VG Schleswig-Holstein

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Zitieren als:
VG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 08.06.2011 - 11 B 36/11 - asyl.net: M18702
https://www.asyl.net/rsdb/M18702
Leitsatz:

Eilrechtsschutz gegen Dublin-Überstellung nach Malta nach Asylantragstellung aus der Abschiebungshaft.

Schlagwörter: Dublin II-VO, Dublinverfahren, vorläufiger Rechtsschutz, einstweilige Anordnung, Malta, Norwegen, Visum, Aufnahmebedingungen
Normen: AsylVfG § 27a, AsylVfG § 34a Abs. 2, VwGO § 123
Auszüge:

[...]

Die Entscheidung ergeht gem. § 76 Abs. 4 AsylVfG durch den Berichterstatter als Einzelrichter.

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO ist statthaft. Insoweit wird auf die von dem Antragsteller zutreffend zitierte und nach wie vor einschlägige ständige Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts verwiesen.

Der Zulässigkeit des Antrags steht auch § 34a Abs. 2 AsylVfG nicht entgegen. Danach darf die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat nicht nach § 80 oder § 123 VwGO ausgesetzt werden. Zwar ist Malta als Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft gem. § 26 a Abs. 2 AsylVfG ein solcher und Artikel 16 a Abs. 2 GG geht grundsätzlich davon aus, dass alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union die von ihnen eingegangenen Verpflichtungen nach der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention erfüllen. Angesichts der aktuellen Situation von Asylbewerbern in Malta bestehen aber erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass dies beim Aufnahmestaat Malta nicht zutrifft. Das VG Regensburg hat in dem oben zitierten Beschluss die Situation von Flüchtlingen in Malta unter Auswertung der dort näher aufgezeigten Quellen zutreffend erfasst. Die Einschätzung deckt sich auch mit den Auskünften, die in der Beiakte A auf Seite 68 ff enthalten sind. Das beschließende Gericht macht sich die dortigen Ausführungen zu eigen.

Aus der Anordnung des Bundesministeriums des Innern gem. § 23 Abs. 2 AufenthG zur Aufnahme bestimmter nach Malta geflüchteter Personen vom 18. Mai 2011 sowie des daraufhin ergangenen Erlasses des Ministeriums für Justiz, Gleichstellung und Integration des Landes Schleswig-Holstein vom 23. Mai 2011 folgert das beschließende Gericht, dass sich die bereits früher abzeichnende Situation noch nachhaltig verschärft hat, Bekanntlich hat der Rat der Europäischen Union auf seiner Tagung vom 11./12. April 2011 vor dem Hintergrund der aktuellen Lage in Libyen dazu aufgerufen, Mitgliedsstaaten, die unmittelbar von der dadurch in Gang gesetzten Migrationsbewegungen betroffen sind, zu helfen. Als Zeichen der Solidarität mit dem aufgrund seiner geografischen Lage und im Hinblick auf die eigene Einwohnerzahl besonders belasteten Mitgliedstaat Malta halten die Innenminister und -senatoren der Länder und der Bundesminister des Innern es für angemessen, dass Deutschland Personen, die Malta seit Ende März 2011 über das Mittelmeer kommend erreicht haben, aufnimmt. Vor dem Hintergrund der aktuellen Situation im Nahen Osten und insbesondere in Libyen drängt sich auf, dass es zu weiteren Flüchtlingsströmen kommt bzw. kommen wird, die aufgrund der geografischen Lage in erheblichem Umfang in Malta ankommen werden. Da Malta schon in den vergangenen Jahren nicht genügend Kapazitäten für die Aufnahme von Flüchtlingen hatte, ist mit einer weiteren Verschlimmerung der Aufnahmebedingungen zu rechnen, die durch die letzt angeordnete Aufnahme dorthin verschlagener Flüchtlinge bestenfalls auf dem Niveau eines status quo gehalten werden kann.

Weiterhin ist glaubhaft. dass der Antragsteller in Malta noch nicht als Flüchtling anerkannt war oder subsidiären Schutz erhalten hat. Der Wortlaut der gegenüber Norwegen, aber auch Deutschland gegenüber erklärten Übernahmeerklärung (''The alien is known to Malta'') ist zwar neutral, der fehlende Hinweis auf einen bestehenden Aufenthaltstitel lässt aber den Schluss auf ein noch laufendes Verfahren zu. [...]