SG Köln

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Zitieren als:
SG Köln, Beschluss vom 05.05.2011 - S 35 AY 55/11 ER - asyl.net: M18676
https://www.asyl.net/rsdb/M18676
Leitsatz:

Unabweisbar gebotene Leistungen bei einem Aufenthalt unter Verstoß gegen eine räumliche Beschränkung im Sinne von § 11 Abs. 2 AsylbLG entsprechen der Höhe der Leistungskürzung nach § 1a AsylbLG, d.h. einer Kürzung des Taschengeldes (§ 3 Abs. 1 S. 4 AsylbLG). Zur örtlichen Zuständigkeit nach § 10a Abs. 1 S. 2 AsylbLG.

Schlagwörter: Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz, vorläufiger Rechtsschutz, einstweilige Anordnung, Taschengeld, unabweisbar gebotene Leistungen, Duldung, räumliche Beschränkung, örtliche Zuständigkeit, Verstoß gegen räumliche Beschränkung,
Normen: AsylbLG § 3 Abs. 2 S. 1, AsylbLG § 3 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, AsylbLG § 3 Abs. 1 S. 4, AsylbLG § 1 Abs. 1 Nr. 5, AsylbLG § 10a Abs. 1 S. 2, AufenthG § 61 Abs. 1 S. 1, AufenthG § 51 Abs. 6, AsylbLG § 11 Abs. 2, AsylbLG § 1a,
Auszüge:

[...]

Der zulässige - sinngemäße - Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihr vorläufig Grundleistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren, ist (nur) insoweit begründet, als die Antragsgegnerin der Antragstellerin zeitlich begrenzt die tenorierten Grundleistungen entsprechend § 3 AsylbLG - ohne Unterkunfts-/Heizkosten und Taschengeld - vorläufig zu gewähren hat. [...]

Soweit Leistungen seitens des Gerichts hier zugesprochen werden, hat die Antragstellerin sowohl Anordnungsanspruch als auch Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Es gilt zunächst festzustellen, dass auf die Antragstellerin, bei der nicht erkennbar ist, dass sie derzeit über Einkommen und/oder Vermögen verfügt und deren Hilfebedürftigkeit überhaupt nicht im Streit steht, das AsylbLG anzuwenden ist. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 5 AsylbLG sind Ausländer nach diesem Gesetz leistungsberechtigt, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die vollziehbar ausreisepflichtig sind, auch wenn eine Abschiebungsandrohung noch nicht oder nicht mehr vollziehbar ist. Diese Voraussetzungen treffen auf die Antragstellerin zu, der von der Stadt ... zuletzt am 10.11.2010 eine Duldung bis zum 09.02.2011 ausgestellt worden war mit der Folge, dass sie zur Zeit weder über eine Duldung noch ein irgendwie geartetes Bleiberecht verfügt und damit ausreisepflichtig ist.

Für die (örtliche) Zuständigkeit der Antragsgegnerin ist die Vorschrift des § 10a Abs. 1 S. 2 AsylbLG heranzuziehen, nach der die Behörde zuständig ist, in deren Bereich sich die Leistungsberechtigten tatsächlich aufhalten. Soweit davon abweichend gemäß § 10a Abs. 1 S. 1 AsylbLG für Leistungen nach diesem Gesetz die nach § 10 AsylbLG bestimmte Behörde zuständig ist, in deren Bereich der Leistungsberechtigte aufgrund der Entscheidung des vom Ministerium des Innern bestimmten zentralen Verteilungsstelle verteilt oder von der im Lande zuständigen Behörde zugewiesen worden ist, erweist sich dies hier als irrelevant, nachdem die asylverfahrensrechtlich veranlasste Zuweisung der Antragstellerin mit Bescheid vom 26.02.2010 nach ... durch die Beendigung des Asylverfahrens mit Bestandskraft des diesbezüglichen Ablehnungsbescheides vom 24.06.2010 und die Erteilung der vorgenannten - asylverfahrensunabhängigen - Duldung gegenstandslos geworden ist (vgl. Grube/Wahrendorf, BGB XII, 3. Auflage (2010), § 10a AsylbLG, Rn. 5).

Für die Höhe der zu bewilligenden Leistungen ist für das erkennende Gericht entscheidend, dass im Rahmen der im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nur möglichen und auch nur angezeigten summarischen Prüfung der Aufenthalt der Antragstellerin auch nach Beendigung des Asylverfahrens und dem zeitlichen Ablauf der - räumlich nur für das Land Baden-Württemberg geltenden - Duldung derzeit weiterhin auf vorgenanntes Land beschränkt sein dürfte (§§ 61 Abs. 1 S. 1; 51 Abs. 6 entsprechend Aufenthaltsgesetz - AufenthG). Die Antragstellerin wäre demzufolge vorbehaltlich der noch ausstehenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts Köln im auf die Erteilung einer Duldung durch die Antragsgegnerin gerichteten Eilverfahren - Az. 5 L 442/11-. aufenthaltsrechtlich gehalten (§ 12 Abs. 3 AufenthG), nach Baden-Württemberg zurückzukehren. Leistungsrechtlich hat dies gemäß § 11 Abs. 2 AsylbLG, wonach Leistungsberechtigten in Teilen der Bundesrepublik Deutschland, in denen sie sich einer asyl- oder ausländerrechtlichen räumlichen Beschränkung zuwider aufhalten, die für den tatsächlichen Aufenthaltsort zuständige Behörde nur die nach den Umständen unabweisbar gebotene Hilfe leisten, zur Folge, dass die Antragstellerin nur solche unabweisbare Hilfe beanspruchen kann; soweit die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren demgegenüber die Bewilligung der - vom Leistungsumfang höheren - Grundleistungen nach § 3 AsylbLG begehrt hat, konnte sie sich daher angesichts der wegen des laufenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bestehenden aufenthaltsrechtlichen Unsicherheiten nicht durchsetzten und hatte ihr Antragsbegehren insoweit keinen Erfolg. Den unbestimmten Rechtsbegriff des unabweisbar Gebotenen in § 11 Abs. 2 AsylbLG hat das Gericht hier dabei dahingehend bestimmt, dass eine Absenkung der Grundleistungen nach § 3 AsylbLG auf des unabweisbar gebotene Niveau i.S.d. Vorschrift des § 10 AsylbLG erfolgen soll, bei der regelmäßig existenzsichernd auch nur eine Streichung des Geldbetrages nach § 3 Abs. 1 S 4 AsylbLG (sog. Taschengeld) angezeigt ist (vgl. LSG NRW, Urteil vom 14. Februar 2011 - L 20 AY 46/08 - zitiert nach www.sozialgerichtsbarkeit.de). (Noch) geringere Leistungen verbieten sich aus Sicht des Gerichts unter Berücksichtigung der im Eilverfahren vorzunehmenden lnteressenabwägung, bei der auch die Belange des Kindes der Antragstellerin im Säuglingsalter nicht außen vor bleiben dürfen, vor allem vor dem Hintergrund, dass zwischen den Beteiligten der ausländerrechtliche Aufenthaltsstatus beim Verwaltungsgericht Köln in Streit steht und Inhalt und Zeitpunkt der dortigen Entscheidung nicht absehbar ist. Daran anknüpfend kann die Antragstellerin nicht mit ihrem Vorschlag gehört werden, (nur) die bei einer Rückkehr nach Baden-Württemberg anfallenden Reisekosten übernehmen zu wollen. Denn eine hierdurch erzwungene Rückkehr erschiene dem Gericht etwa auch angesichts der seitens der Antragstellerin vorgetragenen und sicherlich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren näher zu hinterfragenden Flucht aus ... in ein Bonner Frauenhaus vor dem sie - vermeintlich - bedrohenden Kindesvater als zu großes Beschwernis.

Soweit die vom Gericht vorgenommene Leistungsverpflichtung der Antragsgegnerin nicht auch die Kosten des Aufenthalts der Antragstellerin im Bonner Frauenhaus - als Unterkunftsbedarf nach § 3 Abs. 1 bzw. Sonderbedarf nach § 6 AsylbLG - mitumfasst und die Antragstellerin diesbezüglich nicht obsiegt hat, liegt dies in der insoweit fehlenden Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes begründet. So hat die Antragstellerin die in diesem Zusammenhang anfallenden Kosten schon nicht beziffert und auch nicht vorgetragen, dass die dortige Unterbringung wegen aufgelaufener Rückstände bereits konkret gefährdet wäre. Drohte dies, könnte im Übrigen die Antragstellerin von der Antragsgegnerin alternativ sicherlich in einer Gemeinschaftsunterkunft untergebracht werden. [...]