkunftsländern wie z.B. dem Kosovo und Mazedonien, bei denen die Antragsteller regelmäßig Identitätsdokumente vorlegen können, kaum zu Problemen (Kosovo 19 Fälle bei 1614 Anträgen, Mazedonien 14 Fälle bei 2466 Anträgen). Schon daraus ergibt sich, dass das gehäufte Auftreten von Qualitätsmängeln nicht auf Fehlern bei der Erfassung durch Bedienstete des Bundesamts, auf den von den Außenstellen des Bundesamts verwendeten EDV-Systemen oder solchen des EURODAC-Systems beruhen kann. [...]

Die Unverwertbarkeit der Fingerabdrücke kann auch nicht auf biologischen Gründen, wie z.B. besonderer Beschaffenheit der Haut, oder auf den Lebensverhältnissen in Somalia beruhen. Dies ergibt sich schon daraus, dass nach den (zwar nicht belegten, aber auch nicht in Frage zu stellenden) Angaben der Beklagten es bis 2009 kaum Probleme mit der Auswertbarkeit von Fingerabdrücken gegeben hat. Auch zeigen die in das gerichtliche Verfahren eingeführten Statistiken, dass bei 2235 (Erst-)Anträgen somalischer Staatsangehöriger im Jahr 2010 es "nur" in 732 Fällen Probleme bei der ED-Erfassung gegeben hat, demnach bei 1503 Personen eine Verwertbarkeit gegeben war.

Bei dieser Ausgangslage ist der Verdacht begründet, dass bei nicht auswertungsfähigen Fingerabdrücken angeblich somalischer Staatsangehöriger ein ernsthaftes Interesse an der Durchführung eines Asylverfahrens fehlt. Es liegt nicht fern, dass den betroffenen Antragstellern die fehlenden Erfolgsaussichten ihres Antrags von vornherein bekannt sind und durch die Einleitung des Asylverfahrens bei gleichzeitiger Verhinderung der EURODAC-Abfrage lediglich die Überstellung in einen Drittstaat oder die Abschiebung in den tatsächlichen Herkunftsstaat vereitelt werden soll. Zur Beschleunigung des Abschlusses des Asylverfahrens betroffener Personen ist das Instrument der Betreibensaufforderung nach § 33 AsylVfG grundsätzlich geeignet. [...]

Allerdings ist aus der von der Beklagten vorgelegten Statistik zu unverwertbaren Fingerabdrücken auch zu schließen, dass es wenige Fälle nicht auswertbarer Fingerabdrücke bei allen Herkunftsländern gibt. Die Beklagte trägt selbst vor, dass es Einzelfälle schon immer gegeben hat. Das zum Fall des Klägers vorgelegte Schreiben des Bundeskriminalamts stellt ausdrücklich fest, dass die Gründe für Qualitätsunterschiede hinsichtlich des Erscheinungsbilds von Fingerabdrücken vielfältig sind, demnach Manipulation nicht die einzige Ursache sein kann. Unzulässig ist es deshalb, aus den vorgelegten Statistiken den Schluss zu ziehen, dass bei somalischen Staatsangehörigen immer von Manipulation auszugehen ist. Dem Umstand, dass es bei somalischen Staatsangehörigen ebenso wie bei anderen Herkunftsländern in seltenen Fällen andere Ursachen geben kann, muss bei Anwendung des § 33 AsylVfG Rechnung getragen werden. Das Asylverfahrensgesetz sieht eine Anhörung zwar weder vor dem Erlass einer Betreibensaufforderung noch vor Erlass des Einstellungsbescheids vor; die Anwendung des § 28 VwVfG ist ausgeschlossen, weil das Asylverfahrensgesetz den Bereich der Anhörung spezialgesetzlich regelt. Nach Sinn und Zweck der Betreibensaufforderung muss der Antragsteller jedoch dann angehört werden, wenn er aus seiner Sicht die erforderliche Mitwirkungshandlung - hier die Abgabe von Fingerabdrücken - erbringt, die Behörde darin aber keine Erfüllung der Mitwirkungspflicht - hier wegen der fehlenden Auswertungsfähigkeit der Fingerabdrücke - sieht. Bei der Niederschrift zum Asylantrag und der dabei regelmäßig stattfindenden ersten ED-Behandlung durch das Bundesamt ist ein Dolmetscher anwesend (vgl. Beschreibung der Vorgehensweise durch den regelmäßig bei den Außenstellen München und Zirndorf tätigen Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung). Nach den Angaben der Beklagtenvertreter ist bei Abnahme der Fingerabdrücke durch Livescan, die bei der ersten Abnahme normalerweise erfolgt, regelmäßig eine sofortige Einschätzung der Verwertbarkeit der Fingerabdrücke möglich. Der Erlass einer Betreibensaufforderung ist in diesem Fall daher nur verhältnismäßig, wenn dem Antragsteller zuvor Gelegenheit gegeben wird, andere Gründe als Manipulation für die mangelnde Auswertbarkeit darzulegen. Wird die mangelnde Verwertbarkeit bei Abnahme durch Farbabdruck und fehlenden offensichtlichen Veränderungen erst später durch die Mitteilungen des Bundeskriminalamts erkannt, dann gebietet es der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass dem Antragsteller zumindest dann, wenn er aufgrund der Betreibensaufforderung erneut beim Bundesamt vorspricht, Gelegenheit gegeben wird, die sich aus der fehlenden Auswertungsfähigkeit ergebenden Zweifel am Sachbescheidungsinteresse durch Nennung von Gründen für die Unverwertbarkeit zu beseitigen. Unterbleibt dies, dann kann der Einstellungsbescheid nur Bestand haben, wenn die aus Sicht des Antragstellers bestehenden Gründe ohnehin nicht geeignet gewesen wären, den Verdacht des fehlenden Sachbescheidungsinteresses zu widerlegen.

c) In Anwendung der genannten Grundsätze ist im Fall des Klägers zu Recht eine Betreibensaufforderung ergangen und es konnte mangels Vornahme der verlangten Mitwirkungshandlung das Verfahren wegen fiktiver Antragsrücknahme eingestellt werden. Es bestehen ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die Auswertbarkeit seiner Fingerabdrücke für eine EURODAC-Abfrage gezielt verhindert hat.

(1) Es steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger am 10.3., 12.3., 29.7. und 31.8.2010 Fingerabdrücke abgenommen wurden und dass diese Abdrücke ebenso wie die während des gerichtlichen Verfahrens am 28.12.2010 nochmals erfassten nicht auswertungsfähig für eine EURODAC-Abfrage waren. [...]

(2) Es steht auch hinreichend sicher fest, dass die mangelnde Auswertbarkeit vom Kläger absichtlich verursacht wurde. Dabei ist zu berücksichtigen, dass nach der im Verfahren vorgelegten Stellungnahme des Bundeskriminalamtes der Nachweis der Manipulation anhand der erstellten Fingerabdruckblätter ohnehin nicht möglich ist. Es kommt daher nicht darauf an, dass Fingerabdruckblätter der Erfassung am 10.3.2010 und 29.7.2010 nicht mehr vorhanden sind. Im Hinblick auf die Anforderungen an einen Nachweis der Manipulation ist zudem zugrunde zu legen, dass die erfolgte Manipulation durch die oben dargestellten Statistiken indiziert ist. Zu prüfen ist demnach im wesentlichen, ob es hinreichende Anhaltspunkte dafür gibt, dass es im Einzelfall des Klägers andere Ursachen für die mangelnde Auswertbarkeit geben kann. [...]

Für eine Manipulation durch den Kläger spricht zudem, dass es weitere Anhaltspunkte dafür gibt, dass er seine Identität verschleiern will. So hat er auf sämtlichen im Behördenakt vorhandenen Unterlagen keine Unterschrift geleistet, sondern durch Unterzeichnung mit einem Stern den Eindruck erweckt, dass er nicht schreiben kann. Für diese Verhaltensweise konnte er in der mündlichen Verhandlung keine schlüssige Erklärung angeben. Daneben zeigen auch die falschen Angaben zur angeblichen Erfassung bei der Polizei (vgl. oben), dass der Kläger Täuschungsabsicht bezüglich der ED-Behandlungen hat. [...]

Es gibt auch keine Aufzeichnungen dazu, ob der Kläger zumindest ab der zweiten Erfassung zu den Gründen für die Unverwertbarkeit seiner Fingerkuppen befragt wurde. Ob es glaubhaft ist, dass er davon erst durch die Betreibensaufforderung erfahren haben will, und bei der Vorsprache nach der Betreibensaufforderung trotz der eingeräumten Anwesenheit eines Dolmetschers nicht befragt worden ist, ist allerdings auch nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn der Kläger keine Gelegenheit zur Nennung von Gründen für die Unverwertbarkeit erhalten hat, macht das die Betreibensaufforderung und den Einstellungsbescheid in diesem Fall nicht rechtswidrig. Die Betreibensaufforderung und der Einstellungsbescheid hätten nämlich auch dann ergehen dürfen, wenn er die im gerichtlichen Verfahren als mögliche Ursache genannten Gründe für die mangelnde Auswertungsfähigkeit im Verfahren beim Bundesamt vorgetragen hätte.

Er hat in der ersten mündlichen Verhandlung angegeben, dass Ursache der Hautveränderungen die Tätigkeit als Bauarbeiter gewesen sei und dass er diese zuletzt am 2.2.2010 ausgeübt hat. Es ist zumindest nicht ausgeschlossen, dass eine solche Tätigkeit zu einem Abrieb der Haut und Verminderung der Tiefe der Hautrillen führt und zu den auf dem Abdruckblatt vom 12.3.2010 vom Bundeskriminalamt festgestellten unregelmäßigen punktförmigen Unterbrechungen der Papillarlinien geführt haben kann. Aus diesem Abdruckblatt können auch Rückschlüsse auf die Qualitätsmängel bei der Abnahme durch die Außenstelle Gießen des Bundesamtes gezogen werden, weil es nur 2 Tage später erstellt wurde. Es entspricht aber auch allgemeiner Lebenserfahrung, dass sich oberflächliche Abschürfungen der Haut an den Fingern, die durch solche Tätigkeiten entstehen, sehr schnell regenerieren. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung am 3.12.2010 auf Frage nach einer Erholung der Haut angegeben, dass seine Finger "immer gut" gewesen seien, demnach tiefere Verletzungen oder Beschädigungen nicht behauptet. Dem entspricht auch das Erscheinungsbild des Fingerabdruckblatts, das keine größeren Narben oder Defekte erkennen lässt. Selbst wenn man zugunsten des Klägers noch davon ausgeht, dass der Zeitraum vom 2.2. bis 10.3.2010 nicht ausreichend für eine Regeneration eines Hautabriebs aufgrund der Tätigkeit als Bauarbeiter gewesen wäre, dann kann dies nur die Unverwertbarkeit am 10.3. und 12.3. 2010 erklären, nicht dagegen bei den weiteren Abnahmen. Unabhängig davon, ob die angebliche Putztätigkeit in der Aufnahmeeinrichtung in München zu den neuen anderen Beeinträchtigungen der Hautqualität, wie sie auf dem Abdruckblatt vom 31.8.2010 erkennbar sind (vgl. oben) geführt haben kann, hat der Kläger nach eigenen Angaben seit der Verlegung nach Mainburg am 27.5.2010 eine entsprechende Tätigkeit nicht mehr ausgeübt. Für die Regeneration der Schäden durch die Tätigkeit als Maurer war deshalb bis zur Abnahme am 29.7.2010 ein Zeitraum von 6 Monaten gegeben, für die Regeneration einer neuen Schädigung der Haut durch die Putztätigkeit ein Zeitraum von mindestens 2 Monaten. Dass jedenfalls in diesem Zeitraum oberflächliche Hautschädigungen, wie sie durch die genannten Tätigkeiten entstehen können, ausgeheilt wären, ist allgemeinkundig und bedarf keiner gutachtlichen Klärung. Erst recht hätte ein Hautabrieb aufgrund der behaupteten Ursache bis zum 31.8.2010 und 28.12.2010 regeneriert sein müssen.

Soweit der Kläger in der weiteren mündlichen Verhandlung am 1.3.2011 angegeben hat, seine frühere Arbeitstätigkeit habe zu dauerhaften Schäden geführt, steht das schon in Widerspruch zu seinen Angaben am 3.12.2010, wo er erklärt hat, dass seine Haut sich erholt habe. Es ist auch zu erwarten, dass sich bei Einholung der Stellungnahme einer fachkundigen Stelle ergeben würde, dass die behauptete tiefgreifende Schädigung u.U. zu einer stellenweise Veränderung der Fingerabdrücke führen kann, nicht dagegen zum dauerhaften Ausbleiben des Nachwuchses von Papillarlinien. Eine solche Klärung ist aber nicht erforderlich, weil jedenfalls die Erklärung des Klägers zur einmaligen Ursache und dauerhaften Veränderung der Haut in Widerspruch zu der vom Bundeskriminalamt getroffenen Feststellung steht, dass die Qualitätsmängel unterschiedlich sind. Das schließt die behauptete einheitliche Ursache und bleibende Veränderung aus. Darüber hinaus ist auch ohne besondere Sachkunde ohne weiteres zu erkennen, dass die Veränderungen auf dem Abdruckblatt vom 31.8.2010, das dem Bundeskriminalamt von der Beklagten nicht zur Prüfung zugeleitet wurde, nochmals andere sind als auf den beiden anderen Blättern, insbesondere die strichförmigen Unterbrechungen der Papillarlinien beim rechten Daumen.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass von absichtlicher Herbeiführung der Unverwertbarkeit der Fingerabdrücke auszugehen ist und daraus auf mangelndes Interesse an der ernsthaften Durchführung eines Asylverfahrens geschlossen werden kann. Die Betreibensaufforderung ist deshalb zu Recht ergangen; da der Kläger der verlangten Mitwirkungshandlung zur Abgabe auswertbarer Fingerabdrücke nicht nachgekommen ist, gilt sein Asylantrag als zurückgenommen. [...]

2. Die Klage ist auch sowohl im als Hauptantrag gestellten Anfechtungsantrag als auch im als Hilfsantrag gestellten Verpflichtungsantrag unbegründet, soweit sie sich auf Ziff. 2 und 3 des angefochtenen Bescheids bezieht.

a) In der Abschiebungsandrohung in Ziff. 3 des Bescheids wurde ein Zielstaat nicht benannt. Die Benennung des noch ungeklärten "Herkunftsstaates" als Zielstaat der Abschiebung ist lediglich ein vorläufiger Hinweis der Beklagten an den Kläger, dass er ohne erneute Abschiebungsandrohung in einen später noch zu benennenden Staat abgeschoben werden kann. Vor einer Durchführung der Abschiebung muss dem Kläger noch gemäß § 34 AsylVfG i.V.m. § 59 Abs. 2 AufenthG der konkrete Zielstaat bekannt gegeben und die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes ermöglicht werden (vgl. BVerwG, Entsch. vom 25.7.2000, Az. 9 C 42.99), Daher kann sich aus der Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat eine Rechtsverletzung nicht ergeben.

Mangels benannten Zielstaates ist die in Ziff. 2 des Bescheids getroffene Negativfeststellung bezüglich des Vorliegens von Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG gegenstandslos (vgl. OVG für das Land Schleswig-Holstein, Entsch. vom 31.7.2008, Az. 1 LA 48/08). Ausweislich der Begründung des angefochtenen Bescheids hat das Bundesamt Abschiebungshindernisse in Bezug auf Somalia nicht geprüft, weil es nicht als erwiesen angesehen wird, dass der Kläger dessen Staatsangehörigkeit besitzt oder dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Die Negativfeststellung bezieht sich daher nicht auf Somalia. Selbst bei Eintritt der Bestandskraft kann sie dem Kläger nicht (präklusiv) entgegen gehalten werden (vgl. OVG für das Land Schleswig-Holstein, a.a.O.), wenn Somalia später noch als Zielstaat einer Abschiebung konkretisiert wird. Vielmehr müssen dann noch Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG in Bezug auf Somalia geprüft werden (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Entsch. vom 30.5.2007, Az. 2 M 153/07 und vom 13.8.2008, Az. 2 L 12/08; VGH Baden-Württemberg, Entsch. vom 13.9.2007. Az. 11 S 1684/07).

b) Der Kläger hat auch keinen Anspruch darauf, dass schon vor Konkretisierung eines Abschiebezielstaates Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich Somalia festgestellt werden.

Im Hinblick auf die Definition des Art 2 Buchst. c) Satz 2 der Dublin-II-Verordnung spricht schon viel dafür, dass auch für diese Feststellung zunächst die Zuständigkeit der Bundesrepublik Deutschland durch eine EURODAC-Abfrage festzustellen wäre.

Außerdem sieht § 32 Satz 1 AsylVfG zwar vor, dass im Falle der Antragsrücknahme das Bundesamt feststellt, ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegt; in den Fällen der Verfahrenseinstellung wegen Nichtbetreibens des Verfahrens erfolgt diese Entscheidung gemäß § 32 Satz 2 AsylVfG nach Aktenlage. Die Vorschrift zielt aber ersichtlich auf die Zuständigkeit des Bundesamtes (statt der Ausländerbehörde) für diese Feststellung und geht davon aus, dass der Ausländer nach Einstellung des Asylverfahrens in einen bestimmten Staat abgeschoben wird, hinsichtlich dessen Abschiebungshindernisse vorliegen können. Hier ist eine Abschiebungsandrohung hinsichtlich des Zielstaates Somalia dagegen nicht ergangen, so dass der Kläger keines Schutzes vor Abschiebung in diesen Staat bedarf.

Er kann die Feststellung auch nicht deshalb beanspruchen, weil sie Grundlage für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 3 AufenthG sein könnte und dem Kläger deshalb ein Aufenthaltsrecht in Deutschland vermitteln würde. Zwar entspricht es der ständigen Praxis der Beklagten, bei Staatsangehörigen Somalias regelmäßig (mindestens) die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG festzustellen. Gerade wegen der aufenthaltsrechtlichen Auswirkungen der Feststellung liegt es aber auf der Hand, dass sie nur in Betracht kommt, wenn glaubhaft ist, dass der Kläger die somalische Staatsangehörigkeit oder einen gleichwertigen Bezug zu Somalia hat. Da aufgrund der Situation in Somalia mangels Schutzes eines Clans gerade auch Ausländern die in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorausgesetzte erhebliche individuelle Gefahr droht, könnte sonst jeder Ausländer durch Behauptung eines Bezugs zu Somalia sich ein Aufenthaltsrecht in Deutschland verschaffen. Nach den obigen Ausführungen unter Ziff. 1 ist für die Glaubhaftmachung der somalischen Staatsangehörigkeit die Abgabe auswertungsfähiger Fingerabdrücke erforderlich. Die Beharrlichkeit, mit der der Kläger noch im gerichtlichen Verfahren eine EURODAC-Abfrage verhindert, lässt vermuten, dass er nicht nur einen Voraufenthalt in einem sicheren Drittstaat verschleiern will, sondern dass er dort auch eine andere Staatsangehörigkeit angegeben hat. Bei dieser Ausgangslage kommt eine positive Feststellung von Abschiebungshindernissen bezüglich Somalia nicht in Betracht. [...]