VG Gera

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Zitieren als:
VG Gera, Urteil vom 08.06.2011 - 4 K 20015/10 Ge - asyl.net: M18661
https://www.asyl.net/rsdb/M18661
Leitsatz:

Krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot (PTBS, juvenile Sklerose). Das Gericht lässt offen, ob die erforderlichen Therapien für die Kläger überhaupt möglich wären, jedenfalls können sie von den Klägern nicht finanziert werden.

Schlagwörter: krankheitsbedingtes Abschiebungsverbot, Kosovo, Kosovo-Albaner, Posttraumatische Belastungsstörung, psychische Erkrankung
Normen: AufenthG § 60 Abs. 7 S. 1
Auszüge:

[...]

Die Klage ist begründet. In der Person der Kläger liegen die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 AufenthG in Gestalt eines beachtlichen Abschiebungshindernisses vor. [...]

Hinsichtlich des Klägers zu 1. hat der Amtsarzt der Stadt Suhl am 02.08.2010 festgestellt, dass dieser unter den Folgen des Überfalls mit schweren Messerstichverletzungen leidet und gehbehindert sei. Er habe chronische Schmerzen und leide unter einer posttraumatischen Belastungsstörung. Diese erfordere eine psychotherapeutische Behandlung. Auch sei der Kläger zu 1. nicht reisefähig für eine Rückkehr in das Kosovo. Das Gericht lässt offen, ob die erforderliche Therapie des Klägers zu 1. im Kosovo überhaupt möglich wäre. Jedenfalls sind die Kläger nach Überzeugung des Gerichts außer Stande, die erheblichen Kosten zu tragen. Diesbezüglich geht die Dipl.-Psych. ... am 06.05.2011 davon aus, dass beim Kläger zu 1. eine Langzeittherapie mit 100 Therapiesitzungen zu je 81,14 Euro erforderlich ist. Die täglichen Kosten für Medikamente beziffert der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ... auf 1,56 Euro.

Diese erheblichen Kosten können die Kläger nicht aufbringen. Sie erhalten nämlich Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Der Kläger zu 1. ist zu 50 Prozent schwerbehindert und erzielt kein Einkommen. Auch die Klägerin zu 2. arbeitet nicht, denn sie ist als Hausfrau mit der Erziehung ihrer vier Kinder ausreichend beschäftigt. Über Vermögen verfügt die Familie nicht. Zwar leben im Kosovo noch zwei Brüder der Klägerin zu 2. Diese sind aber nach den glaubhaften Bekundungen der Kläger zu 1. und 2. in der mündlichen Verhandlung selbst arm und nicht im Stande, die Kläger finanziell zu unterstützen. Auf diese Hilfe seien die Kläger bei ihrer Rückkehr Ende 2006 bereits einmal angewiesen gewesen und hätten sie mangels finanzieller Möglichkeiten nicht erhalten können. Daher kann der Kläger zu 1. die erforderliche Therapie im Kosovo bereits in Ermangelung der notwendigen finanziellen Mittel nicht erhalten (vgl. hierzu: Urteil des erkennenden Gerichts vom 24.05.2007 - 4 K 20126/04 Ge).

Nichts anderes gilt für die Klägerin zu 2. Bei ihr hat der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie ... am 27.05.2011 Angst und depressive Störungen festgestellt. Ungeachtet der Frage, ob eine entsprechende Therapie der Klägerin zu 2. im Kosovo möglich wäre, gilt auch hier, dass die Kläger nicht in der Lage wären, eine solche Therapie im Kosovo zu finanzieren. Bei der Klägerin zu 2. hält der Facharzt ca. 25 psychotherapeutische Sitzungen zu je 81,00 Euro für erforderlich. Die Kosten für Medikamente belaufen sich bei der Klägerin zu 2. auf täglich 0,20 Euro.

Dasselbe gilt für die Klägerin zu 3.: Sie leidet ausweislich der ärztlichen Bescheinigungen des Kinder- und Jugendpsychotherapeuten ... vom 06.05.2011 und des Facharztes für Orthopädie ... vom 10.05.2011 unter einer posttraumatischen Belastungsstörung und einer Juvenilen Skoliose. Nach der ärztlichen Bescheinigung des Orthopäden kann die erforderliche Therapie der Klägerin zu 3. mehrere tausend Euro kosten. Hinzu käme in den meisten Fällen eine psychische Behandlung der betroffenen Kinder, die ihrerseits relativ kostenintensiv seien könne. Herr ... hält in seiner Bescheinigung vom 06.05.2011 weitere 6 - 9 Behandlungssitzungen der Klägerin zu 3. mit Kosten von jeweils 53,40 Euro für erforderlich. [...]