Nach Einführung des § 62 Abs. 2 S. 5 AufenthG geht der Gesetzgeber offensichtlich nunmehr davon aus, jede Haftanordnung werde bei einem Scheitern der Abschiebung unwirksam, es sei denn, der Betroffene hat das Scheitern zu vertreten. Die Abschiebungshaft wäre vorliegend demnach mangels erneuter Haftanordnung zwingend nach dem Scheitern der Abschiebung zu beenden gewesen.
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Die Dauer der Haftanordnung ist nicht zu beanstanden. Sie erscheint angemessen vor dem Hintergrund, dass einerseits die Zeit, innerhalb der der Rückflug organisiert werden kann, nicht restlos kalkulierbar ist, und andererseits die Haftanordnung für einen Monat deutlich hinter der regelmäßigen Grenze von drei Monaten zurückbleibt.
Jedoch wäre die Haft am 16.02.2011 mit Blick auf § 62 Abs. 2 S. 5 AufenthG zwingend zu beenden gewesen:
Nach dieser Vorschrift bleibt im Falle des Scheiterns der Abschiebung die Anordnung der Haft nur dann bis zum Ablauf der Anordnungsfrist unberührt, wenn das Scheitern auf Gründen beruht, die der Ausländer zu vertreten hat. Die für den 16.02.20.11 geplante Abschiebung ist jedoch aus Gründen gescheitert, die die Betroffene nicht zu vertreten hatte:
Nicht erforderlich für ein Scheitern der Abschiebung ist, dass nach einem gescheiterten Abschiebungsversuch die Durchführung der Abschiebung innerhalb der Haftdauer bzw. innerhalb des Dreimonatszeitraums des § 62 Abs. 2 S. 4 AufenthG nicht mehr möglich ist. Von einem Scheitern ist vielmehr bereits dann auszugehen, wenn der Abschiebungsvorgang konkret begonnen hat und aus welchen Gründen auch immer abgebrochen werden muss. Es genügt, wenn die Abschiebung zumindest vorübergehend nicht vollzogen werden kann (OLG Frankfurt FGPrax 2009, 188 f., juris Rn. 17). Das ergibt sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs, die als Beispiel für ein vom Betroffenen zu vertretendes Scheitern der Abschiebung den Fall nennt, dass der Ausländer im Flugzeug randaliert und der Flug deshalb abgebrochen werden muss (vgl. OLG Frankfurt a. M. FGPrax 2009, 188 f:, juris Rn. 13 mit Verweis auf BTDrucks. 16/5065).
Die genannten Voraussetzungen liegen hier vor: Die Betroffene hatte am 16.02.2011 die Gewahrsamseinrichtung in Ingelheim bereits Richtung Flughafen Frankfurt a.M. verlassen; der Flug war für 11:40 Uhr vorgesehen. Nachdem um 9:48 Uhr eine telefonische Mitteilung des Oberverwaltungsgerichts bei der antragstellenden Behörde einging, dass die Abschiebung zu stoppen sei, wurde unter anderem die Bundespolizeidirektion am Flughafen hierüber informiert und die Betroffene wurde wieder in die Gewahrsamseinrichtung zurückgebracht (Blatt 77 f., 92, 157, 171, 173 der Verwaltungsakte).
Die Betroffene hat das Scheitern der Abschiebung nicht zu vertreten. Das Scheitern des Abschiebeversuchs beruht vielmehr darauf, dass die antragstellende Behörde das Verfahren im vorliegenden Einzelfall überbeschleunigt hat: Aus einem Aktenvermerk der antragstellenden Behörde vom 09.02.2011 (Blatt 48 der Verwaltungsakte) sowie aus einer handschriftlichen Notiz vom 11.02.2011 (Blatt 72 RS der Verwaltungsakte) ergibt sich, dass seitens des amerikanischen Generalkonsulats zweifach der berechtigte Wunsch geäußert worden ist, die Betroffene in der Gewahrsamseinrichtung für Ausreisepflichtige zu besuchen, dass dies dem Generalkonsulat allerdings vor der bereits auf den 16.02.2011 festgesetzten Abschiebung der Betroffenen nicht mehr möglich war. Mithin wurde der Betroffenen dadurch, dass schon sieben Tage nach der Festnahme der Betroffenen ihre Abschiebung stattfinden sollte, die ihr zudem nach Aktenlage nicht konkret angekündigt wurde und wohl auch nicht mindestens eine Woche zuvor angekündigt werden konnte (vgl. § 59 Abs. 5 S. 2 AufenthG), eine effektive Wahrnehmung ihrer Rechte aus Art. III Abs. 2 S. 1 des Deutsch-Amerikanischen Freundschafts-, Schifffahrts- und Handelsvertrages sowie aus Art. 36 Ziff. 1. b) des Wiener Übereinkommens über konsularische Beziehungen vom 24.04.1969 unmöglich gemacht (so auch OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16.02.2011, Az.: 7 B 10279/11.OVG, S. 10). Vielmehr hätte die antragstellende Behörde angesichts des Ersuchens des Generalkonsulats bereits am Tage der Ingewahrsamnahme der Betroffenen von einem derart raschen Abschiebungstermin Abstand nehmen und der konsularischen Vertretung zunächst Gelegenheit geben müssen, die Betroffene zu besuchen und gegebenenfalls kreditweise die Kosten der Rückkehr in die USA zu übernehmen. Sie hat damit den Beschleunigungsgrundsatz im konkreten Einzelfall zu exzessiv angewandt und hierdurch das Scheitern des Abschiebungsversuchs am 16.02.2011 ermöglicht.
Allein aus dem Umstand, dass die Betroffene ihre gesetzmäßigen Rechte wahrgenommen hat bzw. durch ein Gespräch mit der Botschaft wahrnehmen wollte, kann nicht geschlussfolgert werden, dass sie das Scheitern der Abschiebung am 16.02.2011 zumindest auch zu vertreten habe. Zweck des § 62 Abs. 2 Nr. 5 AufenthG ist es nicht, die gesetzmäßigen Rechte des Ausländers einzuschränken und sein Recht auf ein Gespräch mit seiner Botschaft zu beschneiden. Darauf liefe es aber hinaus, wollte man ihm das Scheitern der Abschiebung aufgrund von Verzögerungen zurechnen, die durch ein hinsichtlich der Durchsetzung dieses Rechts erfolgreich angestrengtes verwaltungsgerichtliches Eilverfahren bedingt sind.
Folge des von der Betroffenen nicht zu vertretenden Scheiterns der Abschiebung ist der Verbrauch des Beschlusses über die Haftanordnung vom 09.02.2011. Das ergibt sich insbesondere aus dem Wortlaut des § 62 Abs. 2 S. 5 AufenthG und der Entstehungsgeschichte der Norm. Denn Grund für die Einführung der Vorschrift waren Unsicherheiten, die im Zusammenhang mit einer Entscheidung des OLG München (FGPrax 2006, 593) entstanden waren. Zuvor war man in Rechtsprechung und Literatur regelmäßig davon ausgegangen, die Haftanordnung verliere nicht ihre Wirksamkeit, wenn die Abschiebung vorzeitig abgebrochen werden musste. Denn ihrem Regelungszweck nach dient die Haftanordnung dazu, den Vollzug der Abschiebung zu ermöglichen und nicht den Vollzug eines konkreten Abschiebevorgangs. Nach Einführung des § 62 Abs. 2 S. 5 AufenthG geht der Gesetzgeber offensichtlich aber nunmehr davon aus, jede Haftanordnung werde bei einem Scheitern der Abschiebung unwirksam, es sei denn, der Betroffene hat das Scheitern zu vertreten (OLG Frankfurt FGPrax 2009, 188 f., juris Rn. 14 f.).
Die richterliche Haftanordnung vom 09.02.2011 verlor durch den gescheiterten Abschiebe[haft]versuch ohne Weiteres ihre Wirksamkeit, so dass die Betroffene zwingend zu entlassen war (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 422 Rn. 8). Für die Aufrechterhaltung der Haft hätte es eines erneuten Antrags der zuständigen Behörde und einer erneuten richterlichen Haftanordnung bedurft (vgl. OLG Frankfurt a.M. FGPrax 2009, 188 f., juris.Rn. 17; Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 422 Rn. 8).
Vom 16.02.2011 bis 24.02.2011 befand sich die Betroffene also ohne rechtliche Grundlage in Haft und der weitere Vollzug der Haft war rechtswidrig. Das war durch Beschluss festzustellen (vgl. Keidel/Budde, FamFG, 16. Aufl., § 426 Rn. 2, § 62 Rn. 19). [...]