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Zitieren als:
BAMF, Bescheid vom 27.01.2011 - 5313069-225 - asyl.net: M18526
https://www.asyl.net/rsdb/M18526
Leitsatz:

Krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG für HIV-Infizierten, da eine kostenlose medizinische Behandlung in Äthiopien nicht möglich ist (antiretrovirale Therapie, engmaschige ärztliche Betreuung usw.).

Schlagwörter: krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Äthiopien, HIV/AIDS, medizinische Versorgung, Medikamente
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Die für den Wiederaufgreifensantrag angegebene Begründung führt jedoch zu einer für den Antragsteller günstigeren Entscheidung, weil nunmehr vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG bezüglich Äthiopien auszugehen ist. [...]

Ausweislich des vorgelegten ärztlichen Attestes leidet der Antragsteller seit längerer Zeit an einer HIV-Infektion, die seit März 2010 antiretroviral therapiert wird. Regelmäßige Verlaufskontrollen sind erforderlich.

Zwar sind nach Auskunft von DIFÄM (Bericht vom Mai 2010) antiretrovirale Medikamente in Äthiopien vorhanden und werden auch kostenlos abgegeben. Allerdings kommen nach einer anderen Auskunft des deutschen Institutes für ärztliche Mission (DIFÄM) vom 22. März 2006 nur etwa 1,3 % der Erkrankten in den Genuss der benötigten langfristigen Behandlung. Insbesondere bei Rückkehrern aus dem Ausland ist eine kostenlose Therapie nicht gewährleistet, da in solchen Fällen davon ausgegangen wird, dass dieser Personenkreis über ausreichend Geldmittel verfügt. Schon von daher ist es äußerst fraglich, ob der Antragsteller bei Rückkehr nach Äthiopien in den Genuss einer kostenlosen HIV-Therapie käme.

Abgesehen davon ist ebenso wichtig wie die richtige Medikation auch eine engmaschige ärztliche Betreuung, die Behandlung etwaiger opportonistische Erkrankungen und kontinuierliche laborchemische Kontrollen.

Angesichts dieser Sachlage ist es nicht nur unwahrscheinlich, dass der Antragsteller sich in Äthiopien überhaupt einer antiretroviralen Therapie unterziehen könnte, er könnte auch die zur HIV-Bekämpfung erforderlichen Medikamente sowie die regelmäßigen Kontrolluntersuchungen nicht bezahlen (vgl. Urteil des Bay. Verwaltungsgerichtshofes vom 06.03.2007, Az.: 9 B 06.30682). Der Antragsteller ist nach eigenen Angaben ohne Berufsausbildung; seine Eltern sind bereits verstorben. Ob er in Äthiopien in Kürze nach Rückkehr eine ausreichende berufliche Tätigkeit finden würde, ist - angesichts seiner Krankheit - mehr als fraglich. Daher ist es auch unwahrscheinlich, dass der Antragsteller überhaupt die finanziellen Mittel für eine adäquate Therapie aufbringen könnte.

Nach alledem ist davon auszugehen, dass bei dem Antragsteller nach einer Rückkehr nach Äthiopien mit einer alsbaldigen und erheblichen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu rechnen wäre.

Nach alledem war ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. [...]